29.09.2018 | Christoph Studinka

Excess Cash – Fluch oder Segen? Wie überschüssige Geldmittel das M&A-Geschäft beeinflussen

Allgemein, Standpunkt

Am 2. August 2018 war es soweit: Apple erreichte als erstes Unternehmen eine Marktkapitalisierung von über 1 Bio. USD. Etwa ein Viertel der Marktkapitalisierung, rund 244 Mrd. USD, ist als liquide Mittel in Apples Bilanz zu finden. Dieses Phänomen ist kein Einzelfall: viele Unternehmen haben prall gefüllte Bankkonten bedingt durch eine gute Konjunktur und günstiges Kapital. Daher muss im heutigen Marktumfeld zwischen Operating Cash (für den Betrieb notwendige Liquidität) und Excess Cash unterschieden werden.

Vor dem Hintergrund von niedrigen oder sogar negativen Zinsen liegt es nahe, Excess Cash nicht auf Dauer auf den Bankkonten zu lassen, sondern anderweitig einzusetzen. Ein Beispiel sind Finanzierungsmaßnahmen wie Dividenden, Aktienrückkäufe oder Darlehensrückzahlungen. Ein anderes Beispiel sind Transaktionen im Zuge von Unternehmensübernahmen, also M&A.

Lars Bechert und Nikolaus Schwarz (The Effect of Excess Cash on M&A, 2016, Stockholm School of Economics) beweisen in einer neuen Studie, dass Unternehmen mit mehr Geldmitteln, als sie operativ benötigen, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Unternehmensübernahmen aufweisen. Diese Aussage ist intuitiv, da mehr freie Mittel zu einer erhöhten Finanzierungskapazität für M&A führen. Bechert und Schwarz finden allerdings auch heraus, dass Akquisitionen durch Unternehmen mit Excess Cash im Durchschnitt den Unternehmenswert verringern. Die Wertvernichtung beläuft sich auf 1 Cent pro US-Dollar Excess Cash.

Die Autoren können keine gleichzeitige abnormale Verringerung der operativen Performance in den Jahren nach der Transaktion feststellen, die den Wertverlust erklären könnte. Sie vermuten vielmehr, dass Unternehmen, die mehr Cash haben als sie eigentlich bräuchten, in M&A-Transaktionen zu viel für ihre Targets bezahlen.

Es ist denkbar, dass gewisse Manager von Hybris, das heißt Selbstüberschätzung, betroffen sind. Hybris würde bedeuten, dass überschüssige Geldmittel den Entscheidungsträgern ein übermäßiges Selbstvertrauen verleihen und diese daher unbewusst mehr für die Übernahmetargets zahlen.

Was kann dagegen getan werden? Die Heilung von psychologischer Befangenheit gestaltet sich schwierig, da diese häufig unterbewusst entsteht und noch vergleichsweise wenig erforscht ist. Es gibt unter anderem den Ansatz, ein aktives Bewusstsein für die Problematik bei Entscheidungsträgern zu schaffen. Diese Form der Selbstkontrolle scheint jedoch häufig nur für eine kurze Dauer zu funktionieren.

Stattdessen ist ein objektives Gerüst nötig, an dem sich Manager orientieren können, ohne Gefahr zu laufen, unterbewusst falsche Entscheidungen zu treffen. Zum einen können dies strengere, interne Richtlinien mit einzuhaltenden Performanceindikatoren sein. Zum anderen kann es für Entscheidungsträger bei Investmententscheidungen auch ratsam sein, auf externe, objektive Beratungskompetenz zurückzugreifen.

Auf der einen Seite bleibt daher abschließend zu sagen, dass kaufwillige Unternehmen überschüssige Mittel nicht nur als „nice-to-have“ und finanziellen Puffer ansehen sollten. Stattdessen sollten sie sich auch der Gefahren bewusst sein, die ein prall gefülltes Bankkonto bei M&A-Entscheidungen mit sich bringt.

Auf der anderen Seite können verkaufswillige Unternehmen und Eigentümer von den angesprochenen Effekten profitieren. Das heute noch günstige Zeitfenster mit hoher, sei es rationaler oder irrationaler, Kaufbereitschaft zahlreicher Käuferunternehmen kann genutzt werden, um bestmögliche Verkaufspreise zu erzielen.

Autor
Christoph Studinka

 Managing Partner bei Proventis Partners AG

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