08.02.2023 | Prof. Dr. Christoph Schalast

Porsche, Twitter und Brenntag: Lessons Learned für 2023?

Allgemein, optional, Standpunkt

Seit ich M&A-Transaktionen begleite, und das sind jetzt 33 Jahre, habe ich noch nie eine Zeit wie diese erlebt. Im Frühjahr 2020 beförderte eine Pandemie innerhalb weniger Tage große Teile der Wirtschaft und des Lebens weltweit in einen Standby-Modus, im industriellen Zeitalter ist dies so noch nie geschehen. Umso überraschender, dass gerade der M&A-Markt sich davon – trotz gestörter Lieferketten, schwieriger Due-Diligence-Prozesse und vieler anderer Einschränkungen nicht nur schnell erholen konnte, sondern dann sogar – während der Pandemie und eines weiteren Lockdowns im Dezember 2021 – den seit 14 Jahren bestehenden Rekord für Unternehmensübernahmen aus dem Mai 2007 geknackt hat. Doch jetzt ist spürbar erneut alles anders. Und das überrascht, denn seit 1945 hat noch kein Krieg das Wirtschaftsleben so beeinträchtigt wie der russische Angriff auf die Ukraine. Viele – wie auch ich –, die im Anfang 2022 einen Ausblick auf das kommende M&A-Jahr gewagt haben, wurden eines Besseren belehrt. Sicherlich kann man streiten, ob der Beginn des Krieges vorhersehbar war, seine Auswirkungen auf Unternehmensübernahmen waren sicher nicht vorhersehbar. Umso wichtiger ist es, sich gerade jetzt zwei geglückte spektakuläre Transaktionen des letzten Jahres etwas genauer anzuschauen und eine Weitere, die gerade abgesagt wurde. Was sind die „Lessons Learned“?

Für M&A-Enthusiasten war ganz sicher die Twitter-Transaktion, die Übernahme des Nachrichtendiensts durch Elon Musk, die spektakulärste Transaktion des Jahres. Dies gilt sowohl für das Volumen, aber noch mehr für die Dramatik. Über die Motive Musks, sein Anschleichen an Twitter ab Januar zu starten, kann man nur spekulieren. Sicher ist aber, dass der Deal für ihn Sinn ergibt, denn er hat sein Übernahmeangebot zu einem Zeitpunkt abgegeben, als die Verwerfungen aufgrund des Ukraine-Kriegs bereits sichtbar waren. Noch dramatischer war dann der Fortgang. Musk versucht, sich über eine vertragliche Rücktrittsklausel von der Transaktion zu lösen. Kohorten von Rechtsanwälten werden eingeschaltet und ein Show-down in Delaware zeichnet sich bereits ab – bis Musk dann doch „klein beigibt“ und zum ursprünglichen Preis abschließt. Nicht einmal einen Nach-lass hat er durchgesetzt. Doch in einer gewissen Form ist die Twitter-Transaktion auch ein Omen für vergleichbare Online-Geschäftsmodelle des Silicon Valley. Ihre Aussichten für 2023 sind unklar, und die Wertverluste von Amazon und Co. sowie die angekündigten Massenentlassungen senden ein klares Signal.

Aus deutscher Sicht die sicherlich spektakulärste Transaktion 2022 war der Porsche-Börsengang. Nicht zuletzt, weil die Marke weltweit eine Ikone ist. Trotzdem war es mutig, einen Milliarden-Deal mitten in einer weltweiten Krise und einem ansonsten mehr oder weniger toten IPO-Jahr zu wagen – umso mehr, weil 2021 so erfolgreich war mit Börsengängen, die von innovativen Unicorns über SPACs oder Private-Equity-Portfolio-unternehmen bis zu Old Economy reichten. Porsches IPO hat beeindruckt und funktioniert, aber dabei waren viele Besonderheiten ausschlaggebend. Im Kern ging es um eine Umstrukturierung der Eigentumsverhältnisse. Zudem war es gelungen, mit Katar und Norwegen zwei wichtige staatliche Investoren ins Boot zu holen. Doch eines bleibt: Marken mit Strahlkraft können reüssieren, und – ein Vorteil für Deutschland – solche Marken gibt es hier öfter als in vielen anderen Ländern.

Die dritte Transaktion, die es anzusehen lohnt, ist die gescheiterte Übernahme von Univar durch Brenn-tag. Diese Unternehmen sind die derzeit – in einem wenig konsolidierten Markt – größten Chemikalienhändler. Brenntag ist das Ergebnis einer beeindruckenden, von Finanzinvestoren getriebenen Buy-und-Build-Strategie und dem anschließenden Börsengang. Jetzt wollte man den bisher erfolgreichen Weg der Small- und Midcap-Transaktionen verlassen und einen großen Deal wagen. Beide Unter-nehmen zusammen wären allerdings auch nur auf 8% Marktanteil gekommen. Auf den ersten Blick eine Transaktion, die Sinn macht. Warum sie letztendlich an aktivistischen Investoren gescheitert ist, darüber kann man derzeit nur spekulieren. Eines aber ist ein Take-away: Mega-Deals werden wir dieses Jahr seltener sehen.

Was nehmen wir also aus dem Jahr 2022 mit und was heißt das für 2023? Das Wort „Zeitenwende“ hat Konjunktur – auch für Unternehmensübernahmen war es eine solche. Geld ist nicht mehr billig, es wird laufend teurer. Eine Rezession droht, Private Equity ist nicht mehr als letztes Resort für institutionelle Anleger besonders attraktiv und die Globalisierung hinterfragt sich selbst. Insgesamt eine schwierige Mischung. Es spricht viel dafür, dass der weltweite M&A-Rückgang seit dem zweiten Halbjahr 2022 sich auch 2023 – abgeschwächt – zunächst fortsetzt. Aber eines ist sicher, wenn dies jetzt das Ende der 7. M&A Welle war: Die 8. kommt bestimmt.

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Autor
Prof. Dr. Christoph Schalast

Prof. Dr. Christoph Schalast, Rechtsanwalt und Notar, ist Managing Partner von Schalast LAW | TAX, akademischer Direktor des M&A Master-Studiengangs (LL.M.) der Frankfurt School of Finance & Management sowie Herausgeber der M&A Review.

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