Page

Pages

<p>Die M&amp;A REVIEW wurde 1990 von Prof. Dr. Günter Müller-Stewens ins Leben gerufen und von 1992 bis 2016 vom Institut für Betriebswirtschaft (IfB) an der Universität St. Gallen betreut. Heute sind Prof. Dr. Florian Bauer und Prof. Dr. Christoph Schalast die Herausgeber.<br><br>Das Magazin liefert monatlich Fachbeiträge zu Unternehmensübernahmen und Fusionen im deutschsprachigen Raum und international. Sie bietet einen Überblick über aktuelle M&amp;A-Trends, erfolgte Transaktionen und beteiligte Interessengruppen wie Käufer, Verkäufer, Berater und Intermediäre. Die Themen umfassen praxisrelevante Fragestellungen entlang des gesamten M&amp;A-Prozesses, Analysen von Verflechtungsstrukturen einzelner Konzerne und Branchen, statistische Auswertungen, Länderanalysen sowie juristische und steuerrechtliche Beiträge.</p>

<p>Die M&amp;A REVIEW richtet sich vornehmlich an M&amp;A-Professionals im deutschsprachigen Raum. Dazu gehören zunächst Führungskräfte in Strategie- und M&amp;A-Abteilungen von Unternehmen sowie deren Unternehmensleitungs- und Kontrollebene. Daneben zählen Unternehmensberater, Vertreter von Investmentbanken und Corporate Finance-Boutiquen sowie Partner und Mitarbeiter von Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungs- sowie Rechtsanwaltssozietäten, die im Bereich der Unternehmensübernahmen und Fusionen tätig sind, zum Leserkreis. Auch Finanzinvestoren beziehen regelmäßig die M&amp;A REVIEW. Aufgrund der wissenschaftlichen Fundierung und des universitären Hintergrunds ist die Fachzeitschrift auch in vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen verfügbar.</p>

<ul><li><p>Mit über 30 Jahren führende Fachzeitschrift rund um M&amp;A seit 1990 (deutschsprachig)</p></li><li><p>Seit 1.1.2015 offizielles Publikationsorgan des Bundesverbands Mergers &amp; Acquisitions e.V.</p></li><li><p>10 Ausgaben im Jahr mit Doppelausgaben im Januar/Februar und Juli/August</p></li><li><p>Print-Auflage bei ca. 1.000 Exemplaren pro Ausgabe</p></li><li><p>kostenloser M&amp;A REVIEW Online-Zugriff auf Archiv (nur für Abonnenten – hauptsächlich deutschsprachig)</p></li><li><p>Seit Juni 2020 Zusammenarbeit mit dem französischen Fachmagazin Fusions &amp; Acquisitions, seit 2023 gemeinsamer Auftritt mit englisch-sprachigen Fachmagazin Combuyn</p></li></ul>

Main content assets

Main Content Assets

ausgabenuebersicht-teaser.png

Publikation

Leo Berthier

leo.berthier@manda.co

Ausgabenübersicht

Sonderausgaben

Jahresindizes

Autorinnen und Autoren

Dossiers

Podcasts

Partner

Kontakt

MANDACO

NEWSROOM

M&A REVIEW

LEBENSWERK

COMBUYN

Login

Profil

Logout

M&A Advisor

M&A Tool Provider

Corporate

University Member

PE, Family Office

Student

Others...

mandaco

M&A Review

Combuyn

Lebenswerk

Recht & Steuer

<p>Matthias Wahls, LL.M. (KCL), Maître en droit (Paris II), ist Rechtsanwalt im Berliner Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Er gehört der Praxisgruppe Kartellrecht und Außenhandel an und berät Mandanten zu wettbewerbsrechtlichen und investitionskontrollrechtlichen Fragestellungen.  </p>

Matthias Wahls

<p>Dr. Frank Röhling ist Rechtsanwalt und Partner im Berliner Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Anwalt, Unternehmensjurist und bei Behörden und berät Mandanten im Rahmen von globalen Zusammenschlüssen in den Bereichen Fusions- und Investitionskontrolle sowie bei kartellrechtlichen Untersuchungen und Compliance-Themen. Bei Freshfields Bruckhaus Deringer leitet er die Berliner Praxisgruppe Kartellrecht und Außenhandel sowie zusammen mit einem anderen Partner die weltweite Gruppe für Investitionskontrolle. </p>

Dr. Frank Röhling

<h1>1. Einführung</h1><p>Die Fusionskontrolle stellt ein präventives System zur Abwehr drohender Gefahren für den freien Wettbewerb dar. Dieses basiert auf der Erfahrung, dass die Rückabwicklung von Unternehmenszusammenschlüssen häufig nicht möglich und daher eine Vorab-Kontrolle notwendig ist. Dabei hat sich der Gesetzgeber in den meisten Jurisdiktionen dafür entschieden, für die Fusionskontrolle keine materiellen Kriterien als Anknüpfungspunkt für Anmeldepflichten heranzuziehen, sondern rein formelle Kriterien, insbesondere in Form des Umsatzes der beteiligten Unternehmen (und teilweise auch andere betriebswirtschaftliche Kennzahlen).</p><p>Dahinter steht letztlich die Entscheidung, lieber ein Over- als ein Under-Enforcement in Kauf zu nehmen: Durch diese Regelung sind sehr viele Fälle anmeldepflichtig, die offensichtlich keine kartellrechtlichen Bedenken aufwerfen; andererseits ging der Gesetzgeber davon aus, dass unterhalb dieser Schwellenwerte die beteiligten Unternehmen grundsätzlich wirtschaftlich so unbedeutend sind, dass ihr Zusammenschluss den Wettbewerb nicht erheblich beeinträchtigen kann.</p><p>Zudem weisen Umsatzschwellen einen entscheidenden Vorteil auf: Es kann eindeutig festgestellt werden, ob sie erfüllt sind, sodass ohne jeden Zweifel bestimmt werden kann, ob eine Transaktion anmeldepflichtig ist oder nicht (anders als z.B. in der Investitionskontrolle, wo häufig materielle Kriterien ausschlaggebend sind). Zudem hatte der Gesetzgeber geregelt, dass die Fusionskontrolle aus kartellrechtlicher Sicht das einzige auf Zusammenschlüsse anwendbare Rechtsregime sein soll – soweit eine Genehmigung erteilt wird oder nicht notwendig ist, galt ein Zusammenschluss daher als kartellrechtlich unantastbar (natürlich bleibt eine Überprüfung nach anderen Rechtsregimen, z.B. der Investitionskontrolle, möglich).</p><p>In den letzten Jahren entwickelten die Wettbewerbsbehörden allerdings erhebliche Zweifel daran, ob die Annahme, dass unterhalb der Umsatzschwellen keine Risiken für den Wettbewerb drohen, wirklich zutreffend sei. Unter dem Stichwort der sogenannten „Killer Acquisitions“ verbreitete sich die Sorge, dass der Wirtschaft im erheblichen Ausmaß wettbewerbliches Potenzial dadurch verloren ginge, dass finanzstarke Marktinhaber in einem sehr frühen Entwicklungsstadium innovative Konkurrenten (oft Start-Ups), die ihnen gefährlich werden könnten, aufkaufen und deren Projekte entweder in die eigenen Angebote integrieren oder einfach einstellen. Da diese Schadenstheorie vor allem die Industrien betraf, denen die Wettbewerbsbehörden sowieso bereits misstrauten – Big Tech und Big Pharma –, wurde dies rasch aufgegriffen, und man suchte nach Wegen, dieser mutmaßlich gefährlichen Killer Acquisitions Herr zu werden.</p><p>Auf dieser Suche beschritt die Europäische Kommission im Illumina/Grail-Verfahren 2021 juristisch besonders kreative Wege, mit denen sie im September 2024 vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) letztinstanzlich scheiterte. Doch damit ist der „Kampf gegen Killer Acquisitions“ noch lange nicht vorbei. Sowohl die Europäische Kommission als auch nationale Wettbewerbsbehörden arbeiten weiter an Wegen, Transaktionen unterhalb der klassischen Umsatzschwellen untersuchen und verbieten zu können. Dieser Artikel soll die wesentlichen Strategien, die dazu im Raum stehen oder bereits verfolgt werden, darstellen.</p><h1>2. Europäische Union</h1><h2>2.1 Der Weg über die Verweisung durch die Mitgliedsstaaten – das Scheitern der Kommission vor dem EuGH</h2><p>Der bereits erwähnte Fall Illumina/Grail spielte im Pharma-Bereich: Grail war eines von mehreren Unternehmen, das an neuartigen Krebstests forschte; Illumina war der einzige Zulieferer einer notwendigen Technologie für die Entwicklung dieser Tests und wollte Grail erwerben. Die Kommission befürchtete, dass Illumina nach dem Erwerb von Grail dessen Wettbewerber von der benötigten Technologie abschneiden und daher faktisch ein Monopol auf die Entwicklung neuartiger Krebstests erlangen würde.</p><p>Das Problem: Grail war noch in der Entwicklungsphase, es hatte noch keine Umsätze erzielt, daher war in der EU keine Wettbewerbsbehörde für den Zusammenschluss zuständig. Die EU-Kommission griff daraufhin zu einem Trick: Nach Art. 22 der Fusionskontrollverordnung (FKVO) darf sie einen Zusammenschluss auch unterhalb der EU-Umsatzschwellen kontrollieren, wenn eine mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörde diesen an die Kommission verweist. Die Kommission bat einige mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörden darum, eine solche Verweisung vorzunehmen, obwohl diese selbst nicht für den Zusammenschluss zuständig waren und diesen nach nationalem Recht daher nicht untersuchen konnten. Zur selben Zeit änderte die Kommission auch ihre bisherigen Richtlinien zur Auslegung der Fusionskontrollverordnung um zu erklären, dass sie eine solche Verweisung für wirksam hält.</p><p>Diese Praxis hatte unmittelbare Auswirkungen auf die transaktionsrechtliche Beratungspraxis: Selbst soweit ein Zusammenschluss weder bei der Kommission noch in irgendeinem Mitgliedstaat anmeldepflichtig war, drohte eine Verweisung an die Kommission, jedenfalls soweit der Fall materiell mögliche Bedenken bei einer Behörde auslösen könnte. Unternehmenskaufverträge seit dieser Zeit enthielten typischerweise Klauseln, die dieses Risiko adressierten.</p><p>Der EuGH beendete diese Praxis im September 2024: Nachdem das Gericht der Europäischen Union die Entscheidung der Kommission noch in erster Instanz aufrecht erhalten hatte, war der EuGH nun auf der Auffassung, dass die Praxis der Kommission mit dem Prinzip der Rechtssicherheit, die ein zentrales Ziel der Fusionskontrollverordnung sei, nicht vereinbar sei.</p><h2>2.2 Verweisungspraxis in der Zukunft</h2><p>Die Kommission wird trotz dieser Entscheidung weiterhin versuchen, Killer Acquisitions zu untersuchen und zu verbieten. Kommissionspräsidentin von der Leyen hat die neue Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera angewiesen, das Risiko von Killer Acquisitions zu adressieren und alle Optionen auszuloten, um sicherzustellen, dass die Kommission auch Transaktionen unterhalb der Umsatzschwellen untersuchen kann, wenn diese ein hohes Wettbewerbs- und Innovationspotenzial aufweisen. Wie könnte dies erreicht werden?</p><p>Zunächst einmal darf die Kommission weiterhin Verweisungen von Mitgliedstaaten akzeptieren, die selbst zuständig sind. In diesem Fall darf die Kommission grundsätzlich nur die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den betroffenen Mitgliedstaat prüfen – soweit der Markt aber nicht national, sondern EWR-weit ist (was in den betroffenen Märkten wie Digitalmärkten oder pharmazeutischen Forschungsmärkten häufig der Fall sein dürfte), dürfte dies praktisch aber wenige Auswirkungen haben. Zudem können sich andere Mitgliedsstaaten dem Antrag anschließen.</p><p>Dies bedeutet außerdem, dass die Kommission „Profiteur“ von Ausweitungen der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten sein kann. Auch wenn die Entscheidung des EuGH in Illumina/Grail maßgeblich darauf basierte, die Bedeutung von Umsatzschwellen für die Rechtssicherheit zu betonen, hindert dies die Mitgliedstaaten nicht daran, ihren Wettbewerbsbehörden davon abweichend Zuständigkeiten zu verleihen, woraufhin diese einen erfolgreichen Verweisungsantrag an die Kommission stellen könnten. Deswegen könnte die praktische Auswirkung des Illumina/Grail-Urteils gering ausfallen, weil die komplette Unzuständigkeit aller Wettbewerbsbehörden in der EU zukünftig eher eine Ausnahme darstellen dürfte.</p><p>So hat beispielsweise die italienische Wettbewerbsbehörde nur acht Wochen nach dem Urteil des EuGH in Illumina/Grail ein Verfahren über den Erwerb von Run:ai durch Nvidia aufgrund seines allgemeinen Aufgriffsrechts (dazu unter 3.1) eröffnet und dieses umgehend an die Kommission überwiesen.</p><h2>2.3. Die Missbrauchskontrolle als Alternative nach geltendem Recht?</h2><p>Ein weiteres mögliches Instrument zur Fusionskontrolle unterhalb der Umsatzschwellen kam vor Kurzem überraschend und nicht etwa auf behördliches Betreiben, sondern durch private Rechtsverfolgung auf. Die Klägerin, das französische Unternehmen Towercast, beschwerte sich bei der französischen Wettbewerbsbehörde über einen Zusammenschluss auf dem französischen Markt für Fernsehübertragungen, durch den sie sich benachteiligt sah. Da der Zusammenschluss nirgends anmeldepflichtig war, belebten Towercasts Anwälte eine alte Rechtsfigur wieder: Noch vor Einführung der Fusionskontrolle in der Europäischen Union entschied der EuGH im „Continental Can“-Verfahren, dass der Erwerb eines Wettbewerbers durch ein marktbeherrschendes Unternehmen einen verbotenen Missbrauch der marktbeherrschen Stellung darstellen kann (heute geregelt in Art. 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV).</p><p>Lange wurde angenommen, dass diese Rechtsprechung durch die Fusionskontrollverordnung obsolet geworden war. Towercast argumentierte jedoch, dass das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im europäischen Verfassungsrecht verankert ist und daher nicht durch einfache Verordnungen wie die Fusionskontrollverordnung eingeschränkt werden könnte. Mit Erfolg: Der EuGH folgte dieser Argumentation und urteilte, dass die französihche Wettbewerbsbehörde der Beschwerde von Towercast hätte nachgehen müssen.</p><p>Dieses (wiederentdeckte) Instrument nach Art. 102 AEUV kann sowohl durch die Kommission als auch durch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet werden und ist zeitlich flexibel, das heißt der Verstoß kann auch beliebig lange rückwirkend geltend gemacht werden, denn die Befugnis der Behörden, eine Geldbuße zu verhängen, unterliegt der Verjährung, nicht hingegen die Befugnis, die Beseitigung des Verstoßes zu verlangen. Dieses Instrument weist aber auch mehrere Nachteile auf: Es ist nur auf Erwerbe von bereits vorher marktbeherrschenden Unternehmen anwendbar. Weiterhin ist die zu erfüllende Beweislast höher. Und drittens handelt es sich nicht um eine vorbeugende Kontrolle, sodass sich das Problem der Rückabwicklung bereits vollzogener Transaktionen stellt.</p><p>Nichtsdestotrotz haben die Wettbewerbsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten bereits Verfahren auf Grundlage dieses Instruments eingeleitet. So eröffnete zum Beispiel die Wettbewerbsbehörde der Niederlande nur sechs Tage nach dem Towercast-Urteil ein Verfahren gegen das Telekommunikationsunternehmen Proximus wegen angeblichen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch kürzliche Erwerbe von kleineren Unternehmen. Das Verfahren endete damit, dass Proximus freiwillig die betroffenen Unternehmen wieder verkaufte.</p><p>In der Konsequenz könnte die Entscheidung noch viel weitergehende Auswirkungen haben: Wenn man mit der Towercast-Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Ausschließlichkeitsanspruch des Fusionskontrollverfahrens gegenüber EU-verfassungsrechtlich geregelten Vorschriften keine Gültigkeit beanspruchen kann, würde dies auch bedeuten, dass, anders als bisher angenommen, das allgemeine Verbot wettbewerbsbeschränkender Verträge und Absprachen des Art. 101 AEUV auch auf Unternehmenszusammenschlüsse anwendbar sein könnte. Dies sieht beispielsweise die französische Wettbewerbsbehörde so, die sich als berechtigt ansah, auch nicht-anmeldepflichtige Unternehmenserwerbe nicht marktbeherrschender Unternehmen nachträglich nach Art. 101 AEUV zu untersuchen (allerdings im konkreten Fall letztlich keinen Verstoß gegen diese Vorschrift erkannte). Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, könnte in Zukunft jeder Zusammenschluss im Nachhinein von den Wettbewerbsbehörden aufgegriffen werden.</p><h2>2.4. Änderung der Fusionskontrollverordnung unwahrscheinlich</h2><p>Schließlich verbliebe der Kommission als letzte Möglichkeit noch, die Fusionskontrollverordnung zu ändern, um ihr weiterreichende Zugriffsmöglichkeiten zu gewähren. Von solchen Plänen war allerdings bis jetzt nichts zu vernehmen – wahrscheinlich dürfte die Sorge der Kommission zu groß sein, dass ein Gesetzgebungsverfahren zur Fusionskontrollverordnung zu viele politische Begehrlichkeiten in den Mitgliedstaaten wecken könnte, zum Beispiel Ausnahmen für wirtschaftspolitisch gewollte Zusammenschlüsse (oft als „European Champions“ bezeichnet) zu schaffen. Wie zuvor gezeigt dürfte die Kommission aber weiterhin genügend Wege haben, Zusammenschlüsse zu untersuchen, die sie interessieren. Das liegt insbesondere auch an den Bemühungen auf nationaler Ebene.</p><h1>3. National</h1><p>Auf nationaler Ebene bestehen nämlich weniger Bedenken, Gesetze zu ändern, um neue Eingriffsrechte für die Wettbewerbsbehörden zu schaffen. Dabei stehen vor allem zwei Lösungen im Fokus: ein allgemeines Aufgriffsrecht für die Wettbewerbsbehörden, das diesen ermöglicht, jede Transaktion zu untersuchen, die sie interessiert; und ein Transaktionsschwellenwert, der Transaktionen mit einem hohen Kaufpreis einer Anmeldepflicht unterwirft. Abbildung 1 gibt eine Übersicht über die aktuell geltenden Regelungen und erwogene Änderungen.</p><p>Abb. 1 Jurisdiktionen mit Transaktionswertschwellen oder Aufgriffsrechten</p><p><p class="relative">
    <img class="c-image inline not-prose" src="https://cms.manda.co/storage/assets_visuals_ex-articles/mar_grafiken/25_mar/3_25_mar/freshfields_abb.1_-01.png" alt=Abb. 1 Jurisdiktionen mit Transaktionswertschwellen oder Aufgriffsrechten decoding="async" loading="lazy" />
                <span class="c-component block prose text-balance text-md leading-lg media_copyright">Quelle: Recherchen von Freshfields</span>
    </p>
Quelle: Recherchen von Freshfields</p><p></p><h2>3.1. Allgemeines Aufgriffsrecht</h2><p>In einigen Jurisdiktionen hat die Wettbewerbsbehörde ein allgemeines Aufgriffsrecht. Das heißt, sie kann von Amts wegen jeden beliebigen Zusammenschluss untersuchen, wenn sie Bedenken hat, dass dieser den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen könnte. Häufig ist dieses Recht bestimmten Fristen unterworfen (z.B. bis zu 6 Monate nach Vollzug); manchmal gibt es bestimmte formelle Anknüpfungspunkte, die aber in der Regel leicht zu erfüllen sind (z.B. bestimmte Umsatzhöhe der Erwerber-Gruppe oder gemeinsame Marktanteile &gt;20% auf irgendeinem beliebigen Markt – was sich selten ausschließen lässt).</p><p>Ein solches Recht haben die Wettbewerbsbehörden unter anderem in Dänemark, Italien, Irland, Lettland, Litauen, Schweden, Slowenien, Ungarn und dem Vereinigten Königreich.</p><p>Dieses Instrument stellt sicherlich die stärkste Waffe der Wettbewerbsbehörden im Kampf gegen Killer Acquisitions dar, es bewirkt aber, dass keine Rechtssicherheit für die beteiligten Unternehmen mehr besteht, da sie in jeder Transaktion noch nach dem Vollzug die Einleitung eines behördlichen Verfahrens befürchten müssen. Diesem Problem kann in der Praxis durch die Einreichung einer freiwilligen Anmeldung begegnet werden. Aufgrund des großen Wertes, den Transaktionssicherheit für die Beteiligten hat, und der Unvorhersehbarkeit mancher Wettbewerbsbehörden führt dies leider zu einer großen Anzahl an vorsorglichen Anmeldungen, die unnötige Kosten und Verzögerungen verursachen.</p><p>Aus diesem Grund hat sich auch der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, klar gegen eine solche Lösung für Deutschland ausgesprochen. Er präferiert stattdessen den Weg über die Transaktionswertschwelle, den Deutschland beschritten hat.</p><h2>3.2. Deutsche Lösung: die Transaktionswertschwelle</h2><p>Deutschland und Österreich haben einen anderen Weg beschritten, um Killer Acquisitions zu erfassen: Sie haben alle Transaktionen einer Meldepflicht unterworfen, die einen bestimmten (weltweiten) Wert übersteigen (in Deutschland 400 Mio. EUR, in Österreich 200 Mio. EUR). Die Vermutung dahinter ist, dass Unternehmen, für die ein sehr hoher Kaufpreis gezahlt wird, die aber in Deutschland beziehungsweise Österreich nicht die Umsatzschwellen erfüllen, womöglich Killer Acquisitions betreffen könnten.</p><p>Als zusätzliche Einschränkung ist weiterhin erforderlich, dass das Zielunternehmen in Deutschland beziehungsweise Österreich in erheblicher Weise tätig sein muss. Eine solche erhebliche Tätigkeit kann allerdings auch ohne jegliche Umsätze und ohne physische Präsenz in Deutschland vorliegen. Genaue Kriterien dafür gibt es nicht; das deutsche Bundeskartellamt und die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde haben lediglich einen Leitfaden veröffentlicht, der einige Beispiele für erhebliche oder unerhebliche Tätigkeiten nennt.</p><p>Eine zentrale Aussage dabei ist, dass in „reifen“ Industrien, in denen die Umsätze die Marktstellung und das Wettbewerbspotenzial des Zielunternehmens hinreichend widerspiegeln, das Verfehlen der Umsatzschwellen auch einen Mangel an erheblicher Inlandstätigkeit belegen soll. Dies führt in der Praxis nicht selten zu Auslegungsunsicherheiten, die teilweise mittels einer Vorabstimmung mit dem Bundeskartellamt geklärt werden können und teilweise zu vorsorglichen Anmeldungen führen. Außerdem hat das Bundeskartellamt bereits mehrfach Verfahren gegen Unternehmen angestrengt, die aus seiner Sicht eine Anmeldepflicht nach der Transaktionswertschwelle zu Unrecht ausgeschlossen hätten.</p><p>Die Anzahl der eingereichten Anmeldungen nach der Transaktionswertschwelle ist deutlich höher als vom Bundeskartellamt vor deren Einführung erwartet wurde – und sie trifft teilweise auch nicht die richtigen Sektoren. So betrifft beispielsweise circa die Hälfte der Anmeldungen den Immobiliensektor, der besonders leicht hohe Transaktionswerte erreicht.</p><p>Dennoch sieht das Bundeskartellamt die Transaktionswertschwelle als Erfolg und möchte sie sogar noch ausweiten. So soll es in Zukunft nach dem Willen des Bundeskartellamtes ausreichen, dass das Zielunternehmen nicht aktuell, sondern nur in Zukunft in Deutschland erheblich tätig sein könnte. Dafür wäre aber eine Gesetzesänderung erforderlich.</p><p>Andere EU-Länder wie Finnland, Frankreich, die Niederlande und Tschechien erwägen momentan, ebenso eine Anmeldepflicht auf Grundlage des Transaktionswertes einzuführen.</p><h1>4. Auswirkungen auf die Transaktionspraxis</h1><p>Die Transaktionspraxis wird sich darauf einstellen müssen, dass die alte Zeit der eindeutigen Umsatzschwellen vorbei ist. Die neuen Instrumente der Wettbewerbsbehörden werden wahrscheinlich in noch mehr Ländern eingeführt und in noch mehr Fällen angewendet werden.</p><p>In Ländern, in denen ein solches Instrument besteht, wird neben der klassischen Überprüfung der Anmeldepflichten anhand der Umsätze auch eine materielle Überprüfung möglicher Wettbewerbsbedenken vorgenommen werden müssen um einzuschätzen, ob eine Wettbewerbsbehörde sich für das Vorhaben interessieren könnte. Im Zweifelsfall werden die Parteien Zeit für eine vorsorgliche Anmeldung einplanen müssen, um Rechtssicherheit zu erlangen. Soweit keine vorsorgliche Anmeldung vorgenommen wird, sollte der Unternehmenskaufvertrag Vorkehrungen für den Fall treffen, dass eine Wettbewerbsbehörde die Transaktion aufgreift und untersuchen möchte – beispielsweise indem ein Vollzugsbedingung dahingehend aufgenommen wird, dass in keiner Jurisdiktion ein Verfahren eingeleitet wurde, das zur Untersagung der Transaktion führen kann.</p><p>Insgesamt bedeutet dieser Trend, dass einige wenige Transaktionen, die bisher unter den Schwellenwerten „durchschlüpfen“ konnten, in Zukunft womöglich nicht mehr durchgeführt werden können. Für viele Transaktionen bedeutet dies jedoch vor allem einen weiteren bürokratischen Aufwand und eine mögliche Quelle von Transaktionsunsicherheit, die Europa in seiner derzeitigen Wachstumsschwäche eigentlich nicht gebrauchen kann.</p>

Vor Kurzem ist die Kommission mit dem Versuch, ihre fusionskontrollrechtliche Zuständigkeit auf Transaktionen, die die einschlägigen Umsatzschwellen nicht erfüllen, vor dem EuGH gescheitert.

Fusionskontrolle unterhalb der Umsatzschwellen

02) Subscription: mandaco student

03) Subscription: mandaco online

Abschied von der Transaktionssicherheit? Fusionskontrolle unterhalb der Umsatzschwellen