Beyond Big Bang: Rollout-Management in Post-Merger-Integrationen neu denken
Die technologische Zusammenführung zweier Firmen ist das Herzstück von Post-Merger-Integrationen (PMI). Komplexe Anforderungen aus der Organisation, strategische Prioritäten und technologische Rahmenbedingungen erfordern maßgeschneiderte Rollout-Ansätze, um die Integrationsziele zu erreichen. Die Sicherstellung der Akzeptanz neuer Systeme, Prozesse und Arbeitsweisen in der Organisation hat höchste Priorität.
1. Die IT im Zentrum der Integration
In den ersten Monaten nach einem Kauf oder einer Fusion sind beide Parteien stark daran interessiert, rasche Synergien in der IT zu realisieren. Eine gut geplante und durchgeführte IT-Integration kann über den Erfolg beziehungsweise Misserfolg einer Fusion oder Übernahme entscheiden. Sie beeinflusst nicht nur die Effizienz der operativen Prozesse, sondern auch die Kundenzufriedenheit, die Innovationskraft und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des neu zusammengeführten Unternehmens.
Daher wird in der Regel schnell ein Rollout-Plan entwickelt, um die Zusammenführung der Systeme strukturiert anzugehen. Diese Dynamik birgt jedoch Risiken: Werden zentrale strategische Parameter übersehen, können rasch schwerwiegende Probleme auftreten. Eine unzureichende Integration der IT-Systeme kann beispielsweise zu Dateninkonsistenzen, Informationsverlusten und Systemausfällen führen. Diese sind oft das Ergebnis von Planungsmängeln bei der Datenmigration oder inkompatiblen Systemen, die wiederum erhebliche Geschäftsunterbrechungen und finanzielle Einbußen nach sich ziehen können. Nicht selten wird zudem die Nutzerakzeptanz durch ineffiziente Change-Maßnahmen gefährdet.
2. Die vier Facetten der Integration
Die Post-Merger-Integration erfordert ein präzises Management aller strategischen und operativen Einflussfaktoren, um das definierte M&A-Ziel zu erreichen.
Grundsätzlich lassen sich diese Einflussfaktoren in vier zentrale Kategorien unterteilen, die für eine erfolgreiche Zusammenführung entscheidend sind: Kompetenz, Technologie, Prozesse und Organisation. Im Bereich Kompetenzen steht die Identifikation und Integration von Know-how im Vordergrund, um das volle Potenzial der Mitarbeitenden zu nutzen und Synergien zu maximieren. Die Kategorie Technologie konzentriert sich auf die nahtlose Integration technischer Systeme, um eine stabile IT-Infrastruktur zu gewährleisten. Gleichzeitig werden im Prozessbereich die Geschäftsabläufe harmonisiert und die unterstützenden IT-Prozesse entsprechend ausgerichtet. Im Bereich der Organisation ist eine Ausrichtung der Aufbauorganisation und der Betriebsmodelle auf das Integrationsziel erforderlich.
Die technologische Integration spielt eine entscheidende Rolle in der Post-Merger-Integration, da sie den effizienten Informationsaustausch ermöglicht und eine harmonisierte IT-Infrastruktur schafft, welche Transparenz und bessere Entscheidungsfindung fördert. Durch die Optimierung von Prozessen und den Abbau redundanter Aufgaben wird die Produktivität gesteigert. Zudem verhindert ein robustes technologisches Fundament, dass potenzielle Synergien ungenutzt bleiben, und erleichtert die Zusammenarbeit zwischen den Teams. Einheitliche IT-Standards sind notwendig, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können und die Kompatibilität zwischen Systemen zu gewährleisten. Insgesamt trägt eine gut geplante technologische Integration zur langfristigen Leistungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Organisation bei.
Abb. 1 • Die vier Facetten der Integration
Quelle: Eigene Darstellung
3. Schnüren von standardisierten Rollout-Paketen
Im Rahmen der IT-Due Diligence werden bereits entscheidende Weichen für die spätere Integration gestellt. Durch eine gründliche Analyse der IT-Landschaften lassen sich Technologie-Stacks, Prozesse, Richtlinien und Infrastrukturen nicht nur identifizieren, sondern auch bewerten, um ein Zielbild abzuleiten. Nach dem IT-Assessment müssen die ermittelten Potenziale gesichert und die Voraussetzungen für die Umsetzung geschaffen werden.
Eine moderne IT-Infrastruktur mit modularen und kompatiblen Komponenten erleichtert den Transfer zwischen den Systemen. Je stärker die Applikationen und Systeme standardisiert sind, desto einfacher wird die Zusammenführung im neuen Unternehmen. Rollout-Projekte spielen eine Schlüsselrolle, um den Grad der Standardisierung im erworbenen Unternehmen zu erhöhen und zeitnah eine IT-Harmonisierung zu erreichen.
Um den späteren Rollout effizient zu gestalten, werden standardisierte Rollout-Pakete geschnürt. Diese Pakete beinhalten vorab definierte Module für Software, Hardware und Prozesse, die auf die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten sind. Durch die Bündelung von Komponenten in diesen Paketen wird nicht nur der Implementierungsaufwand minimiert, sondern auch sichergestellt, dass alle Systeme und Anwendungen nahtlos miteinander kommunizieren.
4. Rollout-Ansätze im Vergleich
Grundlegend können bei der IT-Integration vier Ansätze Orientierung geben: der Phased Rollout, der Big Bang, die Continuous Delivery und der Pull Rollout.
Abb. 2 • Rollout-Ansätze im Überblick
Quelle: Eigene Darstellung
Quelle: Eigene Darstellung
Beim Phased Rollout wird die Einführung neuer Software schrittweise in verschiedenen Wellen umgesetzt, wobei jede Welle auf den Erkenntnissen der vorherigen aufbaut. Dies ermöglicht es, eventuelle Probleme frühzeitig zu identifizieren und das Vorgehen anzupassen, bevor die nächste Phase startet. Die Phasen können flexibel gestaltet werden – zum Beispiel nach geografischen Regionen, Unternehmensabteilungen oder spezifischen Nutzerrollen.
Der Big Bang Rollout unterscheidet sich vom Phased Rollout dadurch, dass das Rollout-Paket in einem einzigen, umfassenden Schritt für alle Nutzer gleichzeitig eingeführt wird, wobei alte IT-Systeme in einem Vorgang ersetzt werden können. Dieser Ansatz ermöglicht eine sofortige Synchronisation beider IT-Infrastrukturen und fördert eine einheitliche Nutzererfahrung.
Die Continuous Delivery ermöglicht eine kontinuier-liche und unterbrechungsfreie Bereitstellung von Software-Paketen. Sollte es dennoch zu Unterbrechungen kommen, wird die betroffene Nutzergruppe im nachfolgenden Rollout-Zyklus wieder eingebunden. Dieser iterative Ansatz fördert eine schnelle Reaktion auf Nutzerfeedback und trägt dazu bei, die Qualität sowie die Zufriedenheit der Nutzer mit den bereitgestellten Lösungen fortlaufend zu verbessern.
Entscheidet man sich für einen Pull Rollout, beziehen die Nutzergruppen die erforderlichen Software- oder Dienst-Updates eigenständig von einer zentralen Quelle und bestimmen dabei individuell den Zeitpunkt der Integration. Eine zentrale Plattform stellt dafür umfassende Dokumentationen, FAQs und Anleitungen bereit, um den Prozess zu unterstützen.
Bei der Wahl des geeigneten Rollout-Ansatzes in einem M&A-Projekt ist es wichtig, das Projektumfeld umfassend zu analysieren. Diese Umfeldanalyse berücksichtigt sowohl Organisationsfaktoren als auch die technische Machbarkeit. Die Berücksichtigung dieser Aspekte ist entscheidend, um sicherzustellen, dass der gewählte Ansatz den spezifischen Anforderungen der beteiligten Unternehmen gerecht wird. Ein fundiertes Verständnis der organisationalen Strukturen, Prozesse und Technologien trägt dazu bei, potenzielle Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und effektive Lösungen zu entwickeln.
Abb. 3 • Umfeldanalyse zur Auswahl des passenden Rollout-Ansatzes
Quelle: Eigene Darstellung
In der Organisationsanalyse liegt der Fokus auf den notwendigen Ressourcen und Strukturen für die erfolgreiche Integration neuer Systeme. Dabei werden zeitliche, budgetäre und qualitative Prioritäten sorgfältig abgewogen. Zeitliche Prioritäten könnten beispielsweise einen schrittweisen Rollout in Phasen vorsehen, während budgetäre Überlegungen den Einsatz externer Berater zur Unterstützung des Prozesses betreffen. Qualitative Prioritäten könnten die Nutzerfreundlichkeit der Systeme hervorheben, um eine hohe Akzeptanz zu gewährleisten. Zudem werden parallel laufende Projekte berücksichtigt, um mögliche Engpässe zu vermeiden und einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen.
Die technische Analyse umfasst die Überprüfung der erforderlichen Voraussetzungen sowie bestehender Service- und Betriebskonzepte. Dabei wird auch die Expertise der neuen Mitarbeitenden bewertet, um sicherzustellen, dass sie gut auf die bevorstehenden Herausforderungen vorbereitet sind. Zusätzlich werden die Abhängigkeiten zur bestehenden IT-Architektur analysiert, um potenzielle Auswirkungen auf die Inte-gration neuer Systeme zu identifizieren und mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen.
Die umfassende Analyse des Projektumfelds und der Machbarkeit führt zu unterschiedlichen Rollout-Ansätzen. Beispielsweise ermöglicht ein Phased Rollout eine schrittweise Einführung, die auf den Ergebnissen der Organisationsanalyse basiert. Dieses Vorgehen fördert die Nutzerakzeptanz und erlaubt es, während der Implementierung auf Feedback zu reagieren und Anpassungen vorzunehmen. Letztlich ist die Wahl über den Rollout-Ansatz entscheidend, um eine erfolgreiche Integration zu gewährleisten und die langfristige Akzeptanz neuer IT-Systeme innerhalb der Organisation zu sichern.
Die jeweiligen Stärken und Schwächen der Ansätze werden dabei abgewogen, um auf der Grundlage der spezifischen Anforderungen des Projekts eine fundierte Entscheidung treffen zu können.
Der Phased Rollout minimiert Risiken durch eine schrittweise Implementierung, die es ermöglicht, aus den vorherigen Phasen zu lernen und Anpassungen vorzunehmen. Dieses Verfahren erlaubt eine kontrollierte Implementierung und effizientere Ressourcennutzung. Zu den Nachteilen zählen eine längere Projektdauer, gesteigerter Kommunikationsbedarf sowie ein notwendiger Parallelbetrieb der alten Infrastruktur, was zu höheren Kosten führen kann.
Im Gegensatz dazu bietet der Big Bang-Ansatz eine schnelle und oft kostengünstigere Lösung, bei der alle Nutzer gleichzeitig auf die neuen Funktionen zugreifen können. Dadurch können Datenverluste zwischen Migrationswellen vermieden und Schulungs- und Supportmaßnahmen vereinfacht eingesetzt werden. Dieser Ansatz birgt jedoch die Gefahr späterer Anpassungsschwierigkeiten, weshalb umfangreiche Tests vorausgehen sollten. Der Big Bang setzt auf Geschwindigkeit, der Phased Rollout auf Sicherheit und Flexibilität. Die Entscheidung für einen der beiden Ansätze hängt von der PMI-Strategie und Risikobereitschaft des jeweiligen Unternehmens ab.
Continuous Delivery ermöglicht eine konstante Auslieferungsgeschwindigkeit, kontinuierliche Tests und ein geringeres Ausfallrisiko. Nutzererfahrungen können berücksichtigt und Probleme vor der nächsten Iteration behoben werden.
Herausforderungen der Continuous Delivery sind die komplexe Koordination innerhalb des Prozesses, die hohen Anforderungen an das Testing sowie ein erhöhter Aufwand für kontinuierliche Überwachung und fortwährenden Support.
Der Pull Rollout ermöglicht es Nutzern, eigenständig zu bestimmen, wann ein Rollout-Paket eingeführt wird. Dieser kundenorientierte Ansatz steigert die Akzeptanzrate, eignet sich jedoch nicht für verpflichtende Implementierungen, da der konkrete Umsetzungszeitraum schwer vorherzusagen ist.
Die Wahl des passenden Rollout-Verfahrens erfordert daher eine gründliche Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile, um den spezifischen Anforderungen eines Unternehmens gerecht zu werden und eine effektive Umsetzung zu gewährleisten. Unabhängig vom gewählten Rollout-Ansatz ist eine intensive Testphase vor der Bereitstellung des jeweiligen Rollout-Pakets unerlässlich. Potenzielle Änderungen, die während des Rollouts am Produkt vorgenommen werden, müssen erneut getestet werden, bevor sie standardisiert eingeführt werden.
Eine Kombination verschiedener Ansätze ist ebenso möglich. Beispielsweise könnten technische Vorbereitungen in verschiedenen Abteilungen oder Ländern phasenweise umgesetzt werden, bevor eine Kommunikationssoftware im Rahmen einer stringenten Continuous Delivery auf eine Vielzahl von Geräten ausgerollt wird. Wichtig ist, dass es keinen One-Size-Fits-All-Ansatz gibt, der alle Bedarfe abdeckt. Vielmehr sind individuelle Gegebenheiten hinsichtlich Kultur, Nutzerakzeptanz und Kommunikationsbedarf beider Unternehmen zu berücksichtigen.
Aus der Perspektive der Mitarbeitenden sind begleitende Change-Maßnahmen essenziell. Dies gilt unabhängig vom gewählten Rollout-Ansatz. Eine sorgfältige Identifikation der Auswirkungen auf die Nutzer und die Entwicklung einer überzeugenden Change Story bilden die Grundlage. Zu den Maßnahmen gehören zielgerichtete Schulungen, durchdachte Kommunikationsstrategien und fortlaufende Unterstützung, um einen reibungslosen Übergang für alle Beteiligten zu gewährleisten. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf dem Erlernen neuer Prozesse und Technologien, sondern auch auf deren nachhaltiger Integration in den Arbeitsalltag.
Nicht zuletzt erfordert der Rollout aufgrund der Vielzahl komplexer und interagierender Elemente eine sorgfältige Planung und Koordination. Eine effektive Methodik orchestriert Anforderungen, koordiniert Arbeitspakete und stellt sicher, dass das M&A-Ziel stets im Fokus bleibt.
5. Fazit
In einer Welt, in der fusionierende Unternehmen zunehmend auf Standardisierung und Shared-Plattformen setzen, ist die Wahl der richtigen Rollout-Methoden ein Game-Changer in Post-Merger-Integrationen. Um den Herausforderungen der digitalen Transformation gerecht zu werden, braucht es nicht nur eine agile, sondern auch eine zukunftsorientierte IT-Infrastruktur, die flexibel auf Veränderungen reagiert. Skalierbare Rollout-Ansätze sind der Schlüssel, um IT-Harmonisierung voranzutreiben und sowohl kurzfristige Synergien als auch langfristige Integrationserfolge zu erzielen. Die Entscheidung für Strategien wie Big Bang, Continuous Delivery, Pull oder Phasen-Rollout sollte auf einer tiefgehenden organisatorischen und technischen Analyse basieren.
Ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Stakeholder aktiv einbindet, ist unerlässlich für einen reibungslosen Übergang in die neue Organisation. Letztlich geht es darum, die komplexen Wechselwirkungen im Integrationsprozess geschickt zu steuern und dabei ein Umfeld zu schaffen, in dem Veränderung nicht nur möglich, sondern auch willkommen ist.