„Beide Seiten müssen ein hohes Maß an Offenheit mitbringen“: Mittelstand und Private Equity
„Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter.“ Franz Münteferings Heuschrecken-Vergleich in einem Interview mit der BILD im April 2005 ist dem deutschen Mittelstand offenbar im Gedächtnis geblieben.
Nur etwas mehr als 12% der Befragten der Mittelstandsstudie können sich vorstellen, ihre Firma an eine Private-Equity-Gesellschaft zu veräußern. Das berichtet Prof. Dr. Florian Bauer, Mitverfasser der Studie, vor dem zweiten Panel des Mittelstandstags M&A 2022. Zeit, das Vorurteil zu hinterfragen.
Die Diskussionsrunde, moderiert von Stefan Schneider, Geschäftsstellenleiter des Bundesverbands Mergers & Acquisitions, beschäftigte sich denn auch mit dem Thema „Mittelstand und Private Equity“. Warum, das will Schneider als erstes wissen, ziehen Unternehmer sogar eher den Verkauf an einen Wettbewerber in Betracht als die Beteiligung eines Private-Equity-Hauses (PE)? Schließlich sei der Erhalt von Arbeitsplätzen, auch das ergibt die Mittelstandsstudie, ein wichtiges Ziel der Unternehmer – und diese Arbeitsplätze nach der Übernahme durch den Konkurrenten doch erst recht gefährdet. Eric Jungblut, Partner beim Mittelstandsinvestor Finatem, erklärt, dass nach Münteferings Ausspruch 2005 der schlechte Ruf den Beteiligungsgesellschaften oft noch immer (ungerechtfertigt) vorauseile. Er betont aber auch, dass die Ressentiments weniger werden – „der Mythos wird durch erfolgreiche Beispiele entkräftet“.
Ein erfolgreiches Beispiel – das ist die Zusammenarbeit von Finatem und Uwe Balshüsemann, dem Vorstand der Leonhard Moll AG. Gemeinsam hatte man 2010 via Management-Buyout die Techno-Physik übernommen, es folgte nach der Weiterentwicklung der Verkauf an Leonhard Moll. Balshüsemann im Rahmen der Paneldiskussion: „In der Zeit bei Finatem durften wir viel lernen und konnten von der Erfahrung des Investors mit mittelständischen Portfoliounternehmen profitieren.“ Es sei nicht etwa so, dass eine Kooperation mit einem PE von vornherein zum Scheitern verdammt sei, vielmehr komme es darauf an, den richtigen Partner für die eigene Firma zu finden.
Wilhelm Mickerts, Partner bei Grant Thornton und weiterer Diskutant, pflichtet auf Nachfrage von Schneider bei: Der gute „Fit“ beider Parteien sei entscheidend. Um diesen sicherzustellen, braucht es laut Mickerts vor allem eines: gegenseitiges Vertrauen. „Beide Seiten müssen ein hohes Maß an Offenheit mitbringen.“ Dazu können die passenden Berater beitragen – darunter auch die zuständigen Rechtsanwälte. Nikolaus von Jacobs, Partner der Kanzlei McDermott Will & Emery, sieht die eigene Rolle in Transaktionen daher nicht nur als juristischen Beistand: „Unsere Aufgabe ist es auch, das Geschäftsmodell der jeweils anderen Partei zu erklären, Aufregung zu nehmen und Verständnis zu schaffen.“ M&A-Berater Mickerts ergänzt: „Wir schaffen Wert, indem wir Transparenz herstellen und klar kommunizieren.“
Das mit dem Verständnis, der Transparenz und Offenheit scheint auch Lars Nottehed, Geschäftsführer von Storskogen Deutschland, gut zu gelingen. Storskogen ist erst wenige Jahre im deutschen Markt aktiv, hat aber bereits zahlreiche Transaktionen im Mittelstand abgeschlossen – und braucht nur etwa drei bis sechs Monate für einen erfolgreichen Deal. Dahinter stecke kein Geheimrezept, sagt Nottehed, sondern lediglich der Anspruch, eine Beteiligung nicht nur zu kaufen, sondern diese auch zu halten und zu entwickeln. Heuschrecke geht anders, kann man zwischen den Zeilen lesen – und der Erfolg gibt Nottehed recht.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Mittelstand und Private-Equity-Gesellschaft ist kein Ding der Unmöglichkeit, das wird im Laufe der Diskussion der Experten sehr deutlich. Die Zurückhaltung der Unternehmer reduziert sich langsam. Damit das so bleibt, da sind sich alle einig, bedürfe es nur weniger, oben genannter Zutaten: Fairness, Offenheit, Transparenz und Kommunikation. Dann fällt ein PE keineswegs über den wehrlosen Mittelstand her, grast ab und zieht weiter – vielmehr hilft der Investor dabei, das eigene Gras zu wässern. Dann werden alle satt.