05.05.2020 | Susanne Jungblut, Stefan Bäumler

Auswirkungen der Corona-Krise auf Pensionsverpflichtungen

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Bei zahlreichen Unternehmenstransaktionen spielen Pensionsverpflichtungen eine entscheidende Rolle. Zumeist werden bestehende und auf den Käufer übergehende Versorgungsverpflichtungen durch einen adäquaten Kaufpreisabzug berücksichtigt. Dieser orientiert sich an den Verhältnissen bei Closing. Maßgeblich sind hierbei vor allem der Rechnungszins, der für die Bewertung der Versorgungsverbindlichkeiten herangezogen wird, und der Marktwert des Planvermögens. Beide Parameter werden aktuell durch die Corona-Krise ganz wesentlich beeinflusst.

Schließlich hat der Ausbruch des Coronavirus an den Finanzmärkten weltweit zu starken Einbrüchen geführt. Die führenden Aktienindizes in den USA und Europa sind zeitweise um mehr als 30% eingebrochen. An den Anleihemärkten kam es zu erheblichen Kurseinbrüchen. Für die Verpflichtungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) bedeutet dies einerseits einen sinkenden Verpflichtungsumfang, was aus dem gestiegenen Rechnungszins resultiert. Andererseits lässt der Einbruch der Aktienmärkte die vorhandenen Planvermögen abschmelzen. Wie nachhaltig diese Auswirkungen sein werden, kann zurzeit nur spekulativ betrachtet werden. Bei Unternehmenstransaktionen wird jedoch in aller Regel eine Stichtagsbetrachtung herangezogen. Damit kann die Corona-Krise kurzfristig erheblichen Einfluss auf die Verhandlungen über einen adäquaten Kaufpreisabzug für Pensionen haben.

1. Rechnungszins

Der wesentlichste Einflussfaktor auf die Bruttopensionsverpflichtung ist der Rechnungszins. Nach den Vorschriften des IAS 19 ist dieser anhand von Renditen von qualitativ hochwertigen Unternehmensanleihen zu bestimmen, deren Laufzeit und Währung mit den Pensionsverpflichtungen übereinstimmen. Die Renditen dieser festverzinslicher Unternehmensanleihen sind durch die Corona-Krise seit dem Jahresende 2019 um ca. 30 Basispunkte gestiegen, zwischenzeitlich betrug der Anstieg bis zu 70 Basispunkte, da Anleger höhere Ausfallrisiken befürchten. Der Zinsanstieg führt zu einem deutlichen Rückgang der Pensionsverpflichtungen. In Abhängigkeit von deren Struktur kann der Rückgang des Verpflichtungsumfanges bis zu 10% betragen. Allerdings bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten, zumal die EZB sich zum Ziel gesetzt hat, die Zinsen niedrig zu halten.

Einen weiteren Einfluss auf den Rechnungszins haben die Ratingagenturen. Sollten diese zu der Überzeugung kommen, dass die Ausfallrisiken der bisher mit guter Qualität eingestuften Unternehmen durch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Ausbruchs gestiegen sind, könnte es zu Abstufungen in den Unternehmensratings kommen. Dies dürfte zu Zinsrückgängen nach IAS19 führen, da die Renditen der abgestuften Unternehmen dann nicht mehr zur Zinsbestimmung herangezogen werden können.

Im HGB bestimmt sich der Rechnungszins über einen 10-Jahres-Zeitraum. Kurzfristige Turbulenzen haben hier nur marginale Auswirkungen.

2. Planvermögen

Die Rückgänge an den globalen Börsen dürften auch Vermögensgegenstände treffen, die für die Finanzierung der bAV separiert worden sind. So haben zahlreiche Unternehmen Vermögenswerte in ein zur Finanzierung der Versorgungsverpflichtungen reserviertes Treuhandmodell (CTA) übertragen. Dieses Planvermögen ist sowohl nach HGB als auch nach IAS 19 mit dem Zeitwert anzusetzen. Somit spiegeln sich selbst temporäre Volatilitäten in den Bilanzen der Unternehmen wider. Während nach IFRS diese Schwankungen lediglich erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassen sind, müssen sie nach HGB in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt werden.

3. Sterbetafel

Durch die Ausbreitung des Coronavirus ist leider auch mit weiteren Sterbefällen zu rechnen. Allerdings sollten bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen weiterhin die bisher verwendeten Sterbetafeln unverändert Anwendung finden. Zur Herleitung der Sterbetafeln wurde umfangreiches Ausgangsmaterial erhoben mit dem Ziel, langfristige Trends zur Sterblichkeitsentwicklung in den Sterbetafeln abzubilden. Kurzfristige, temporäre Ereignisse haben hierauf keinen Einfluss.

4. Beiträge zur Insolvenzsicherung

Der Pensionssicherungsverein (PSVaG) ist der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der bAV in Deutschland. Im Fall einer Unternehmensinsolvenz übernimmt er die Leistungen an die insolvenzgeschützten Versorgungsberechtigten. Zu seiner Finanzierung erhebt der PSVaG Beiträge von allen Unternehmen, die insolvenzgeschützte Versorgungszusagen erteilt haben. Die Höhe seiner Beiträge ergibt sich aus dem aktuellen Schadenaufwand, also den Insolvenzen des jeweiligen Kalenderjahres. Sollte es aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus zu vermehrten Insolvenzen kommen, könnte dies zu einer Anhebung des Beitragssatzes für das Jahr 2020 führen. Für 2019 beträgt der Beitragssatz 3,1 Promille. Im Jahr 2009, also während der Finanzkrise, belief er sich auf 14,2 Promille.

5. Einstandspflicht der Unternehmen

Oftmals erfolgt die Durchführung der bAV mittelbar durch einen externen Versorgungsträger. Gleichwohl haftet der Arbeitgeber stets im Rahmen der gesetzlichen Einstandspflicht. Einige Anbieter waren bereits vor der Corona-Krise aufgrund der langanhaltenden Niedrigzinsphase in einer finanziellen Notlage und konnten die zugesagten Leistungen ohne zusätzliche Beiträge nicht mehr in vollem Umfang erbringen. Sofern sich die Finanzierungssituation der Versorgungsträger durch die Einbrüche an den Finanzmärkten abermals nachhaltig verschlechtern sollte, könnten weitere Zusatzbeiträge erhoben oder Leistungskürzungen notwendig werden.

6. Kurzarbeit und betriebliche Altersversorgung

Gleichwohl es für die Unternehmen wesentlich ist, in dieser Krise ihre Liquidität aufrechtzuerhalten und insbesondere Fixkosten wie Personalkosten zu senken, sind arbeitgeberfinanzierte Versorgungsbeiträge ungeachtet der Corona-Krise und etwaiger Kurzarbeit nach Maßgabe der Versorgungszusage weiterhin zu erbringen – wenn auch ggf. in reduziertem Umfang.

7. Fazit

Wie nachhaltig die Auswirkungen der Corona-Krise auf die bAV sein werden, lässt sich heute schwer absehen und hängt wohl wesentlich davon ab, wie lange Pandemie und Shutdown anhalten. Bei Unternehmenstransaktionen ist neben der Frage, welchen Einfluss die Verwerfungen an den Finanzmärkten auf einen geeigneten Kaufpreisabzug für übergehende Pensionslasten haben, zudem dringend zu prüfen, ob Garantien im Kaufvertrag notwendig sind, um bei möglicherweise durch die Corona-Krise verursachten zusätzlichen Belastungen eine faire Lastenverteilung zwischen Käufer und Verkäufer bereits vorab festzulegen.

 

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