26.08.2020 | Prof. Dr. Christoph Schalast

Börsengänge in Corona-Zeiten

Standpunkt

Jedes Jahr im August findet im Rahmen des M&A-Studiengangs der Frankfurt School das Modul Börsengänge/IPO statt. Und oft musste ich mich in den vergangenen Jahren der Diskussion stellen, ob dieses Modul – insbesondere angesichts der spärlichen Anzahl von Börsengängen in Deutschland – nicht durch ein aktuelleres Thema wie M&A und Blockchain ausgetauscht werden sollte. Doch – und das ist etwas überraschend – im Jahr 2020, im „Jahr der Maske“, taucht diese Frage nicht mehr auf. Was sind die Gründe dafür?

Zunächst einmal haben sich die Börsen weltweit, nicht zuletzt aber die Technologiewerte mit Apple ganz weit vorne, blendend entwickelt, und auch die übrigen Indices haben sich durchwegs wieder erholt. Dagegen konnten auch Rückschläge wie Wirecard nicht viel ausrichten.

Hinzukommt, dass es spannende Börsengänge in der Corona-Zeit gab, die gut gelungen sind. Zu nennen ist hier etwa das IPO von Brockhaus Capital Management im Prime Standard der Frankfurter Börse. Börsengelistete Private-Equity-Investoren gibt es schon länger, in Deutschland vor allem die DBAG, doch dass ein solcher in Zeiten von Corona nicht abgesagt wird, entsendet zwei positive Signale: Private Equity, insbesondere mit Mittelstands- und Tech-Fokus wie ihn Brockhaus verfolgt, ist weiter spannend, und Börsengänge mit einer guten Story können gelingen. Weiter zeigt sich aber auch, dass man die Börse und den Standard gut auswählen sollte. Das beste Beispiel hierfür ist der in die Schlagzeilen geratene deutsche Impfstoffentwickler Curevac. Ihn hat es nicht an eine nationale Börse, sondern an die NASDAQ gezogen, und dies ebenfalls mit großem Erfolg. Vielleicht ein überraschender Schritt, nicht zuletzt angesichts des starken Engagements des Bundes, der aber dadurch ein exzellentes Geschäft gemacht hat, was man von den anderen Staatsbeteiligungen, wie etwa Commerzbank, bisher ja nicht sagen kann.

Dabei wären für einen Emittenten wie Curevac alle attraktiven Börsenplätze von Asien, Europa bis eben in den USA in Frage gekommen, denn ein COVID-9 Impfstoff und auch die anderen innovativen Medikamente, die derzeit in Tübingen entwickelt werden, haben keinen nationalen Footprint. Hinzu kommt, dass in den USA sehr viel mehr Wagniskapital nach Anlagechancen sucht, sei es in Form von Family Offices erfolgreicher Silicon-Valley-Unternehmer, sei es in Form von milliardenschweren VC-Fonds. Deutschland bemüht sich zwar, hier aufzuschließen, ist aber weiter meilenweit entfernt, und es gibt leider nicht viele Dietmar Hopps hier, ganz abgesehen davon, dass dieser sich auch noch Anfeindungen aussetzen muss.

In den USA kommt dann noch das Urvertrauen in erfolgreiche Unternehmer hinzu, denn nur dies hat es möglich gemacht, dass Special Purpose Acquisition Vehicles erfolgreich an die Börse gehen konnten, ohne dass dahinter irgendwelche Assets liegen würden, es reicht ein guter Name, wie etwa Richard Branson.

Doch auch für Deutschland gibt es derzeit wichtige positive Signale. Ein weltweiter Trend ist die Tokenisierung von Aktien, und dabei versuchen wir, eine Führungsposition einzunehmen. Gerade eben wurde der Referentenentwurf zur Einführung elektronischer Wertpapiere vorgelegt, der nun sowohl von Experten wie auch einer breiten Fachöffentlichkeit intensiv diskutiert wird. Auch wenn es im ersten Schritt nur um Inhaberschuldverschreibungen geht, ist die Ausweitung auf elektronische Aktien nur eine Frage von (kurzer) Zeit. Wenn es Deutschland und anderen europäischen Börsenplätzen gelingt, jetzt eine Führungsrolle zu übernehmen, dann wird schon kurzfristig sowohl der Exit über die Börse wie auch das „Geldeinsammeln“ für Forschung und Wachstum sehr viel besser gelingen als in der Vergangenheit, und dies auch bei mittelständisch geprägten Unternehmen, für die Deutschland steht.

In Corona-Zeiten werden also die Karten neu gemischt.

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Autor
Prof. Dr. Christoph Schalast

Prof. Dr. Christoph Schalast, Rechtsanwalt und Notar, ist Managing Partner von Schalast LAW | TAX, akademischer Direktor des M&A Master-Studiengangs (LL.M.) der Frankfurt School of Finance & Management sowie Herausgeber der M&A Review.

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