01.11.2022 | Dr. Dieter Vollkommer

ESG-Risiken sind Investmentrisiken

Während der Bereich der Unternehmensführung, insbesondere mit den Regeln zu Compliance, schon seit einiger Zeit größere Aufmerksamkeit genießt, nimmt der Fokus auf Umwelt und Soziales maßgeblich zu. Dazu beigetragen haben zwei Stakeholder, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Die Bewegung „Fridays for Future“ (FFF) und institutionelle Investoren, wie zum Beispiel Blackrock. FFF hat den Klimawandel ins Bewusstsein vieler gebracht, und der jährliche Brief von Blackrock-CEO Larry Fink fordert dazu auf, das E, aber auch S und G stärker in der Unternehmensstrategie zu verankern – Tenor: ESG-Risiken sind Investmentrisiken.

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Vor wenigen Jahren noch waren die Stichworte Nachhaltigkeit (engl. Sustainability) und ESG in Unternehmen vornehmlich etwas für eine kleinere Gruppe von Mitarbeitern, die sich um die Darstellung des Unternehmens in Nachhaltigkeitsfragen kümmerte und gegebenenfalls einen Nachhaltigkeitsbericht verfasste, mit dem operativen Geschäft jedoch wenig Berührungspunkte hatte. Das war eigentlich schon damals erstaunlich, wird Nachhaltigkeit doch definiert als „alle Aktivitäten, die dazu beitragen, Wohlstand und gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen und gleichzeitig die negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt zu verringern“. ESG steht für Belange der Umwelt, Sozialem und guter Unternehmensführung – und all diese Bereiche betreffen die strategische Ausrichtung eines Unternehmens sowie dessen Geschäftstätigkeit fundamental.

Während der Bereich der Unternehmensführung, insbesondere mit den Regeln zu Compliance, schon seit einiger Zeit größere Aufmerksamkeit genießt, nimmt der Fokus auf Umwelt und Soziales maßgeblich zu. Dazu beigetragen haben zwei Stakeholder, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Die Bewegung „Fridays for Future“ (FFF) und institutionelle Investoren, wie zum Beispiel Blackrock. FFF hat den Klimawandel ins Bewusstsein vieler gebracht, und der jährliche Brief von Blackrock-CEO Larry Fink fordert dazu auf, das E, aber auch S und G stärker in der Unternehmensstrategie zu verankern – Tenor: ESG-Risiken sind Investmentrisiken.

Die Herausforderung vieler Unternehmen liegt nun darin, sicherzustellen, dass Nachhaltigkeit zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist, statt eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, die neben der Geschäftsstrategie steht. In vielen Unternehmen wird dafür ein Chief Sustainability Officer eingesetzt, eine Rolle, die häufig durch den CEO oder CFO wahrgenommen wird. Der Chief Sustainability Officer ist gleichwohl darauf angewiesen, dass die Nachhaltigkeit im täglichen Geschäft verankert wird. Dafür empfiehlt sich die Einrichtung eines übergreifenden Nachhaltigkeitsgremiums, das sich aus Leitern der Geschäfte, der Regionen und der betroffenen Funktionen wie Arbeitssicherheit, Personal oder Einkauf zusammensetzt. Aufgabe dieses Gremiums ist es, Prioritäten zu definieren und die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen, um die in der Nachhaltigkeit liegenden Geschäftsmöglichkeiten zu realisieren, aber auch die ESG-Risiken zu minimieren.

Begleitend sollten ESG-Kriterien in relevanten Geschäftsprozessen verankert werden. Zentral sind der Einkaufprozess, da Unternehmen zunehmend in die Verantwortung für Ihre Lieferkette genommen werden (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz), aber auch der Vertriebsprozess, in dem eine ESG-Due-Diligence bereits sehr früh mögliche Nachhaltigkeitsherausforderungen im Kundenprojekt transparent macht.

Ein anderer, aber nicht minder wichtiger Bereich sind Mergers & Acquisitions, in denen Nachhaltigkeit zunehmend eine Rolle spielt: Neben den Beispielen in Lieferkette und Vertrieb könnten hier beispielsweise auch die Treibhausgasemissionen des zu integrierenden Unternehmens eine wesentliche Rolle spielen, wenn sie den eigenen Reduzierungszielen entgegenstehen.

Unterstützend wirkt die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der variablen Vergütung und ein regelmäßiger Fortschrittsbericht im Rahmen von Geschäftsdurchsprachen.

Orchestriert wird dies durch die Nachhaltigkeitsabteilung, die fachlich an den Chief Sustainability Officer berichtet. Häufig sind diese Abteilungen historisch gewachsen und sahen ihre Aufgabe eher im Verfassen des Nachhaltigkeitsberichts als darin, Geschäftsprozesse (mit) zu definieren. Diese veränderte Ausrichtung geht einher mit zunehmenden Anforderungen sowohl hinsichtlich Kapazität als auch der Kompetenz der Nachhaltigkeitsmanager. Für Unternehmen stellt diese Entwicklung eine hervorragende Chance dar, Nachhaltigkeit im Konzern inhaltlich und personell auf ein neues Level zu heben.

Dr. Dieter Vollkommer
Autor
Dr. Dieter Vollkommer

Dr. Dieter Vollkommer ist Vice President Sustainability bei der Siemens Energy AG.

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