Industrie und Automotive: Ein Comeback für das Dealmaking in DACH 2024?
Die M&A-Aktivitäten in EMEA sind langsamer in dieses Jahr gestartet als 2022 und 2023. Die Zahlen für 2024 sind jedoch vielversprechend: Obwohl das Volumen im ersten Halbjahr 14% unter dem Vorjahr lag, stieg der Wert der Transaktionen um 30,6%.
Die M&A-Aktivitäten in EMEA sind langsamer in dieses Jahr gestartet als 2022 und 2023. Die Zahlen für 2024 sind jedoch vielversprechend: Obwohl das Volumen im ersten Halbjahr 14% unter dem Vorjahr lag, stieg der Wert der Transaktionen um 30,6%.
Kapital wird in einem angemessenen Maß eingesetzt, wobei die Zahl der großen Deals deutlich zugenommen hat. Das deutet auf eine strategische Neuausrichtung einiger Käufer hin: Viele von ihnen nutzen die verbesserten Marktbedingungen für transformative Akquisitionen. Die erwarteten Zinssenkungen in Europa wurden schließlich im Juni vollzogen, als die EZB die Leitzinsen um 25 Basispunkte senkte. Dabei schürte sie Hoffnungen auf weitere Lockerungen, die das Vertrauen der Investoren stärkten und Finanzierungen von Transaktionen etwas erleichterten.
Was bedeutet das für die DACH-Region, insbesondere für die Industrie- und die Automobilbranche? Beide Sektoren scheinen für weitere M&A-Aktivitäten in der gesamten Region bereit zu sein. Für industriell geprägte Standorte wie Deutschland wäre eine Zunahme der Transaktionen in beiden Sektoren eine willkommene Aussicht. Zudem bleibt es weiterhin spannend zu sehen, wie der Automobilsektor auf den Übergang zu batteriebetriebenen und softwaregesteuerten Fahrzeugen reagiert.
1. Industrie: Neue Energie für M&A
Der Industriesektor in Europa hatte in den letzten beiden Jahren mit einigen Problemen zu kämpfen. Aber es gibt auch ermutigende Anzeichen: So ist der MSCI Europe Industrials Index im ersten Halbjahr um 12% gestiegen; seit November hat er sich mehr als verdoppelt. Branchen rund um Erneuerbare Energien, intelligente Fertigung und Infrastrukturentwicklung ziehen weiterhin erhebliches Kapital an. Nearshoring und Reshoring sind weitere Katalysatoren für Transaktionen, denn Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, ihre Lieferketten vertikal abzusichern, nachdem die Pandemie und der Ukrainekrieg Schwachstellen offengelegt haben.
Das Transaktionsvolumen im Industrie- und Chemiesektor (I&C) ging in EMEA im ersten Halbjahr um 15% von 61 Mrd. EUR auf 53 Mrd. EUR zurück, da die Käufer größere Akquisitionen anstrebten. Im zweiten Quartal war der Gesamtwert der Transaktionen mit 36 Mrd. EUR besonders hoch – ein Anstieg von 40% gegenüber dem Vorquartal.
Die PE-Aktivitäten zeigen eine noch deutlichere Erholung der Branche: Zwar sank das Dealvolumen im ersten Halbjahr um 21% auf 217 Buy-outs und blieb damit deutlich hinter dem Volumen der Unternehmenskäufe zurück. Der Gesamtwert der Deals stieg jedoch um 52% auf fast 10 Mrd. EUR. Finanzinvestoren konzentrieren sich auf Segmente, die von den langfristigen Trends der Dekarbonisierung und Digitalisierung profitieren und in einer ansonsten eher trägen Branche nach wie vor erhebliche Wachstumschancen bieten.
Industrielle Fertigung und Business Services verzeichneten im vergangenen Jahr die meisten Deals und machten zwei Drittel der gesamten Deal-Aktivität in den Sektoren Industrial Manufacturing und Automobilindustrie (IM&A) in Deutschland aus. Zudem verzeichnete die industrielle Fertigung eine Zunahme der Aktivitäten um 35% im Vergleich zu 2022 und damit den höchsten Anstieg aller Sektoren.
Mit 343 gemeldeten Deals bietet die DACH-Region insgesamt großes Potenzial für die Zukunft. Die M&A-Aktivität im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) war im ersten Quartal schwach und spiegelte damit die wirtschaftliche Flaute in Deutschland wider. Die Transaktionen beliefen sich auf knapp 3 Mrd. EUR und waren damit nur halb so hoch wie im ersten Quartal 2023. Wird hingegen das erste Halbjahr betrachtet, liegt der IKT-Sektor mit 94 potenziellen Transaktionen an der Spitze der Region.
2. Automotive: Wandel vorantreiben, Chancen nutzen
Und wie sieht es mit Transaktionen im Automobilsektor aus? Im zweiten Quartal wurden europaweit 33 M&A-Deals in der Automobilindustrie mit einem Gesamtwert von 1 Mrd. USD vermeldet. Ein Anstieg sowohl gegenüber dem Vorquartal als auch gegenüber dem Vorjahr. In Deutschland verzeichnete die Automobilbranche jedoch einen Rückgang der Deal-Aktivitäten um 7% und damit den stärksten Rückgang aller Industriesektoren im Vergleich zum Vorjahr.
Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge könnte das Dealmaking in der Branche ankurbeln. Allerdings bedeutet sie auch höhere Kosten für Hersteller und Zulieferer, was zu einer weiteren Konsolidierung der Branche führen könnte. Aufgrund des geringen Wiederverkaufswerts von Elektrofahrzeugen könnte der Gebrauchtwagenmarkt ebenfalls Chancen bieten, wenn auch nur in einem schwierigen M&A-Umfeld. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht (HERBERT SMITH FREEHILLS: Automotive – M&A active as industry looks ahead) heißt es: „Der hohe Kapitalbedarf zur Finanzierung dieses Wandels wirft natürlich die Frage nach der Notwendigkeit einer Konsolidierung auf. Sie wird umso wichtiger, als die Hersteller aufgrund des wirtschaftlichen Klimas mit einer geringeren Nachfrage konfrontiert sind und ihre Kosten insbesondere bei Elektrofahrzeugen senken müssen, um den Absatz zu steigern. Zwei Schlüsselbereiche, in denen dieser Trend voraussichtlich zu beobachten sein wird, sind die chinesischen Hersteller von Elektroautos, da China das Überangebot auf dem heimischen Markt durch Konsolidierung in den Griff bekommen will, und möglicherweise der Markt für kleine Elektroautos, da vor allem europäische Hersteller angesichts der starken chinesischen Konkurrenz versuchen werden, den „heiligen Gral‘ erschwinglicher Elektroautos mit akzeptablen Gewinnmargen zu erreichen.“
Ein Beispiel ist der deutsche Automobilkonzern Volkswagen. Berichten zufolge verliert er in China, seinem größten Absatzmarkt, weiter an Boden. Und die Nachricht, dass sich das Unternehmen „mit der schleppenden Umstellung auf Elektrofahrzeuge und einer sinkenden Verbrauchernachfrage in Europa konfrontiert sieht“, was zu möglichen Werkschließungen und Kostensenkungen führt, ist für die gesamte Branche besorgniserregend.
Zudem haben auch einige Start-ups im Bereich der Elektromobilität mit finanziellen Problemen zu kämpfen, da sie den Kapitalbedarf für den laufenden Betrieb und unerwartete Ausgaben unterschätzt haben. Mitte des Jahres meldete mit Fisker ein weiterer Elektroautohersteller Insolvenz an, nachdem andere bereits das gleiche Schicksal ereilt hatte.
Darüber hinaus bestehen ökologische und soziale Risiken im Zusammenhang mit dem Abbau von Lithium, dem Hauptbestandteil der Lithium-Ionen-Batterien, die heute in den meisten Elektrofahrzeugen eingesetzt werden. Diese Bedenken könnten dazu führen, dass M&A-Aktivitäten im Bereich Elektrofahrzeuge risikoreicher und schwieriger werden.
Dennoch verfügen Investoren, insbesondere PE-Firmen, über große Mengen an ungebundenem Kapital, das sie investieren wollen. Strategische Käufer und Finanzinvestoren sind ebenfalls auf der Suche nach Expansionsmöglichkeiten, speziell im Transportsektor. Es wird erwartet, dass sie M&A-Strategien nutzen, um in die Branche einzusteigen oder ihre Position zu stärken. Viele dieser M&A-Deals im Industriesektor, zu dem auch der Automobil- und der Transportsektor gehören, setzen auf Datasite.
In der ersten Hälfte dieses Jahres stieg die Zahl der von Datasite begleiteten Sell-Side-Deals in der Industrie um 14%. Sie war damit nach der Konsumgüterindustrie der zweitaktivste Sektor bei den Sell-Side-Deals. Da es sich bei diesen Aktivitäten um Deals im Anfangsstadium handelt, sind sie ein guter Indikator dafür, was in den nächsten sechs bis neun Monaten zu erwarten ist. Mit anderen Worten: Angesichts dieser M&A-Pipeline ist bis zum Jahresende mit einer Welle von Dealabschlüssen zu rechnen.
Auch wenn die M&A-Aktivitäten im Bereich Elektrofahrzeuge derzeit rückläufig sind, gibt es deutliche Anzeichen für Aktivitäten in anderen industriellen Sektoren. Die anhaltende wirtschaftliche Erholung und der technologische Fortschritt könnten in der zweiten Jahreshälfte und auch im Jahr 2025 zu mehr Transaktionen führen.
Dealmaker und Stakeholder in der Automobilindustrie sollten wachsam und anpassungsfähig bleiben und sich auf Due-Diligence-Prozesse konzentrieren, um Chancen zu nutzen und gleichzeitig die komplexen wirtschaftlichen Herausforderungen zu meistern. Auf diese Weise können sie Potenziale ausschöpfen und gleichzeitig langfristiges Wachstum und Innovation in ihren Unternehmen und ihrer Branche fördern.