28.05.2016 | Dr. Wilhelm Schmundt

Wenn Reden Gold ist: Der richtige Umgang mit aktivistischen Investoren

optional, unkategorisiert, Strategien & Visionen

1. Einleitung

Seit der Jahrtausendwende wächst die Zahl der Engagements aktivistischer Investoren pro Jahr weltweit um 34%. In Deutschland hat es bereits DAX-Konzerne wie MunichRe und ThyssenKrupp getroffen. Jedes börsennotierte Unternehmen ist daher gut beraten, sich mit dieser Investorengruppe intensiv zu befassen – und zwar bevor es selbst ins Visier gerät. Dieser Artikel erläutert, welche Ziele Aktivisten verfolgen und welche Maßnahmen Firmen im Vorfeld ergreifen können, um das Risiko eines Engagements zu verringern.

 

2. Aktivistische Investoren machen mobil – und das weltweit

Nach einem ersten Höhenflug in den 1980er-Jahren erleben aktivistische Hedgefonds seit der Jahrtausendwende eine Renaissance. Laut Analysen des Autors stieg die Zahl der Kampagnen seitdem jährlich um 34% und beläuft sich mittlerweile auf 500 pro Jahr. Pro Werktag sehen sich demzufolge zwei Unternehmen einem Angriff ausgesetzt. Die entsprechenden Mittel erhalten die Angreifer vor allem von institutionellen Investoren. Inzwischen verwalten Aktivisten knapp 8% des weltweit in Hedgefonds angelegten Kapitals. Das sind mehr als 100 Mrd. USD.

Ihre wachsende Finanzkraft erlaubt es aktivistischen Hedgefonds, sich bei immer größeren und profitablen Unternehmen zu engagieren. Noch liegt ihr Schwerpunkt in den USA. Rund die Hälfte aller Kampagnen findet zwischen New York und San Francisco statt. Doch zunehmend geraten auch Europas Konzerne ins Visier, aktuell beispielsweise der Schweizer Industriekonzern ABB. Die meisten Engagements auf dem alten Kontinent gibt es bislang in Großbritannien, doch das Festland holt auf. In Deutschland summiert sich die Zahl der bisherigen Kampagnen auf rund 20 – Tendenz steigend. Unternehmen in einer Umbruchsituation, so wie Bilfinger oder ThyssenKrupp, mussten sich ebenso bereits mit der Thematik auseinandersetzen wie Konzerne auf Wachstumskurs. Bestes Beispiel: die Deutsche Börse. Ein früherer Versuch, die London Stock Exchange (LSE) zu übernehmen, scheiterte nach der Jahrtausendwende am Widerstand aktivistischer Investoren. Selbst Apple, das höchstkapitalisierte Unternehmen der Welt, musste erfahren, dass auch Größe nicht vor Shareholder-Aktivisten schützt. Entgegen der eigenen Überzeugung billigte das Management ein umfassendes Aktienrückkaufprogramm. Zuvor hatten die Aktivisten die hohen Liquiditätsreserven der Silicon-Valley-Ikone öffentlichkeitswirksam angeprangert.

 

3. Vorurteile gegenüber aktivistischen Investoren

Das Beispiel Apple widerlegt eindrucksvoll die immer noch herrschende Meinung, dass sich aktivistische Investoren vor allem für angeschlagene Firmen interessieren. Und auch ein zweites Vorurteil hält dem Praxistest nicht stand: Die Hedgefonds agieren keinesfalls immer feindlich. Vielmehr sind 60% der Kampagnen als freundlich einzustufen. Mit ihren Forderungen nach Aktienrückkäufen, höheren Dividenden und einer stärkeren Leistungsorientierung der Vorstandsvergütung stehen sie zudem nicht allein da. Gerade solch populäre Forderungen finden bei institutionellen wie privaten Anlegern Anklang.

Die Verbindung zwischen Fondsmanagern und ihren Hedgefonds-Kollegen stärkt ein zweiter Faktor: Das Engagement von Aktivisten steigert die Aktienrendite. Im Durchschnitt liegt diese entscheidende Kennzahl bei einer Kampagne im ersten Jahr 1,5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Branchendurchschnitt. Und auch über mehrere Jahre hinweg können sich Kapitalanleger über höhere Renditen freuen. Um die Ursachen für diesen Vorsprung zu verstehen, gilt es sich intensiv mit dem Vorgehen aktivistischer Hedgefonds zu beschäftigen.

 

4. Welche Strategien und Ziele verfolgen aktivistische Investoren?

Die Zeiten der klassischen „Corporate Raider“, denen Oliver Stone mit dem Film Wall Street ein Denkmal setzte, sind vorbei. Inzwischen hat sich am Markt eine ganze Reihe von Akteuren etabliert, die unterschiedlich verfahren und verschiedenstartige Ziele verfolgen. Nach unseren Analysen lassen sich dabei sieben Schwerpunkte identifizieren (s. Abb. 1). Nur eine Minderheit der Fonds verlässt sich noch auf eine vage, öffentlich vorgetragene Attacke auf ein vermeintlich unterbewertetes Unternehmen. Auch wenn dieses Vorgehen für den einzelnen Fonds lukrativ sein kann, ergibt sich daraus in der Regel kein Vorteil für das attackierte Unternehmen und dessen Eigentümer.

 

Abb. 1 • Angriffsschwerpunkte aktivistischer Investoren

Quelle: Eigene Darstellung

Die Mehrzahl der aktivistischen Investoren verfolgt indes ausgefeilte Investmentstrategien. Auch diese führen zweifelsohne zu Unruhe und verursachen zum Teil erhebliche Kosten. Zudem können sie auf eine eher kurzfristige Erhöhung der Profitabilität abzielen und damit langfristig angelegte Unternehmensstrategien konterkarieren. Doch in vielen Fällen decken die Aktivisten auch Schwachstellen im Unternehmen auf und zeigen Wertsteigerungsmöglichkeiten auf.

Diese Investmentansätze beruhen oft auf monatelanger Vorarbeit. Die Fondsmanager bereiten in dieser Phase das Zahlenwerk auf, analysieren die Equity Story und sprechen mit Marktteilnehmern. Systematisch klopfen sie ein mögliches Zielunternehmen auf Schwachstellen ab und hinterfragen Managemententscheidungen. Auf dieser Basis entstehen eine eigenständige Agenda sowie ein umfassender Forderungskatalog. Als beispielsweise Starboard Value einen Angriff auf die börsennotierte Darden Restaurants mit ihren mehr als 1.500 Gaststätten insbesondere in den USA startete, lag dieser Kampagne ein nahezu 300 Seiten umfassender Plan zugrunde. Er beinhaltete unter anderem das Spin-off einzelner Vermögensteile, Franchisesysteme sowie den Verkauf von Standorten.

In der Regel beinhalten die Investmentansätze von Aktivisten Veränderungen der Corporate Governance. In drei von vier Fällen ist der Austausch hochrangiger Führungskräfte Teil des Forderungskatalogs. Eng damit verbunden ist die Diskussion über die angemessene Vorstandsvergütung. Auch eine stärkere Beteiligung der Aktionäre am Unternehmenserfolg über Sonderdividenden oder Aktienrückkäufe spielt häufig eine zentrale Rolle.

Doch damit begnügen sich viele Shareholder-Aktivisten nicht. Sie fordern darüber hinaus strategische Kurswechsel, das Heben von Effizienzpotenzialen oder die Trennung von Unternehmensteilen. Im Extremfall kann ihre strategische Herangehensweise auch die Forderung nach einer Zerschlagung beinhalten. Das gilt insbesondere dann, wenn die Bewertung einzelner Unternehmensteile im Peergroup-Vergleich höher ausfällt als die des bestehenden Konglomerats. Generell tragen gerade Ver- und Zukäufe oftmals entscheidend zu der angestrebten Steigerung des Unternehmenswerts bei. Die höchsten Aktienrenditen erzielen aktivistische Investoren mit M&A-Strategien.

 

5. Wie Unternehmen sich richtig vorbereiten

Das Wissen um die konkreten Ziele eines aktivistischen Investors bei einem Engagement hilft Unternehmen, angemessen zu reagieren. Doch oft ist es dann bereits zu spät. Änderungen der Strategie oder der Beteiligungsstruktur benötigen eine erhebliche Vorlaufzeit. Daher sollte jedes Management auch unabhängig von einer Kampagne die eigene Strategie und die eigene Aufstellung mit Blick auf die üblichen Angriffspunkte der Aktivisten regelmäßig auf den Prüfstand stellen: Ist die Vergütung des Vorstands tatsächlich leistungsgerecht? Könnte ein Teil der Liquidität an die Eigentümer zurückfließen? Repräsentiert das Aufsichtsgremium ausreichend die Interessen externer Investoren?

 

5.1 Belastungstest für die Unternehmensstrategie

Im Fokus sollte eine weitere Frage stehen: Schafft die bestehende Strategie den größtmöglichen Mehrwert für das Unternehmen und seine Eigentümer? Erfolgreiche Firmen verfügen üblicherweise über eine fundierte Strategie, den Erfolg für ihre Eigentümer messen sie an der Aktienrendite. Wenn ein solches Unternehmen seine Strategie konsequent umsetzt, entsprechend reinvestiert und sich einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erarbeitet, spiegelt sich dies in der Regel auch in einer adäquaten Bewertung am Kapitalmarkt wider. Und eine hohe Bewertung wiederum mindert die Attraktivität für Shareholder-Aktivisten. Ein kurzfristiger Arbitrage-Vorteil ist für sie ein wichtiges Argument für ein Engagement.

Vor diesem Hintergrund sollte jedes börsennotierte Unternehmen seine Strategie regelmäßig einem Belastungstest unterziehen und auf mögliche Schwachstellen und Bewertungsreserven hin überprüfen. Auf die Agenda gehört unter anderem die Beantwortung folgender Fragen: Schneidet das eigene Unternehmen bei einzelnen Finanzkennzahlen schwächer ab als die Peergroup? Wie solide ist im Vergleich dazu die Bilanz? Und wäre das Unternehmen bei der Abspaltung einzelner Teile letztendlich mehr wert?

Wer sich intensiv mit dem Vorgehen aktivistischer Investoren in der eigenen Branche befasst, wird feststellen, dass dieses in hohem Maße vorhersehbar ist. Unternehmen sollten sich daher genau diejenigen Fragen stellen, die Shareholder-Aktivisten üblicherweise aufs Tapet bringen, und, allein schon aus Eigeninteresse, bereits im Vorfeld handeln. Als beispielsweise in den USA Jana Partners eine Kampagne gegen den Verlagsriesen McGraw Hill beginnen wollte, erklärte dieser, man überprüfe längst das gesamte Portfolio und die Möglichkeiten eines Aktienrückkaufs. Das Management verhinderte so eine langwierige Auseinandersetzung und nahm stattdessen sogar einen Jana-Vertreter in das eigene Board auf.

 

5.2 Professionelle Kapitalmarktkommunikation

Die beste Equity Story verpufft, wenn sie nicht professionell kommuniziert wird. Auch diesbezüglich sollten börsennotierte Firmen nicht nur mit Blick auf ein mögliches Engagement aktivistischer Investoren handeln. Vielmehr leistet eine gute Kapitalmarktkommunikation einen wichtigen Beitrag für eine angemessene Bewertung und ist damit im ureigenen Interesse des Unternehmens und seiner Eigentümer. Die folgenden fünf Punkte charakterisieren eine professionelle Kapitalmarktkommunikation:

1. Eine fundierte und realistische interne Bewertung. Sie sollte auf der aktuellen Strategie und der finanziellen Historie basieren, nicht auf dem Prinzip der Hoffnung.

2. Ein klares Verständnis für die aktuelle Bewertung. Es gilt zu verstehen, warum die aktuelle Bewertung am Kapitalmarkt vom internen Modell abweicht.

3. Kenntnis der Schlüsselinvestoren. Ein Unternehmen sollte sehr genau wissen, welche Aktionäre der eigenen Strategie aufgeschlossen gegenüberstehen und in der Lage sind, den Kurs zu bewegen.

4. Eine nachvollziehbare Equity Story. Die Zielinvestoren müssen verstehen, wohin die Reise geht und welche Chancen sich ihnen bieten.

5. Ein unternehmensweites Kennzahlensystem. Unternehmen sollten klar kommunizieren, welche Ziele sie für ihre Eigentümer erreichen wollen, und diese mit entsprechenden Kennzahlen, Meilensteinen und Maßnahmenpaketen unterlegen.

Selbst wenn die Kapitalmarktkommunikation alle fünf Punkte abdeckt, muss sie einem regelmäßigen Belastungstest unterzogen werden. Auch hier geht es darum, sich die Fragen zu stellen, die Shareholder-Aktivisten anbringen würden: Wie gut verstehen Investoren die Strategie und die Pläne, den Unternehmenswert zu steigern und die Eigentümer an diesem Wertzuwachs zu beteiligen? Wären höhere Ausschüttungen verkraftbar? Und gibt es unzufriedene Aktionäre? Je überzeugender die Antworten sind, desto geringer ist die Gefahr, im Fall einer Kampagne in die öffentliche Kritik oder während der Hauptversammlung in die Minderheit zu geraten.

Eine professionelle Kapitalmarktkommunikation ist damit Abschreckung und Antwort auf Kampagnen aktivistischer Investoren zugleich. Sie stellt sicher, dass der innere Wert eines Unternehmens der Bewertung am Kapitalmarkt entspricht, und verhindert somit kurzfristige Arbitrage-Möglichkeiten. Zugleich schafft sie die Grundlage, um im Fall der Fälle die Unterstützung von Investoren zu mobilisieren. Viel zu häufig verzichten börsennotierte Firmen in guten Zeiten auf einen intensiven Austausch mit ihren Eigentümern. Stattdessen verlassen sie sich darauf, dass ihre guten Zahlen und ihre operativen Fortschritte für sich sprechen. Doch nur wer auch in dieser Phase permanent, proaktiv und professionell mit dem Kapitalmarkt kommuniziert, kann in schwierigen Situationen auf die Unterstützung von Schlüsselinvestoren vertrauen.

 

5.3 Entwicklung eines Notfallplans

Nicht immer aber schützen eine professionelle Kapitalmarktkommunikation und eine wertschaffende Strategie vor einem Vorstoß aktivistischer Investoren. Unternehmen brauchen daher zusätzlich einen Notfallplan. Dieser beinhaltet Informationen über mögliche Angreifer und deren Ziele, denkbare Abwehrmaßnahmen sowie die relevanten Ansprechpartner. Zu den internen Experten aus den Bereichen Strategie, Recht, Finanzen und Kommunikation kommen fallweise externe Strategie- und Rechtsberater hinzu.

Auf Basis dieses Plans kennt bereits jeder am Tag X seine Rolle und kann ohne Zeitverzug aktiv werden – ein wichtiger Faktor bei der Auseinandersetzung mit aktivistischen Investoren. Das Team kann zügig die konkreten Forderungen evaluieren und die eigene Kommunikation entsprechend ausrichten. Wichtig ist hierbei, übliche Verhaltensweisen dieser Investorengruppe im Auge zu behalten:

1. Aktivisten können kurzfristige Ziele verfolgen. Das vermutlich populärste Beispiel aus jüngster Zeit ist die Forderung von Carl Icahn nach höheren Dividenden bei Apple. Das Management konnte nicht aufzeigen, welchen alternativen Zwecken die Liquiditätsreserven dienten, und musste widerwillig nachgeben.

2. Aktivisten können sich auf bestimmte Personen einschießen. Im Fall Darden Restaurants führte dies beispielsweise zum Rückzug des CEOs Clarence Otis Jr. Gut vernetzte und positionierte CEOs mit klaren Zielen und Botschaften können dem öffentlichen Druck leichter widerstehen.

3. Aktivisten können öffentlich Druck aufbauen. Der US-Fonds MMI Investments wies bei seinem Angriff auf Checkpoint Systems, einem Spezialisten für Warensicherungssysteme, Forderungen des Managements nach vertraulichen Gesprächen zurück. Auf MMIs öffentlich vorgetragene Forderungen reagierte das Unternehmen danach unverzüglich und bewahrte auch so seine Unabhängigkeit.

4. Die Öffentlichkeit kann sich auf die Seite der Aktivisten schlagen. Vor allem wenn es um überzogene Vergütungen geht, geraten börsennotierte Firmen leicht an den Pranger. Deshalb sollten sie ihre Vergütungssysteme regelmäßig einem Belastungstest unterziehen mit Blick auf mögliche Angriffspunkte von Aktivisten.

5. Während einer Kampagne können sich Forderungen verändern. Der Fall Darden Restaurants bietet auch hier Anschauungsmaterial. Nach den ersten Attacken trennte sich das Management entgegen den Vorstellungen der Aktivisten von einem Teil des Geschäfts. Die Konsequenz: Der Hedgefonds forderte nun den Rücktritt der Führungsspitze und setzte sich durch. Mit frühzeitiger und intensiver Kommunikation hätte sich diese Zuspitzung eher abwenden lassen.

6. Die Auseinandersetzung mit Aktivisten kann erhebliche Ressourcen beanspruchen. Der US-Industriegasanbieter Air Product setzte angesichts einer Attacke von Beginn an auf Dialog und nahm in Kauf, dass sich die Gespräche über Strategie, Finanzierung und Governance länger hinzogen.

7. Aktivisten agieren nicht immer allein. In seiner aktiven Zeit verbündete sich der US-Fonds Relational Investors mit dem kapitalstarken Pensionsfonds CalSTRS gegen Occidental Petroleum, um seiner Forderung nach einem anderen Vergütungssystem Nachdruck zu verleihen.

Im Idealfall haben börsennotierte Firmen relevante Szenarien bereits im Vorfeld durchdacht. So haben sie am Tag X bereits eine Antwort auf öffentlich vorgetragene Kritik an Dividendenhöhe und Vorstandsvergütung parat, wissen um mögliche Bündnispartner der Aktivisten im eigenen Investorenkreis und verfügen selbst über ein gut gepflegtes Netzwerk im Kreis der Anteilseigner und in der Öffentlichkeit. Sie lassen sich nicht durch zusätzliche Forderungen überraschen, sondern sprechen von sich aus eventuelle Schwächen in der Öffentlichkeit an und präsentieren Lösungsvorschläge. Doch auch in diesen Fällen bleibt der Notfallplan nur die Ultima Ratio. Viel wichtiger ist es, im Vorfeld mögliche Schwachstellen zu beseitigen und selbst systematisch an einer Steigerung des Unternehmenswerts zu arbeiten.

 

6. Was tun bei einem Engagement von Aktivisten

Das Beispiel Apple macht deutlich, dass sich Shareholder-Aktivisten heutzutage weder von einer hohen Marktkapitalisierung noch von Milliardengewinnen abschrecken lassen. Im Gegenteil: Bei Apple waren gerade die hohen Gewinne das Einfallstor. Denn die Eigentümer hatten bis dahin vor allem indirekt über den steigenden Aktienkurs an der guten operativen Entwicklung teil. Es gab also eine offene Flanke – und genau hier setzte die Kampagne an.

Im Fall eines Engagements gilt es, möglichst schnell Informationen über den Angreifer und seine Forderungen zu sammeln und zügig zu reagieren. Auf Basis eines Notfallplans kann sich binnen weniger Stunden ein Team aus internen und externen Experten konstituieren und die weitere Koordination übernehmen. Idealtypisch lässt sich das Vorgehen in vier Schritte unterteilen: Verständnis für den Investor und seine Pläne haben, sich frühzeitig und laufend mit dem Angreifer austauschen, permanent mit den entscheidenden Stakeholdern kommunizieren und die Gespräche zügig zum Abschluss bringen.

 

6.1 Verständnis für den Investor und seine Pläne

Aktivistische Hedgefonds unterscheiden sich nach Größe und Herkunft, nach Zielen, Investmentansätzen und typischem Vorgehen. Zu Beginn braucht das Unternehmen deshalb vor allem möglichst umfassende Informationen über den Angreifer, seine üblichen Strategien und konkreten Pläne. Viele Aktivisten wenden sich schriftlich an das Top-Management, andere lancieren ihre Vorstellungen über die Medien oder nutzen eigene Publikationen, um ihre Argumentation zu präsentieren. Diese gilt es auf Herz und Nieren zu prüfen und in der Folge eigene Maßnahmenvorschläge zu erarbeiten. Es ist weder zielführend, den Vorstoß zu ignorieren, noch sämtliche Forderungen grundsätzlich abzulehnen. Denn oft geben Aktivisten brauchbare Hinweise, wie sich der Wert eines Unternehmens steigern lässt. Verweigert sich das Unternehmen diesen Chancen, fällt es den Hedgefonds-Managern wesentlich leichter, Verbündete unter den Investoren und anderen Stakeholdern zu finden.

 

6.2 Frühzeitiger und laufender Austausch mit dem Angreifer

Meist agieren aktivistische Investoren „freundlich“. Sie sammeln Firmenanteile ein, treten danach entweder direkt oder über die Öffentlichkeit mit dem Unternehmen in Kontakt und wollen verhandeln. Im Idealfall gelingt es dem Management, diese Verhandlungen auch zum eigenen Vorteil abzuschließen. Dazu muss es allerdings zuhören und die Angriffspunkte des Investors ernst nehmen. In der Praxis empfinden viele Top-Manager das Auftreten von Shareholder-Aktivisten als persönlichen Angriff. Stattdessen sollten sie eine gemeinsame Gesprächsgrundlage schaffen, auf Vertraulichkeit achten und dann im Rahmen eines straffen Zeitplans offene Punkte abarbeiten.

Dieser Dialog läuft nicht immer nach Wunsch. Es gibt durchaus Investoren, die überzogene Forderungen öffentlich machen und zum Teil unangemessenen Druck aufbauen. Wenn es tatsächlich zu einem Showdown kommt, geht dieser gerade in den USA allerdings häufig zum Nachteil des Managements aus. Auch in Deutschland wächst die Bereitschaft institutioneller wie privater Investoren, Vorstandsvergütungssysteme kritisch zu hinterfragen und höhere Ausschüttungen einzufordern. Schon deshalb sollten Unternehmen auch bei widrigen Startbedingungen alles daransetzen, einen vernünftigen Dialog in Gang zu bringen.

 

6.3 Permanente Kommunikation mit den entscheidenden Stakeholdern

In der Regel haben Unternehmen 30 bis 90 Tage Zeit für eine detaillierte Antwort auf die Forderungen von Aktivisten. Diese sollte faktenbasiert sein und zumindest so fundiert und ausführlich ausfallen wie der ursprüngliche Vorstoß. So logisch das klingt: In der Praxis nehmen manche Unternehmen das Engagement aktivistischer Hedgefonds nicht ernst genug. Entsprechend spärlich fallen die Antworten aus. Damit wird auch eine Chance vergeben, den eigenen Unternehmenswert zu steigern.

Ein zweiter häufiger Fehler ist, dass die Unternehmen die Antwort nicht breit genug kommunizieren. Schlüsselinvestoren sollten bei Telefonkonferenzen oder Roadshows aus erster Hand erfahren, wie das Management auf den Vorstoß eines Hedgefonds reagiert. Eine professionelle Kapitalmarktkommunikation zahlt sich an dieser Stelle besonders aus. Auch mit anderen Stakeholdern gilt es schnell und effizient zu kommunizieren. Wichtige Kunden und Lieferanten zählen ebenso dazu wie Mitarbeitervertretungen und die Öffentlichkeit. Je geschlossener das Unternehmen und seine Stakeholder agieren, desto geringer sind die Chancen für einen Angreifer, einen Keil in deren Lager zu treiben und so den eigenen Vorschlägen mehr Gehör zu verschaffen.

 

6.4 Zügiger Abschluss der Gespräche

Jede öffentliche Debatte über die Zukunft eines Unternehmens belastet das operative Geschäft. Deshalb muss das Management alles in seiner Macht Stehende tun, um einen zügigen Abschluss der Verhandlungen mit dem neuen Investor zu erreichen. Nur in Ausnahmefällen wird sich dieser gegen jede Form eines Kompromisses sperren. Schließlich geht es ihm vor allem um einen Wertzuwachs seines Investments und damit die Möglichkeit, die Renditeerwartungen seiner Investoren zu erfüllen.

 

7. Fazit: Aktivisten mit Offenheit begegnen

Mit mehr als 100 Mrd. USD Kapital und mehr als 500 Kampagnen pro Jahr haben sich aktivistische Hedgefonds als wichtige Größe am Kapitalmarkt etabliert. Anders als in den USA und zum Teil in Großbritannien stehen sie im deutschsprachigen Raum noch am Anfang – die Zahl der Angriffe dürfte daher in den kommenden Jahren tendenziell steigen. Jedes börsennotierte Unternehmen sollte sich deshalb sorgfältig auf mögliche Angriffe vorbereiten und Schwachstellen schon im Vorfeld beseitigen, um so im Fall einer Kampagne schneller und effizienter agieren zu können. In dieser Situation sollte das Top-Management den Aktivisten mit der gleichen Offenheit wie anderen Anteilseignern begegnen. Die Praxis zeigt: Überzeugende Pläne des Managements finden die Unterstützung aktivistischer Investoren. Schließlich sind diese ebenfalls primär an einer Steigerung des Unternehmenswerts interessiert.

Dr. Wilhelm Schmundt
Autor
Dr. Wilhelm Schmundt

Dr. Wilhelm Schmundt ist Partner bei Bain & Company in München und verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Beratung von Finanzinvestoren sowie im Bereich M&A und Corporate Finance. Der Kapitalmarktexperte leitet die Praxisgruppe Corporate Finance im deutschsprachigen Raum.

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