23.10.2019 | Prof. Dr. Christoph Schalast

NPL – Reloaded 2020?

Allgemein, Standpunkt

Es gibt ein Thema, das alle NPL- Interessierten umtreibt: Gibt es eine Chance, dass die „guten alten“ Zeiten, die 2000er Jahre, zurückkehren, als große Portfolien wie Supernova, zahlreiche Baskets und auch Single Names mit einem Milliardenvolumen veräußert wurden? Die Schätzungen zum damaligen Marktvolumen gingen von 120 bis 300 Mrd. EUR, aber der NPL-Markt ist – aus nachvollziehbaren Gründen – ein verschwiegener Markt. Sicher ist, dass jährlich Transaktionen mit einem Volumen von plus/minus 20 Mrd. EUR vollzogen wurden. Gibt es also einen Game Changer, der den NPL-Markt wiederbelebt?

Eines ist sicher, die neuen europäischen Regeln haben die NPL-Be stände der Banken (auch in Deutschland) ins Visier genommen. EBA und EZB werden dieses Thema weiterverfolgen, wobei natürlich die Situation in südeuropäischen Ländern im Fokus steht. Ein weiterer Hintergrund ist die Bankenunion. Hier fehlt bis heute eine Einigung zur europäischen Einlagensicherung. Und das vielleicht zentrale Hindernis dazu sind die NPL-Bestände in den Büchern der südeuropäischen Länder.

Spannend ist weiter, dass die EU den NPL-Markt im Hinblick auf die Aktivitäten von Investoren und Servicern durch eine Richtlinie zur Schaffung von gleichen Rahmenbedingungen vereinheitlichen will. Hinzu kommen die Aktivitäten in diesem Jahr zur Schaffung von NPL-Plattformen. Natürlich gibt es diese schon, nur ist die Frage, ob diese Initiative für mehr Marktliquidität vor allem in Südeuropa notwendig ist.

Was aber könnte der Game Changer sein? Es gibt äußere Rahmenbedingungen, die im Augenblick eine Rolle spielen. Häufig wird auf die Konjunktur verwiesen. Das Jahr 2019 wird – zumindest formal – als Rezessionsjahr in die Geschichte eingehen. Über zwei Quartale ist das BIP geschrumpft; gleichwohl wird 2019 ein Wachstum von 0,5 % aufweisen. Auch wenn die Schätzungen für 2020 Mitte Oktober gesenkt wurden, so geht die Bundesregierung von einem Wachstum von 1,1% aus. Ein echter Einbruch ist das nicht.

Dazu kommen laufende politische Verwerfungen, wie die „never ending Brexit Story“. Weiter drohen Handels kriege zwischen USA/China/EU, die Abschottung von Märkten sowie ganz aktuell ein Türkeiembargo. Alles Themen, die zu einer Zunahme von NPL führen können.

Ein weiterer Faktor ist die Niedrigzinspolitik der EZB und ihre Anleihekäufe. OMT war eine Ankündigung, QE wurde mit einem Volumen von über 2 Bio. EUR umgesetzt, und jetzt läuft das nächste Anleihekaufprogramm mit circa 20 Mrd. EUR monatlich an, das Abschiedsgeschenk von Mario Draghi. Aber dies ist nicht ohne Risiko. Bisher hat das Bundesverfassungsgericht stets skeptisch auf solche Kaufankündigungen reagiert und nun – erstmals in dem über 50 Jahre währenden Dialog mit dem Europäischen Gerichtshof – die Frage der Zulässigkeit der Programme in Luxemburg vorgelegt. Derzeit ist die Klage gegen das neue Programm anhängig; zum QE-Programm steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch aus.

Hinzu kommt eine Beobachtung, die zunächst eher „gefühlt“ erscheint, sich aber doch im Markt widerspiegelt: Die Niedrigzinspolitik der EZB soll die Banken zu mehr Kredit vergaben motivieren, um die Konjunktur zu stimulieren. Doch das Gegenteil scheint der Fall: zunehmende Zurückhaltung bei der Neukreditvergabe, besonders an Corporates. Doch darauf gibt es Antworten. Private-Debt-Fonds stehen für Unter nehmen bereit, und zahlreiche FinTechs bieten Lösungen für unbesicherte Unternehmenskredite, Real Estate oder auch Consumer an. Beispiele sind Creditshelf, Bergfürst oder Lendico. Auf der anderen Seite steigen die Risiken solcher Investments, insbesondere wenn dahinter ein Crowdfunding steht. Selbst für Verbriefungen stehen FinTechs wie Acatus bereit. All dies zeigt: RegTech, InsurTech, LegalTech, FinTech wird zu mehr Liquidität und zu mehr Alternativen im Markt führen.

Der eigentliche Game Changer wird die Digitalisierung selbst sein. Denn sie wird Unternehmen in ihrem Businessmodell treffen, aber dies ist kein NPL-Thema, sondern letztendlich eine Restrukturierungsproblematik.

Ist das Glas nun halb leer oder halb voll? Seit 2015 erhebt die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing gemeinsam mit der Frankfurt School das sogenannte NPL-Barometer. In der aktuellen Fassung (Juli 2019) ist festzustellen, dass sich die Stimmung der Investoren auf den besten Wert seit Beginn der Erhebung verbessert hat. Dieser beträgt allerdings immer noch minus 0,01 auf einer Skala von plus 1 bis minus 1. Für die Käuferseite sind nach wie vor eher steigende Kaufpreise und gesunkene NPL-Bestände dominant, aber die Tendenz ändert sich. Licht ist am Ende des Tunnels sichtbar.

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Autor
Prof. Dr. Christoph Schalast

Prof. Dr. Christoph Schalast, Rechtsanwalt und Notar, ist Managing Partner von Schalast LAW | TAX, akademischer Direktor des M&A Master-Studiengangs (LL.M.) der Frankfurt School of Finance & Management sowie Herausgeber der M&A Review.

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