30.10.2023 | Dr. Edelbert Häfele

Eis am Stiel! Finanzierung von Unternehmenstransaktionen mittels Patenten

Das erste Eis am Stiel war ein Zufallsprodukt: Der Amerikaner Frank W. Epperson soll als Elfjähriger in einer kalten Nacht 1905 in Kalifornien ein Brausegetränk mit Rührstab im Freien vergessen haben. Über Nacht sei die Flüssigkeit um den Stiel gefroren.

Standpunkt

Das erste Eis am Stiel war ein Zufallsprodukt: Der Amerikaner Frank W. Epperson soll als Elfjähriger in einer kalten Nacht 1905 in Kalifornien ein Brausegetränk mit Rührstab im Freien vergessen haben. Über Nacht sei die Flüssigkeit um den Stiel gefroren. Die Idee des Eis am Stiel war geboren. Doch Epperson war später nicht der erste, der ein Patent für die Herstellung von „Eis zum Mitnehmen“ anmeldete. Der amerikanische Konditor Harry B. Burt kam ihm am 9. Oktober 1923 zuvor. Sein mit Schokolade überzogenes Eis „Good Humor Bar“ sollte überall die gleichen Zutaten und den gleichen Geschmack haben. Deshalb meldete Burt Anfang 1922 Patente für das Verfahren, den Herstellungsapparat und das Produkt an. Am 9. Oktober 1923 erhielt er das Patent für das Verfahren und die Maschinen. Das Produkt selbst wurde jedoch nie patentiert. Burt beanspruchte jedoch das Eigentum an allen Formen von gefrorenen Süßwaren am Stiel. In der Juni-Ausgabe 1925 der Fachzeitschrift „The Ice Cream Review“ behauptete Burt, er sei „allen anderen Patenten um viele Monate voraus“. Und der Konditor aus Ohio warnt: „Unsere Lizenzgebühren sind niedrig, viel niedriger als die Kosten eines Rechtsstreits, den ein Patentverletzer führen würde.“ 

Diese Geschichte ist heute so aktuell wie vor 100 Jahren. Denn Patente können als stille Reserven bei Unternehmenskäufen eine wichtige Rolle spielen. Stille Reserven sind Vermögenswerte, deren tatsächlicher Wert oft höher ist als ihr bilanzieller Wert in den Büchern des Unternehmens. Patente sind ein solcher Vermögenswert, der häufig unterschätzt wird. Dies gilt umso mehr, als die klassische Unternehmensfinanzierung, sei es bei Transaktionen oder bei Expansionsfinanzierungen, zunehmend an ihre Grenzen stößt. Klassische bilanzielle Sicherheiten wie Maschinen und Anlagen, Grundstücke und Gebäude fehlen zunehmend. Je digitaler die Unternehmen sind, desto geringer sind die bilanziell sichtbaren, materiellen Vermögenswerte: Dennoch sind gerade die Werte/Kaufpreise dieser digital gut aufgestellten Unternehmen stark gestiegen. Ein Widerspruch?  

Studien von KPMG und PwC haben es schon vor Jahren gezeigt: Die immateriellen Werte, die sogenannten „stillen Reserven“, sind die Werttreiber bei der Unternehmensbewertung und schlagen sich in einer hohen Bewertung des Goodwill mit bis zu 70% des Unternehmenswertes nieder. Dabei kommt der IP-Bewertung, wie sie im IDW S5 beschrieben ist, eine besondere Bedeutung zu. Werthaltiges IP zahlt sich in barer Münze aus. Umgekehrt schützt die IP-Bewertung vor überteuerten Unternehmenskäufen und ist damit auch Teil des M&A-Risikomanagements. Es ist zu beobachten, dass werthaltige IP-Assets bereits heute in verschiedenen Szenarien zur Wertsteigerung von Unternehmen eingesetzt werden: 

Finanzierung von FuE-Projekten: FuE-Projekte können heute in vielen Fällen durch öffentliche Fördermittel anteilig finanziert werden. Der Nachweis von werthaltigen IP Assets, die diesem Projekt zugeordnet werden können, verbessert die Chancen der Antragstellung hinsichtlich Förderhöhe und Bewilligungswahrscheinlichkeit deutlich.  

Finanzierung von New Business: Die Erschließung neuer Geschäftsfelder erfordert häufig die Finanzierung durch Eigenkapital oder vergleichbare Finanzmittel. Für einige Kapitalgeber ist aber auch der Schatz der stillen Reserven von Bedeutung und gewinnt zunehmend an Relevanz.  

Finanzierung von Transaktionen: Beim Kauf eines Unternehmens müssen zum Teil hohe Aufwendungen für den Goodwill getätigt werden. Auch klassische Partner in der Unternehmensfinanzierung bieten daher zunehmend leasingähnliche Finanzierungsformen an. Bewertete Markenrechte, bewertete Patente und Patentanmeldungen sind dabei Gegenstand der jeweiligen Finanzierungstransaktion.  

Mit KI-basierten Methoden sind IP-Werte für eine anerkannte und transparente Bewertung dieser Assets nun gut zugänglich geworden. Auch finden sich nun namhafte Broker bzw. Versicherer, welche diese IP Werte versichern. 

Dr. Edelbert Häfele
Autor
Dr. Edelbert Häfele

Dr. Edelbert Häfele ist Chemieingenieur und promovierte in der Verfahrenstechnik.
Nach einer Karriere in der mittelständischen Industrie leitet er seit 2001 die PATEV – ein Expertenhaus für IP-Bewertung und Innovation Intelligence. Er ist Mitglied in zahlreichen Verbänden und seit vielen Jahren im Ranking der Zeitschrift IAM „The World‘s Leading IP Strategists“ gelistet. Bei der IHK München ist er „öffentlich
bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von gewerblichen Schutzrechten“.

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