24.09.2020 | Frank Schlottbohm

Post Merger Integration im Lockdown?

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PMI-Projekte sind auch ohne Pandemie und Lockdown eine besondere Herausforderung. Was aber, wenn plötzlich bekannte und erprobte Kommunikationswege abreißen und auch Lieferanten nicht mehr greifbar sind? So geschehen im März 2020 in der Schlussphase des Carve-in eines international agierenden Energieanlagen-Herstellers in einen großen internationalen Energiekonzern.

Corona schaffte über Nacht Fakten. Mitarbeitende mussten Homeoffice-fähig gemacht und internationale Standorte neu angebunden werden. Die Auslieferung neuer PC-Arbeitsplätze und die Integration einer dreistelligen Anzahl verschiedener Applikationen wurden zur besonderen Herausforderung, nicht zuletzt, weil die Partner im Mittelmeerraum vom Lockdown besonders drastisch betroffen waren.

Mit nur sechs Wochen Verspätung gelang es Mitte Mai, den Cut-over dennoch erfolgreich durchzuführen. Steile Lernkurven in Sachen Kommunikation und Methodik ebneten den Weg.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren eines PMI-Projekts unter Lockdown-Bedingungen

Ein PMI-Projekt im Lockdown ist die große Stunde des Projektmanagements. Klare Maßnahmen sorgen für Sicherheit:

  • ausführliche Detaillierung des Projektplans,

  • umfassende Planung der notwendigen Kommunikationswege und -ziele (wer muss wann was wissen?),

  • akribische Arbeitsstandkontrolle,

  • minutengenaues Trackingsystem am Cut-over-Wochenende, das die pünktliche Erledigung aller Aufgaben an alle Beteiligten in Echtzeit zurückmeldet.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine zusätzliche Qualitätssicherung. Aufträge, die über Lieferketten ausgeführt werden, sollten durch zusätzliche Tests und Abnahmekriterien einem Doublecheck unterzogen werden. Projektleiter dürfen erst dann glauben, dass die WAN-Leitung stabil funktioniert, wenn sie es „selbst gesehen haben“.

Corona verändert Methoden der Kommunikation

Um diese „straffen“ Maßnahmen umsetzen zu können, müssen PMI-Projektmanager vor allem die Kommunikation aller Projektbeteiligten gewährleisten. Traditionelle Methoden und Werkzeuge (E-Mail) sowie größte Sorgfalt in der Kommunikationsplanung und -hierarchie sind von zentralem Gewicht in einer Situation wie dem Corona-Lockdown.

  • Die Kommunikation zwischen Projektleitung und Arbeitspaketen muss direkter, häufiger und bilateral erfolgen. Eine flache Projekthierarchie ersetzt weitgehend Teilprojektstrukturen.

  • Ergebnisse, Aufgaben und Informationen sollten so detailliert wie möglich und in schriftlicher Form (Mails, Konzepte, Protokolle) festgehalten werden. Alle Beteiligten brauchen jederzeit Zugang zu „gültigen“ Dokumenten.

Niemand weiß, ob und wann wir wirklich wieder in einen „Normalzustand“ versetzt sein werden und ob nicht doch noch weitere Infektionswellen zu ähnlich drastischen Konsequenzen führen wie zu Beginn der Pandemie. Aber eines ist sicher: Pandemien und Lockdowns werden nun sicherlich häufiger Bestandteil von Risikoanalysen sein.

Die M&A Community sollte ausführlich ihre Erfahrungen zu Mergern unter Corona zusammentragen, vieles ist schon heute nicht mehr, wie es war.

Frank Schlottbohm
Autor
Frank Schlottbohm

Frank Schlottbohm ist Diplom-Betriebswirt und Management Consultant bei der noventum consulting GmbH.  Seit 26 Jahren ist er in Fach- und Führungspositionen der IT tätig. Neben der Einführung komplexer IT-Systeme, Prozesse und Strategien verantwortete er zahlreiche erfolgreiche IT M&A- und PMI-Projekte in verschiedenen Branchen. Frank Schlottbohm ist Certified Post Merger Integration Specialist (CPMI).

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