03.02.2021 | Dr. Andreas Hofelich, Dr. Michael Rein

Betriebsübergang aus der Insolvenz: Praxis atmet auf – eingeschränkte Haftung des Erwerbers für betriebliche Altersversorgung bleibt

optional, Recht & Steuern

Am 26. Januar 2021 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die eingeschränkte Haftung eines Erwerbers auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung nach einem Betriebsübergang aus der Insolvenz bestehen bleibt. Damit haben die Erfurter Richter eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung geklärt.

Wird bei der Insolvenz eines Unternehmens ein Betrieb veräußert, gehen die Arbeitsverhältnisse der in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nach den allgemeinen Regeln des Betriebsübergangs kraft Gesetzes auf den Betriebserwerber über (§ 613a BGB). Das bedeutet im Grundsatz, dass der Erwerber an sämtliche Rechte und Pflichten aus diesen Arbeitsverhältnissen gebunden ist und zwar auch dann, wenn die Verpflichtungen vor dem Betriebsübergang begründet wurden. So gilt etwa die beim (insolventen) Veräußerer erworbene Betriebszugehörigkeit beim Erwerber fort.

Eine wichtige Ausnahme von dieser umfassenden Haftung des Betriebserwerbers sah das BAG bislang auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung vor. Hiernach soll der Erwerber bei einem Betriebsübergang aus der Insolvenz nicht für solche Anwartschaften haften, die bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdient wurden (sogenannter „Past Service“). Vielmehr müsse der Erwerber – so das BAG – nur für denjenigen Teil der betrieblichen Altersversorgung einstehen, der in der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdient wird (sogenannter „Future Service“). Für den Past Service haftet dagegen grundsätzlich der Pensions-Sicherungs-Verein („PSV“). Letzteres allerdings nur, soweit die Versorgungsanwartschaft bei Insolvenzeröffnung bereits gesetzlich unverfallbar war. Zudem ist die Haftung des PSV durch den sogenannten Festschreibeeffekt gesetzlich eingeschränkt. So sind bei der Berechnung des Teils der betrieblichen Altersversorgung, für den der PSV einzustehen hat, allein die Bemessungsgrundlagen zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung maßgeblich. Das ist insbesondere bei endgehaltsbezogenen Zusagen relevant, bei den die Anwartschaft erst durch Gehaltssteigerungen anwächst, die nach Insolvenzeröffnung eintreten. Für diesen Teil des Anwartschaftszuwachses haftet bislang weder der PSV noch der Erwerber, sondern ausschließlich die Insolvenzmasse.

Grund für diese Haftungsverteilung ist, dass in einem Insolvenzverfahren alle Gläubiger, inklusive der Arbeitnehmer, grundsätzlich gleichbehandelt werden sollen. Müsste ein Erwerber erhebliche finanzielle Mittel für den Past Service aufwenden, würde er diese Aufwendungen vom Kaufpreis abziehen. Die Veräußerung des Betriebs würde einen geringeren Ertrag zugunsten der Insolvenzmasse liefern. Die Arbeitnehmer wären vollständig abgesichert, während die Interessen der übrigen Gläubiger beeinträchtigt würden. Dies widerspricht dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Zudem erleichtert es die Sanierung und Fortführung eines insolventen Unternehmens und dient der Sicherheit der Arbeitsplätze, wenn der Erwerber nicht für den Past Service haftet.

Ob die darin liegende Haftungsprivilegierung des Erwerbers auch zukünftig erhalten bleibt, war seit 2018 ungewiss. So hatte das BAG Ende Oktober 2018 erstmals Zweifel daran geäußert, ob seine bisherige Rechtsprechung europarechtskonform sei. Deshalb hat das Gericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob es mit europäischem Recht vereinbar sei, dass ein Erwerber bei einem Betriebsübergang aus der Insolvenz nicht für solche Anwartschaften haftet, die auf Beschäftigungszeiten vor der Insolvenzeröffnung beruhen.

Zwar hat der EuGH dies mit Urteil vom 9. September 2020 grundsätzlich bejaht. Er hat in diesem Zusammenhang aber darauf hingewiesen, dass hiervon nur dann auszugehen sei, wenn für die Arbeitnehmer ein gewisser Mindestschutz gewährleistet ist. Damit war zunächst weiterhin offen, ob das BAG seine bisherige Rechtsprechung fortführen würde.

Am 26. Januar 2021 hat das BAG nun entschieden, dass es auf der Grundlage der EuGH-Entscheidung an der Haftungsprivilegierung für den Erwerber festhält. Der europarechtlich gebotene Mindestschutz sei durch einen gegen den PSV gerichteten Anspruch gewährleistet. Dies könnte allerdings auch bedeuten, dass auf den PSV eine zusätzliche Haftung in Fällen zukommt, in denen nach derzeitiger Gesetzeslage keine Haftung besteht, etwa bei noch nicht unverfallbaren Versorgungsanwartschaften. Ob dies tatsächlich zutrifft, kann erst beurteilt werden, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Bislang ist nur eine Pressemitteilung des BAG bekannt.

Aber auch auf dieser Grundlage lässt sich als positives Fazit ziehen, dass das BAG die Sanierung insolventer Unternehmen nicht weiter erschwert. Dies ist gerade in der Zeit der Corona-Pandemie, in der nach Auslaufen der gesetzlichen Schutzmaßnahmen verstärkt mit Insolvenzen zu rechnen ist, eine gute Nachricht.

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