26.05.2018 | Dr. Lutz Becker

Mittelständische Unternehmen gehören nicht in eine Stiftung!

Allgemein, Standpunkt

Im Zeitverlauf entstehen in Deutschland kontinuierlich Bedarfssituationen für Unternehmer-Nachfolgeregelungen im Mittelstand. Eine in der Literatur und in sonstigen Informationsquellen erwähnte Handlungsoption zur Nachfolgeregelung ist die Übertragung der Eigentumsrechte des Unternehmens an eine Stiftung. Teilweise wird diese Variante als besonders ideal oder geeignet angepriesen.

Meiner Erfahrung zufolge bieten Stiftungsstrukturen jedoch keineswegs einen geeigneten Hafen für ein bisher inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen in Deutschland.

Grundsätzlich mag es sich für ältere Unternehmer gut und richtig anfühlen, das Lebenswerk durch die Einbringung in eine Stiftung vermeintlich „auf ewig“ unabhängig zu halten und damit die Belegschaft zu schützen. Auch kommt es dem in Deutschland erfreulicherweise verbreiteten Mäzenatentum entgegen, über eine (gemeinnützige) Stiftung langfristig etwas an die Gesellschaft zurückzugeben beziehungsweise Sinn volles zu fördern.

Doch das deutsche Stiftungsrecht ist überaus komplex und fordert für Stiftungen exzessive Regelungen und Kontrollstrukturen. Die für den jeweiligen Einzelfall geeigneten Regularien und Beiratsstrukturen kosten erheblichen Aufwand – sowohl bei der erstmaligen Entwicklung als auch teilweise im laufenden Betrieb. In Kombination mit der deutschen Stiftungsaufsicht lähmen beziehungsweise behindern sie ein mittelständisches Unternehmen maßgeblich in seinem Handlungsspielraum.

Weil sich die Wirtschaft in allen Bereichen immer dynamischer verändert, sind Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Ein inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen kann diesen Anforderungen erfolgreich gerecht werden. Ein solches Unternehmen allerdings in eine tradiert anmutende, wenig dynamische, vergleichsweise schwerfällige Stiftungsstruktur zu überführen, erstickt hingegen den unternehmerischen Spirit und gefährdet damit mittel- und langfristig die Unternehmensexistenz.

Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken. Oder, etwas freundlicher formuliert: Die Unternehmensleitung prägt langfristig die Stimmung und den Spirit in einem Unternehmen. Die Unternehmer- beziehungsweise Inhaberführung und die Führung durch eine schwerfällige, mehrstöckige Stiftungsstruktur sind jedoch in Sachen Impulsgebung für ein Unternehmen Antipoden.

Etwas anders fällt diese Beurteilung für Großunternehmen aus. Ab etwa zehnstelligen Jahresumsätzen sind üblicherweise ohnehin breite und mehrstöckige Leitungs-, Aufsichts und Eigentümergremien und -strukturen vorhanden, sodass der ultimative Eigentümer der Gesamtorganisation auch durchaus erfolgreich eine Stiftung sein kann – was Beispiele wie Otto, Schott oder Carl Zeiss belegen.

Dem mittelständischen Unternehmer mit Nachfolgeregelungsbedarf, der an eine Stiftungslösung denkt, ist meines Erachtens zu empfehlen, das Unternehmen in geeignete neue Eigentümerhände zu übergeben, es also zu verkaufen und gegebenenfalls lieber den Verkaufserlös in eine gemeinnützige Stiftung einzubringen. Das Unternehmen bleibt damit ein flexibler und anpassungsfähiger Teil der sich verändernden Volkswirtschaft. Geld beziehungsweise Kapitalanlagen lassen sich leichter durch Stiftungsstrukturen managen, und aus den Vermögenserträgen kann dann ebenso sinnvolle Förderung finanziert werden.

Dr. Lutz Becker
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Dr. Lutz Becker

Dr. Lutz Becker ist seit 1991 in der M&A-Beratung bei Oaklins Angermann AG tätig und heute Vorstand und Partner. Der Branchenfokus von Dr. Becker liegt in den Sektoren Consumer-Retail (insb. Bekleidung), Business Service und Real Estate. Besondere Erfolge und Referenzen erreichte Herr Dr. Becker bei Mandaten im Bereich Inhaber-Nachfolgeregelungen.

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