Der Erwerb von Gesundheitseinrichtungen und Arztpraxen durch Investoren – Praxiskaufverträge effizient gestalten
Kaum ein Thema im Health Care-Bereich wird in Politik und Öffentlichkeit kontroverser diskutiert: Die Übernahme von Gesundheitseinrichtungen und Arztpraxen durch Investoren. Ein Marktausblick und Vorschläge zur Vertragsgestaltung von Praxiskaufverträgen.
1. Marktausblick
Bereits vor zehn Jahren ermöglichten rechtliche Änderungen die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Daraufhin entwickelten Investoren eine stetig steigende Präsenz im ambulanten Gesundheitsmarkt, da aufgrund der Verlagerung originär stationärer (Krankenhaus-) Leistungen in die ambulante Versorgung nachhaltiges Wachstum und stabile Renditen winken.
Die Corona-Pandemie war für viele Gesundheitseinrichtungen ein Einschnitt, und auch die Investoren hatten mit der Pandemie zu kämpfen. Strategische, aber auch PE-Investoren stoppten den Ankauf weiterer Arztpraxen und konzentrierten sich zunächst darauf, die eigene bis dahin aufgebaute MVZ-Struktur zu konsolidieren und mit Eigenmitteln zu stärken. Der Krieg in der Ukraine und die eingetretene Zinsentwicklung führten zu einer allgemeinen Transaktionszurückhaltung bei der von den MVZ-Gruppen verfolgten Buy-and-build-Strategie.
Trotz Pandemie, Krieg und schwächelnder Wirtschaftslage kommt nun wieder Dynamik in den ambulanten Gesundheitsmarkt. Treiber ist vor allem eine veränderte Preispolitik für Arztpraxen: Wurden zu Beginn der Deregulierung im Gesundheitsmarkt für sehr gute Arztpraxen noch teilweise acht- bis zwölffache EBIT-Multiples von Investoren gezahlt (in Einzelfällen auch mehr), so sind diese Multiplikatoren erheblich gesunken.
Zu einer Marktaufhellung hat auch beigetragen, dass von den gesetzgeberischen Bestrebungen, Investoren aus dem Gesundheitsmarkt herauszudrängen, kaum mehr etwas zu hören ist. Ursprünglich umfassten die Regulierungsideen beispielsweise die Einführung eines MVZ-Transparenzregisters, die räumliche Beschränkung der Gründung von MVZ auf einen bestimmten Radius rund um das Trägerkrankenhaus (beispielsweise 50 km), das Erfordernis eines fachlichen Bezugs des Krankenhauses zu dessen MVZ, der Wegfall der Möglichkeit des Verzichts zugunsten der Anstellung im MVZ bis hin zur Begrenzung von Marktanteilen. Ob aus der Vielzahl an politisch diskutierten Maßnahmen zur weiteren Regulierung nach dem Ampel-Aus überhaupt noch etwas übrigbleibt und was in geltendes Recht gegossen wird, bleibt abzuwarten. Die Stimmen mehren sich jedoch, die eine solch weitgehende Regulierung des Marktes für teilweise verfassungswidrig erachten.
Dem ambulanten Gesundheitsmarkt steht in dieser Dekade eine dramatische demographische Entwicklung bevor, da fast drei Viertel der Arztpraxen von Ärzten betrieben werden, die in wenigen Jahren aus ihrem Beruf ausscheiden. Ob genügend junge Ärzte diese Veränderung auffangen werden, muss vorsichtig bezweifelt werden. Bei vielen jungen Ärzten besteht eher der Wunsch nach einer Teilzeitbeschäftigung, und auch das mit einer Praxisübernahme verbundene unternehmerische Risiko wird oftmals als wenig attraktiv empfunden.
Der angestellte Arzt mit einer geregelten Wochenarbeitszeit liegt bei den Medizinern im Trend, weswegen institutionelle Investoren den demographischen Wandel konstruktiv begleiten und sogar eine zentrale Funktion einnehmen können: Sie stellen die (MVZ-)Strukturen zur Verfügung und nehmen die notwendigen Investitionen vor, sodass sich angestellte Ärzte primär auf die medizinische Behandlung der Patienten konzentrieren können.
2. Fallstricke bei der Vertragsgestaltung von Praxiskaufverträgen
Der Markteintritt von Investoren hat naturgemäß auch Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung. In der Vergangenheit waren Praxiskaufverträge meist sehr knappgehalten und sind ohne ausführliche Gewährleistungskataloge ausgekommen. In Kaufverträgen, an denen ein strategischer oder PE-Investor beteiligt ist, finden sich hingegen Regelungen, die dem ansonsten in M&A-Transaktionen üblichen Standard folgen und daher – insbesondere was die Absicherung über einen Garantiekatalog angeht – ausführlich ausgestaltet sind.
In der Gestaltungspraxis sind meist Asset-Deal-Verträge anzutreffen, wodurch sämtliche materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgüter der Arztpraxis im Wege der Einzelrechtsnachfolge vom Käufer übernommen werden. Dies hat gerade für den Käufer rechtliche und steuerliche Vorteile. Soweit eine Arztpraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder GmbH betrieben wird, wäre der Erwerb auch über einen Share-Deal gestaltbar.
Mit der nachfolgenden, keineswegs erschöpfenden Übersicht sollen einige der typischen Herausforderungen eines Praxiskaufvertrags angerissen werden, mit denen Berater beim Verkauf von Arztpraxen regelmäßig konfrontiert werden.
Fallstrick 1: Formbedürftigkeit des Praxiskaufvertrags, familienrechtliche Zustimmungserfordernisse
Ein besonderes Formerfordernis besteht für Praxiskaufverträge grundsätzlich nicht, sofern mit der Vertragsarztpraxis nicht eine Immobilie oder ein GmbH-Geschäftsanteil veräußert wird, was in der Gestaltungspraxis eher die Ausnahme darstellt.
Die Annahme, dass der Praxiskaufvertrag in der Regel privatschriftlich geschlossen werden kann, übersieht zuweilen eine zentrale Formvorschrift, die zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags ohne Heilungsmöglichkeit führen kann. Dies führt insbesondere für die veräußernden Ärzte zu kaum beherrschbaren Risiken, da die vertragsarztrechtliche Übertragung ihrer Kassenarztzulassung wirksam bleibt.
Immer dann, wenn es sich bei dem Verkauf der Arztpraxis um das gegenwärtige Vermögen des Praxisverkäufers oder einen Bruchteil seines gegenwärtigen Vermögens handelt, ist gemäß § 311b Abs. 3 BGB eine notarielle Beurkundung des Praxiskaufvertrags denkbar. Erfasst werden Verträge, die eine Verpflichtung zur Übertragung des Vermögens als Ganzes zum Gegenstand haben, also solche, mit denen das Vermögen des Verpflichteten in „Bausch und Bogen“ übertragen wird. Nicht unter die Regelung im § 311b Abs. 3 BGB fallen solche Gestaltungen, in denen die zu übertragenden Vermögensgegenstände konkret bezeichnet sind.
Begründet wird der Beurkundungszwang damit, dass der Verpflichtete davor geschützt sein solle, sein Vermögen „auf einen Schlag“ wegzugeben. Sind die einzelnen Vermögensgegenstände hingegen konkret aufgeführt, werde dem Verpflichteten bewusst, dass er sich dieser Gegenstände entledige, ohne dass es hierzu des Schutzes durch das notarielle Beurkundungserfordernis bedürfe. Vermögen im Sinne dieser Regelung meint lediglich das Aktivvermögen, ob gleichzeitig auch Verbindlichkeiten übertragen werden, ist ohne Belang.
Die Regelung des § 311b Abs. 3 BGB ist nach ganz herrschender Meinung unterschiedslos auf natürliche wie auf juristische Personen anzuwenden. Ebenso unterschiedslos wird die Bestimmung auf Kaufleute und Nichtkaufleute gleichermaßen angewandt.
Nach dem Willen des Gesetzgebers entfällt die Formbedürftigkeit also immer dann, wenn die zu übertragenden Vermögensgegenstände einzeln und lückenlos im Vertrag oder in dessen Anlagen aufgeführt werden. Vorsicht ist immer dann geboten, wenn im Vertrag mit Auffangregelungen oder sogenannten Catch-All-Klauseln gearbeitet wird, nach denen auch alle nicht im Vertrag aufgelisteten Vermögensgegenstände von der Übertragungs-
verpflichtung erfasst werden sollen, um vergessene Gegenstände in die Übertragung einzubeziehen.
Eine solche Regelung entspricht nach der Rechtsprechung des BGH dem Begriff „in Bausch und Bogen“ und würde somit den Vertrag formbedürftig machen, weswegen dem umsichtigen Berater hier zu größtmöglicher Sensibilität und im Zweifel zur notariellen Beurkundung zu raten ist.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass bei verheirateten Praxisverkäufern familienrechtliche Zustimmungserfordernisse gemäß § 1365 BGB oder § 1423 BGB ggf. §§ 6, 7 Lebenspartnerschaftsgesetz relevant sein können.
Fallstrick 2: Verzahnung Zivilrecht mit Vertragsarztrecht
Als potenzielle Erwerber einer Vertragsarztpraxis kommen grundsätzlich (nur) andere Ärzte oder Träger von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in Betracht. Der Praxiskäufer hat in der Regel nur Interesse an der Vertragsarztpraxis, wenn mit den materiellen Praxisgegenständen auch die Vertragsarztzulassung beziehungsweise die genehmigten Arztstellen auf den Praxiskäufer übergehen. Das vertragsärztliche Nachbesetzungsverfahren oder, bei der Strukturierung der Transaktion über ein zu gründendes MVZ, das Zulassungsverfahren nebst Anstellungsgenehmigung ist eine wesentliche Hürde der Transaktion.
Daher sind Regelungen zur Verzahnung des zivilrechtlichen Kauf- und Übertragungsvertrags mit der vertragsarztrechtlichen Regulatorik notwendig, da das Verfahren zur Übertragung der Kassenarztzulassung völlig eigenständig vorzubereiten und zu begleiten ist. Es sind gegenseitige Mitwirkungspflichten der Parteien zu etablieren und der Vollzug des Vertrags über aufschiebende Bedingungen auszusteuern.
Bei dem Erwerb einer Vertragsarztpraxis ist in der Regel die bestandskräftige Entscheidung des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung über die Nachbesetzung des Käufers oder – bei der Strukturierung über ein zu gründendes MVZ – die bestandskräftige Zulassung des Käufer-MVZ am konkreten Sitz der Praxis sowie die Bestandskraft des vom Praxisverkäufer auszuübenden Verzichts gegen Anstellung notwendig.
Zudem ist zu beachten, dass die Zulassungsausschüsse für die notwendigen Entscheidungen teilweise mehrere Monate Vorlauf benötigen und auch die Absetzung der Bescheide teilweise nur mit erheblichem Zeitversatz erfolgt. Für den Fall, dass sich bei den regulatorischen Maßnahmen Friktionen ergeben sollten, sollte der Praxiskaufvertrag unbedingt ein Long-Stop-Date mit entsprechenden Rücktrittsrechten vorsehen.
Fallstrick 3: Vertragsgegenstand und Übertragung des Mietvertrags über die Praxisräume
Der Käufer will die wesentlichen Vermögensgegenstände und Rechtspositionen der Vertragsarztpraxis erwerben. Der Vertragsgegenstand umfasst demgemäß die materiellen und immateriellen Vermögenswerte der Praxis, welche unter Beachtung des geltenden sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes zu bezeichnen sind. Zu beachten ist, dass die isolierte Veräußerung der Vertragsarztzulassung nicht möglich ist, da dies einen unzulässigen Konzessionshandel darstellen und zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen würde.
Neben der Nennung der einzelnen Vermögensgegenstände und Rechtspositionen muss zudem die Praxisadresse genau angegeben und die Übertragung des Mietvertrags über die Praxisräume sichergestellt werden. Dies ist vor allem bei Arztpraxen wichtig, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Hintergrund ist, dass der Zulassungsausschuss eine (Vertrags-) Arztpraxis hausnummerngenau erfasst und zulässt. Kommt es nun aufgrund der Übertragung zu einer Abweichung und nimmt der Vertragsarzt nicht genau an der im Zulassungsbeschluss genannten Adresse seine ärztliche Tätigkeit auf, so droht ihm der Entzug der Vertragsarztzulassung. Soll eine Änderung der Praxisräume erfolgen, ist die Verlegung des Sitzes der Praxis durch den Zulassungsausschuss vorher zu genehmigen. Eine solche Verlegung des Vertragsarztsitzes wird jedoch nur genehmigt, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.
Daher sollte sich die Due Diligence insbesondere auch auf die Wirksamkeit des Mietvertrags beziehen, und der Praxiskaufvertrag muss Regelungen zur Übertragung des Mietvertrags auf den Käufer vorsehen, welche am besten über aufschiebende Bedingungen rechtlich abzusichern sind.
Hierbei ist zu beachten, dass der Vermieter der Praxisräumlichkeiten der Nutzung der Praxisräume oder der Übertragung des Mietvertrags zustimmen muss. Um etwaige Risiken aus dem bestehenden Mietvertrag, beispielsweise einer vorzeitigen Kündbarkeit wegen Verstößen gegen das strenge Schriftformgebot des § 550 BGB, nicht übernehmen zu müssen, empfiehlt sich der Abschluss eines neuen, eigenständigen Mietvertrags zwischen dem Vermieter und dem Praxiserwerber unter Beendigung des Alt-Mietvertrags des Praxisverkäufers.
Fallstrick 4: Datenschutz bei der Übergabe der Patientenkartei
Die Patientenkartei und der dahinterstehende Patientenstamm gehören zu den wichtigsten immateriellen wertbildenden Faktoren einer Arztpraxis und sind für den Übernehmer besonders wichtig.
Die rechtskonforme Übergabe der Patientenkartei bereitet in der Praxis zuweilen Schwierigkeiten, da nach gefestigter Rechtsprechung des BGH der Patient in „eindeutiger und unmissverständlicher Weise“ in die Weitergabe seiner Patientenakte an den Praxiserwerber einwilligen muss. Eine vertragliche Bestimmung, die den Verkäufer auch ohne Einwilligung der betroffenen Patienten verpflichtet, die Patientenkartei zu übergeben, verletzt das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten und damit die ärztliche Schweigepflicht. Zudem ist sie wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, § 134 BGB.
Nach Art. 9 Abs. 2 lit. a) DSGVO bedarf es einer ausdrücklichen Einwilligung, was nicht unbedingt die Einhaltung der Schriftform erforderlich macht. Im Hinblick auf die Rechenschaftspflicht des Art. 5 Abs. 2 DSGVO ist den Beteiligten jedoch dringend zu empfehlen, sich nicht auf die früher übliche konkludente Einwilligung durch einfaches Erscheinen zur Weiterbehandlung zu verlassen, sondern gleichwohl eine schriftliche Einwilligungserklärung einzuholen.
In der Gestaltungspraxis hat sich das sogenannte „Zwei-Schrank-Modell“ der „Münchner Empfehlungen zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht bei Veräußerung einer Arztpraxis“ durchgesetzt. Danach übergibt der Praxisverkäufer dem Erwerber den geschlossenen Aktenschrank mit den gesamten Behandlungsunterlagen, an denen der Veräußerer das Eigentum behält. Die Vertragsparteien vereinbaren darüber hinaus einen Verwahrungsvertrag, in dem sich der Erwerber verpflichtet, die Patientenakten für den Verkäufer zu verwahren und nur für den Fall Zugriff auf einzelne Patientenakten zu nehmen, wenn ein früherer Patient ihn zum Zwecke der Behandlung aufsucht und seine Einwilligung erklärt. Handelt es sich um eine digitale Patientenakte, so muss der alte Datenbestand gesperrt und durch ein Passwort geschützt werden. Das Eigentum an den Unterlagen eines Patienten geht mit dessen Einwilligung zur Nutzung der Altkartei auf den Erwerber über. Der Verkäufer erhält nach dem Zwei-Schrank-Modell zudem einen Zweitschlüssel zum Patientenaktenschrank und das Recht, nach Voranmeldung eine Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwahrung durchführen zu dürfen.
Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung muss das „Zwei-Schrank-Modell“ in die digitalisierte Welt übertragen und angepasst werden. Hierbei wird oftmals über den Softwareanbieter eine Sperrung der elektronischen Patientendatei vorgenommen. Der individuelle Zugriff auf die jeweilige Patientenakte erfolgt nach dokumentierter Patientenzustimmung.
Es wird vertreten, dass es nach der DSGVO möglicherweise nicht ausreichen könnte, die Vereinbarung des „Zwei-Schrank-Modells“ nur im Praxiskaufvertrag aufzunehmen, weswegen ein zusätzlicher Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung abgeschlossen werden sollte. „Auftragsverarbeiter“ ist gemäß Art. 4 Ziffer 8 DSGVO jede natürliche oder juristische Person, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet. Bewahrt der Übernehmer die Akten in den Praxisräumen auf bzw. speichert er diese auf den Praxiscomputern spricht insoweit vieles dafür, eine Auftragsdatenverarbeitung anzunehmen, auch wenn der Praxiserwerber ohne Schrankschlüssel oder Passwort für die Datei gerade keinen Zugriff auf die Daten erhalten soll. Da auch weiterhin der abgebende Arzt Verantwortlicher ist, ist der Erwerber insoweit weisungsabhängig.
Jedenfalls aus Gründen anwaltlicher Vorsicht wird man insoweit den Abschluss (auch) eines Auftragsdatenverarbeitungsvertrages, der den Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 DSGVO zu genügen hat und gemäß Art. 28 Abs. 9 DSGVO der Schriftform bedarf, empfehlen müssen.
Fallstrick 5: Variabler Kaufpreis und Incentivierung des abgebenden Arztes
Wie bereits erläutert, ist es in den vergangenen Jahren zu einer Konsolidierung der am Gesundheitsmarkt zu zahlenden Kaufpreise gekommen. Dass die Preise wieder in Sphären steigen werden wie vor der Pandemie, ist eher nicht zu erwarten, steht doch in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Arztpraxen vor der Nachfolge, weil der Praxisinhaber altersbedingt ausscheidet.
Dennoch werden von Investoren für ertragsstarke und auch ansonsten gut aufgestellte Arztpraxen auch künftig gute Kaufpreise mit Faktoren grob zwischen drei und fünf gezahlt werden, welche damit höher liegen dürften als beim klassischen Praxisverkauf an den ärztlichen Kollegen.
Der Kaufpreis setzt sich aus einem materiellen und einem immateriellen Anteil, auch Goodwill genannt, zusammen. Steuerlich hat dies vor allem Auswirkung auf die Abschreibung der erworbenen Wirtschaftsgüter. Für den immateriellen Praxisanteil, der etwa den Patientenstamm beinhaltet, beträgt die Abschreibungsdauer bei Einzelpraxen in der Regel zwischen drei und fünf Jahren und bei Gemeinschaftspraxen zwischen sechs und zehn Jahren.
Vielfach ist man dazu übergegangen, mit dem Praxisverkäufer einen fixen und einen variablen Kaufpreisanteil zu vereinbaren. Hier besteht die Herausforderung, eine passende Aufteilung dieser Kaufpreisbestandteile vorzunehmen. Wenn sich die Parteien auf eine solche Aufteilung verständigt haben, ist unbedingt darauf zu achten, dass die Voraussetzungen, unter denen der Praxisverkäufer, der bei Verzicht gegen Anstellung in der Regel noch mindestens drei Jahre als angestellter Arzt beim Käufer angestellt bleibt, transparent und messbar definiert sind. Hier können sich die Parteien auf bilanzielle Kennzahlen verständigen, oder man stellt auf das Erreichen strategischer Meilensteine oder Know-how-Transfer in die MVZ-Gruppe ab. Wichtig ist insbesondere, dass die variablen Kaufpreisbestandteile marktgerecht sind und eine hinreichende Incentivierung ermöglichen. Dem Berater obliegt es hier, maßgeschneiderte und transparente Lösungen unter Beachtung der geltenden berufsrechtlichen Restriktionen (Wirtschaftlichkeitsgebot, Wahrung der medizinischen Unabhängigkeit usw.) abzubilden, die den Arzt trotz Erhalt des fixen Kaufpreises weiterhin motiviert und Anreize schafft.
3. Ausblick und Fazit
Fachkräftemangel, demographische Entwicklung, Digitalisierung, Kostendruck und die fortschreitende Ambulantisierung der ärztlichen Behandlung werden zu dramatischen Veränderungen im Gesundheitsmarkt führen. Die ambulante Versorgung braucht starke Partner, um diesen Strukturwandel zu begleiten.
Der Markteintritt von Investoren hat die Vertragsgestaltung verändert. In der Regel erfolgt eine Praxisübernahme, also der Erwerb des materiellen und immateriellen Vermögens, im Wege von schriftlichen Asset-Deal-Verträgen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Praxisgegenstände nicht konkret aufgeführt sind oder Catch-All-Klauseln verwendet werden. Je nach Formulierung kann hier eine Beurkundungspflicht gemäß § 311b Abs. 3 BGB entstehen. Da der Erwerber ein hohes Interesse an der Vertragsarztzulassung des Verkäufers hat, müssen hierfür komplexe rechtliche Mechanismen aufgenommen und ein sozialrechtliches Nachbesetzungsverfahren oder eine MVZ-Gründung mit Verzicht auf die Vertragsarztzulassung gegen Anstellung durchgeführt werden. Besonderes Augenmerk ist auf die Übernahme des Mietvertrags der Arztpraxis zu legen, da die Vertragsarztzulassung nur für die konkrete Praxisniederlassung gewährt wird. Die Übergabe der Patientenkartei folgt dem sogenannten „Zwei-Schrank-Modell“, was die Zustimmung der Patienten und aus Gründen der Vorsicht einen Auftragsdatenverarbeitungsvertrag erforderlich macht. Auch wenn sich die Kaufpreise in letzter Zeit konsolidiert haben, ist eine transparente Aufteilung zwischen fixem und variablem Kaufpreisanteil notwendig. Die variablen Kaufpreisbestandteile sind so auszugestalten, dass sie unter Beachtung der berufsrechtlichen Beschränkungen dennoch motivierend wirken und Anreize schaffen.