04.07.2022

„Anspruchsvoll, chancenreich, gefährlich“: M&A als Instrument strategischer Unternehmensentwicklung

Allgemein, optional, Small & Midcaps

Eine M&A-Transaktion zur Erweiterung, Verkleinerung, zum Verkauf oder der Internationalisierung des eigenen Unternehmens kann vieles sein: langwierig, teuer, erfolgreich, sinnstiftend. Ingo Steinel, geschäftsführender Gesellschafter der STEINEL Gruppe, wählt jedoch auf Nachfrage drei andere Adjektive, die er mit den M&A-Deals in seinem beruflichen Leben verbindet: „anspruchsvoll, chancenreich, gefährlich.“

Diese Antwort auf dem Podium des Mittelstandstags M&A 2022 provoziert den Moderator der Diskussion, Jan Pörschmann, Partner bei Proventis Partners, natürlich zum Nachhaken. Was denn nach Steinels Meinung das Gefährliche sei, will er wissen. Es scheint, Dr. Philipp Gusinde, Geschäftsführer der ADCURAM Group, die wiederum 75% an der STEINEL Gruppe hält, horcht noch ein wenig mehr auf als der Rest der Panelisten und die Zuhörer im Publikum des Sanaa-Gebäudes auf der Zeche Zollverein. Doch mit ADCURAM war nichts gefährlich, das stellt Steinel direkt klar – vielmehr seien für einen Unternehmer die Gefahren im M&A-Prozess grundsätzlich groß, weil es an Erfahrung fehle und das Gelingen einer Transaktion häufig sehr von Beratern abhänge.

„M&A als Instrument strategischer Unternehmensentwicklung“ ist der Titel dieser ersten Gesprächsrunde auf dem Mittelstandstag M&A 2022, organisiert vom Bundesverband Mergers&Acquisitions und dem Deutschen Institut für Unternehmensnachfolge. Steinel und Gusinde sind ein positives Beispiel für die Zusammenarbeit von Mittelstand und Finanzinvestoren – beim Zusammengehen mit ADCURAM im Rahmen der Regelung der eigenen Nachfolge, erklärt Steinel, habe er keinen Zeitdruck verspürt und wahrgenommen, dass die Manager der Industrieholding sich aktiv und umfassend in das Geschäftsmodell seines Unternehmens einarbeiteten.

Dr. Peter Schmitt-Freise, Geschäftsführer der Songwon-ATG und weiterer Panelist, greift diese Einschätzung direkt auf – jede Transaktion sei schließlich anders. Es bedürfe immer einer sorgfältigen Vorbereitung und Umsetzung und eines verantwortungsbewussten Käufers sowie Verkäufers.

Nun ist ADCURAM eine Industrieholding und anders als klassische Private-Equity-Investoren nicht an eine Halteperiode von fünf bis maximal sieben Jahren gebunden – dies bringt nämlich laut Konstantin von Alvensleben, dem ehemaligen CEO von RIEMSER Pharma, die Notwendigkeit höherer Geschwindigkeit in die Partnerschaft. Von Alvensleben spricht aus Erfahrung: Das Private-Equity-Haus Ardian beteiligte sich an RIEMSER Pharma und veräußerte das Unternehmen schließlich an einen Strategen. Bis dahin, so der ehemalige CEO, sei durchaus präsent gewesen, dass nur ein kurzes Zeitfenster besteht, um die Firma zu entwickeln. Das habe den Druck in der Organisation erhöht – aber auch großen Mehrwert gestiftet, weil alle Mitarbeiter mitlernen konnten und sollten, um den Gesamtprozess zu beschleunigen.

Wenn nun Transaktionen im Mittelstand oft von der Qualität des Beraters abhängen, weil dem Unternehmer die Erfahrung fehlt, welche Qualitäten muss dieser Berater dann mitbringen? Rechtsanwalt Stephan Heinemann, Partner bei Taylor Wessing, erklärt: „Allein der Beistand und das Zuhören eines Beraters kann dem Unternehmer Sicherheit vermitteln.“ Deshalb sei es auch keineswegs eine Gefahr für seine Zunft oder M&A-Berater allgemein, dass einzelne Aspekte des M&A-Prozesses inzwischen gut über digitale Tools abgebildet werden können: „Das menschliche Wesen ist nicht zu ersetzen.“

Wie also gelingt die Unternehmensentwicklung via M&A? Gute Vorbereitung, ein geeigneter Berater und das Bewusstsein, dass unterschiedliche Investorengruppen verschiedene Geschwindigkeiten in Sachen Wachstum vorgeben, sind eine gute Basis, das steht nach der Diskussionsrunde fest. Zudem braucht es gegenseitiges Vertrauen und Transparenz. Heinemann betont: Seiner Erfahrung nach scheitern Transaktionen stets dann, wenn die eine Seite das Vertrauen der anderen einbüßt.

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