Ein differenziertes Bild ergibt sich auch aus der Betrachtung einzelner Branchen. So sind die Entwicklungen beispielsweise im IT- und Software-Bereich, bei Pharma und Healthcare sowie, getrieben vom Fachkräftemangel, auch Dienstleistungen tendenziell unabhängig von den derzeitigen aktuellen politischen und wirtschaftlichen Krisen. In Branchen wie Automotive, Energie, Verteidigung oder Retail schlägt zum einen die makroökonomische Lage durch, zum anderen sind die Branchen aber auch getrieben von einem starken Veränderungsbedarf, etwa durch ESG, Digitalisierung, der Sicherung der Supply Chain oder, bezogen auf die Verteidigungsindustrie, dem 100-Mrd.-EUR-Programm der Bundesregierung für die Bundeswehr.
Für Branchen wie Finance, Versicherungen, Medien, Immobilien sowie Luft- und Raumfahrt ergibt sich kein klares Bild, da die Entwicklungen eher von der Situation einzelner Unternehmen statt von Branchentrends bestimmt sind. Entsprechend sehen wir hier ein eher ambivalentes M&A-Umfeld. Für Start-ups schließlich erwarten wir eine Zeit der Konsolidierung. Investoren werden zurückhaltender agieren. Davon besonders betroffen sein werden vor allem Late-State-Start-ups mit nach wie vor hohem Finanzierungsbedarf. Zu erwarten sind daher Übernahmen von Wettbewerbern nach dem „The-winner-takes-it-all“-Prinzip.
Zuletzt sehen wir eine weitere Professionalisierung und Standardisierung der M&A-Branche nach dem Motto „digitaler, automatisierter und effizienter“. Support Services für Versicherungsthemen, Due Diligence und das Data-Management helfen der Branche, sich stärker auf Value Creation zu fokussieren. Digitale Tools entlasten die rar gesäten M&A-Experten dabei von der aufwändigen Pflege langer Excel-Listen oder dem Management von Data Rooms. Ihnen bleibt so mehr Zeit, sich stärker wertschöpfenden Beratungstätigkeiten zu widmen.
5. Fazit
Eine Vorhersage für 2023 ist angesichts der vielfach ineinander verschränkten Krisen schwierig. Es gibt sowohl Argumente für ein höheres als auch für ein niedrigeres Dealaufkommen. Die Entscheidung darüber, in welche Richtung sich der M&A-Markt 2023 bewegt, wird vor allem vom Abbau der Unsicherheiten abhängen. Werden und können sich die Unternehmen an das New Normal mit Inflation, hohen Zinsen und Energiepreisen gewöhnen und darauf einstellen? Kommt es zu einer raschen Überwindung der möglichen Rezession und Verbesserung der volkswirtschaftlichen Situation und damit zu einer wieder besseren Planbarkeit der Entwicklungen und entsprechender M&A-Prozesse? Möglich, dass wir solche Entwicklungen im 2. Halbjahr 2023 sehen. Möglich aber auch, dass das erst 2024 der Fall sein wird.
Ungeachtet des Blicks auf die aktuellen Marktgegebenheiten und die Prognosen für 2023 können Unternehmen aber auch viel tun, um selbst wieder zu mehr Planbarkeit zu zurückzufinden. Der Schlüssel dafür ist Value Creation. Denn eine optimierte Wertschöpfung ist ein starker Anker, der auch im Sturm Halt bietet. Die Voraussetzung für Value Creation ist ein genaues Verständnis des Unternehmens, seiner Potenziale sowie möglicher M&A-Szenarien und dazugehöriger realistischer Bewertungen. Gerade in der Krise gilt es daher, noch genauer zu überprüfen, wie sich die Wertschöpfung verbessern lässt.