M&A REVIEW: Frau Dr. Dao, spätestens seit der digiweek M&A 2021 kennt die Community nun Ihre Lösung. Es hat sich gezeigt, dass Ihr Produkt enorme Entwicklungsschritte gemacht hat. Bevor wir aber darauf näher eingehen, erklären Sie unseren LeserInnen bitte kurz, was MADiscover ist und wie Sie arbeiten.
Dr. Mai Anh Dao: MADiscover ist eine digitale Screening-Lösung, mit der M&A-Teams in einem interaktiven Dashboard Shortlists zusammenstellen können. Wir bringen Transparenz, Systematik und Geschwindigkeit in den Suchprozess, indem wir unseren KundInnen Erkenntnisse so aufbereiten, dass sie ihr Sichtfeld erweitern und Szenarien entwickeln, bevor sie auf passende Zielunternehmen zugehen.
Bei Käuferunternehmen gibt es drei dominante Muster bei der Suche nach M&A-Targets – das opportunistische Screening, die externe Vergabe an Beratungshäuser und das Suchen im Netzwerk, Datenbanken et cetera. Typischerweise entsteht dabei ein zu enges oder zu teures oder zu unscharfes Bild. Das Zusammensetzen dieses Puzzles ist immer mit Intransparenz, blinden Flecken oder Informationslücken behaftet, sodass eigentlich nie ein umfassendes oder scharfes Bild entsteht. Genau an dieser Stelle setzen wir mit unserer Lösung an.
Das sind große Ansagen, wie sieht das denn in der Realität aus? Wie muss man sich das vorstellen?
Wir beginnen normalerweise damit, ein großes Schleppnetz auszuwerfen und Hunderte beziehungsweise ein paar Tausend Unternehmen für einen Suchauftrag zu screenen. Parallel dazu entwickeln wir mit dem M&A-Team käuferspezifische Kriterien, nach denen wir zunächst die Eignung der Targets und dann die Evaluierung dieser vornehmen. Die Shortlist mit den Ergebnissen stellen wir dann in einem Dashboard so für Käuferunternehmen zusammen, dass sie mit der zumeist erweiterten Shortlist, das heißt 25–70 Targets pro Suchauftrag, dynamische Rankings und individualisierte Magic Quadrants erstellen und ganz unterschiedliche Perspektiven integrieren können.
Sie behaupten, Sie seien schneller – das klingt doch alles recht komplex. Wie lange dauert denn ein solches Screening bei MADiscover?
Dieser Prozess vom Kickoff bis zum Dashboard kann im schnellsten Fall in drei bis vier Wochen abgewickelt
werden – vorausgesetzt, die KundIn hat eine sehr konkrete Vorstellung von den Suchkriterien.
Manche unserer KundInnen nutzen unseren Suchprozess und die Lösung aber auch, um interne Diskussionen anzustoßen beziehungsweise konkreter ihre Akquisitionsstrategie zu reflektieren, als es ihnen sonst möglich ist. Da wir sehr genau wissen wollen, woran das M&A-Team festmacht, dass eine bestimmte Technologie, Kompetenz oder Positionierung zum Käuferunternehmen passt, entstehen beim Auftraggeber interessante Diskussionen, die die verschiedenen Perspektiven der einzelnen Beteiligten erst an die Oberfläche bringen. Dies verlängert den Prozess zwar entlang der Zeitachse, bringt aber mehr Knowhow zusammen.
Der Techniker hat eine ganz andere Sicht auf die notwendigen Kriterien als der Sales-Manager, der Produktmanager oder die Stabstelle des Vorstands, die den M&A-Prozess begleiten wird. Dieses Spannungsfeld ist nicht neu – neu ist, dass wir nun die Möglichkeit haben, alle Perspektiven in ein Dashboard zu integrieren, damit die Beteiligten nicht nur ihre Wunschkandidaten mit einseitigen oder nicht vergleichbaren Argumenten auf die Shortlist pushen, sondern alle gleichermaßen screenen und übereinanderlegen können.
Wenn ich das richtig verstehe, werden diese Daten in Echtzeit gesammelt und analysiert. Wie viel Data Analytics, Human Intelligence und Artificial Intelligence ist in dieser Methode enthalten?
Wir sind der Überzeugung, dass sich strategische Eigenschaften eines Unternehmens in Narrativen und nicht so sehr in KPIs manifestieren. Daher verwenden wir die typischen Daten eher, um Grenzen festzulegen – zum Beispiel die Mindestgröße von Umsatz oder MiterarbeiterInnen. Wie ein Unternehmen sich präsentiert – beispielsweise auf der Webseite, – verrät sehr viel darüber wie kundenorientiert, innovativ oder effizient es wahrgenommen werden möchte. Diese Textdaten ziehen wir heran bei unseren Analysen und vergleichen die gescreenten Targets miteinander.
Die künstliche Intelligenz hilft uns dabei, große Datenmengen zu systematisieren, Muster zu erkennen, die ein menschliches Gehirn nicht in der Lage ist zu verarbeiten. Und natürlich lernt diese auch von Projekt zu Projekt Muster besser zu erkennen. Dabei steht allerdings nach wie vor die menschliche Intelligenz im Vordergrund. Wir als MADiscover Team sind dabei gefragt, möglichst zielgerichtet und zeitsparend für unseren Kunden zu verstehen, was die zugrunde liegenden Rationalen des Akquisitionsvorhabens sind, damit wir unseren Algorithmus „trainieren“ können. Und dann steckt natürlich ganz viel Erfahrung und strategische Intelligenz kundenseitig drin.
Also mehr Hirn und Intelligenz beim Screening?
Ja, genau. Leider sind unsere menschlichen Gehirne dafür nur bedingt geeignet. Erfahrene M&A-Experten können zwar recht gut einschätzen, wie gut die Erfolgsaussichten sein werden. Sich diese Mustererkennung anzueignen, dauert aber sehr lange, und wenn wir es dann anwenden wollen, stellen wir fest, dass wir ziemlich schnell ermüden. Eine gut parametrisierte
Maschine kann das aber übernehmen und den Praktikantenkeller, wo unerfahrene Junior Consultants hunderte Firmenwebsites analysieren müssen, obsolet machen.
Welche Grenzen sind dieser Methode gesetzt? Oder anders formuliert, welchen potenziellen Kunden würden Sie vom Einsatz der MADiscover-Lösung eher abraten?
MADiscover ist für alle gut (lacht)! Es gibt tatsächlich manche M&A-Strategien, die mit traditionellen Methoden gut funktionieren. Das sind vornehmlich solche, die nicht auf strategische Synergien abzielen, sondern Holdings bauen und auf rein finanzielle Synergien setzen. Große Private-Equity-Fonds gehen oft so vor. Wenn Akquisitionen auf eine Strategie einzahlen sollen, sind Evaluierungen, wie wir sie vornehmen, unverzichtbar.
Welche Produktentwicklungen hat es in den letzten Monaten gegeben?
Wir haben am Anfang geglaubt, dass auch unsere KundInnen sehr viel Spaß dabei haben, in großen Datenmengen zu wühlen und in unserer Lösung immer wieder von der Frosch- in die Adlerperspektive zu wechseln. Dafür ist aber keine Zeit im M&A-Alltag. Letztlich haben wir festgestellt, dass der größte Nutzen in der Fokussierung auf die Kernelemente liegt – jeder aus dem M&A-Team soll mit dem Dashboard arbeiten können ohne vorher Tutorials ansehen zu müssen oder Schulungen zu erhalten. Diese Kundenbedürfnisse bilden wir nun in unserem interaktiven Dashboard ab, was für uns einen enormen Entwicklungsschritt bedeutete.
Das heißt, jeder im M&A-Team Ihrer Kunden kann mit dem Dashboard intuitiv arbeiten und eigene Top-Unternehmen filtern, sprich die individuelle Shortlist zusammenstellen?
Richtig. Daher sind wir ganz weggegangen von einer Lösung, bei der sich die User einloggen und erstmal die Navigationsfläche verstehen müssen, bevor sie überhaupt arbeiten können. Und dann folgt in den meisten Anwendungen – denken Sie dabei nur an die gängigen Datenbanken oder Marktanalyse- Plattformen – erst die eigentliche Arbeit. Statt PDFs zu übermitteln, bereiten wir also die Ergebnisse in einem einfach bedienbaren Dashboard auf. Unsere KundInnen können die Daten exportieren – manche kommen doch nicht weg von Excel –, aber auch weitere Daten integrieren und alle Auswertungsdiagramme für Managementpräsentationen verwenden.
Werden Datenbanken ihre Relevanz somit verlieren, nachdem wir sie so mühsam und lange aufgebaut haben?
Als Tools für den Finanzinvestor sind Datenbanken wunderbar, auch um einmal eine Longlist einzugrenzen. Für strategisches Screening ist die Finanzinvestorenbrille allerdings gefährlich unscharf. In dieser Perspektive wird mit einer klaren Erwartung des Returns investiert. Strategisches Screening ist quasi das Gegenteil – da werden Synergien gemeinsam geschaffen, die sich meist nicht auf vergangenheitsorientierte Zahlen reduzieren lassen. Das vermissen wir in der M&A Welt, und daher waren reine Datenbanken leider nicht die Antwort auf die uralte Frage „Wer passt zu uns?“.
Viele Anbieter für Screening vergleichen ihre Arbeit gerne mit Partner- und Heiratsvermittlung. Machen Sie das auch?
Ein bisschen, ja. Wobei der passendere Vergleich eher strategisches Recruiting ist. Wenn Organisationen Schlüsselkräfte suchen, lag früher viel Augenmerk auf Skills und Ausbildung. Dann begannen Unternehmen, mehr auf Erfahrung und Performance zu setzen. Heutzutage versuchen aber fast alle, Potenzial und Fitness zu beurteilen. Das war im M&A-Screening bisher nur mit massivem Kosten- und Ressourceneinsatz möglich. Wir waren ja selbst auch überrascht, dass es
so gut automatisierbar und so breit einsetzbar ist. Und wir freuen uns über alle KundInnen und PartnerInnen, die sich auch gerne überraschen lassen.
Das klingt doch sehr vielversprechend! Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Dao, und wir bleiben gespannt, wie sich MADiscover weiterentwickelt.