Inflation im Mittelstand
Die Herausforderungen für mittelständische Unternehmen sind seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 stetig gewachsen und auch 2023 wartet mit zahlreichen Kriesen auf. Es kommt auf den richtigen Umgang und die passende Strategie an, um die Probleme zu bewältigen. Verschiedene Maßnahmen können helfen - diese werden hier aufgezeigt.
Die weltweiten Inflationswerte haben sich seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine stark erhöht. Nach Recherchen des International Business Report 2022 von Grant Thornton verzeichneten mittelständische Unternehmen in 28 untersuchten Ländern in den vergangenen zwölf Monaten durchschnittliche Preissteigerungen in Höhe von 24% bei Rohstoffen, 24% bei der Energieversorgung, 19% bei Versorgungsleistungen und 23% bei Transport-kosten. Löhne und Gehälter stiegen um 16%. Zusätzlich sind Bankgebühren und Zinsen um mittlerweile 16% sowie das Steueraufkommen um 17% angestiegen. In Deutschland wurden im Rahmen der Studie über 200 Unternehmen mit dem Ergebnis befragt, dass diese Preissteigerungen sogar höher als im internationalen Durchschnitt liegen. Insbesondere stechen Löhne (21%) und Rohmaterialien (24%) heraus. Verschärft wird die Krise noch dadurch, dass die meisten mittelständischen Führungskräfte zum ersten Mal eine ernstzunehmende Inflation erleben. Ihnen fehlen dadurch Erfahrungswerte, wie mit dieser Herausforderung umzugehen ist.
Mittelständische Unternehmen sind also gut beraten, jetzt die richtigen Maßnahmen zu evaluieren und grundlegende Entscheidungen zu treffen. Aber welche? Nachfolgend empfehlen wir acht Maßnahmen, wie potenziellen Problemen effektiv entgegengewirkt werden kann.
Maßnahme 1: Risiken identifizieren
Maßnahme 2: Externe Kostensteigerungen begrenzen
Maßnahme 3: Outsourcing nutzen
Maßnahme 4: Echte Kosten der Kundenbetreuung ermitteln
Maßnahme 5: Preisstrategie anpassen
Maßnahme 6: Kapitalstruktur verbessern
Maßnahme 7: Effizienter werden
Maßnahme 8: Fortschritt beschleunigen
Maßnahme 1: Risiken identifizieren
Am Anfang steht die Analyse des Ist-Zustandes, bei der anhand von Kostenanalysen die Risiken und Haupthebel identifiziert werden. Inflation berührt alle Bereiche eines Unternehmens. Beziehen Sie deshalb möglichst viele Gesichtspunkte mit ein, denken Sie übergeordnet und über alle Abteilungen hinweg. Es ist ratsam, die Kostensätze für Personal, Maschinen und Gemeinkosten der Realität anzupassen und anhand von diesen Zahlen einen Plan aufzustellen, wie Sie zukünftig weiterhin wettbewerbsfähige Preise anbieten können. Das können zum Beispiel Produktions- oder Lageroptimierungen sein, aber auch die Investition in einen höheren Automatisierungsgrad bei Maschinen und Anlagen.
Sobald Ihr Plan steht, sollten Sie ihn regelmäßig überprüfen. So halten Sie mit den rasanten Entwicklungen Schritt, da die Inflation Ihre Gewinn-spannen schnell zunichtemacht. Unternehmen müssen auf eine Vielzahl von möglichen Ereignissen vorbereitet sein und ihre Handlungen an die aktuellen Gegebenheiten anpassen. Die Studien von Grant Thornton zeigen, dass die generellen Befürchtungen vor ökonomischen Unsicherheiten und Risiken weltweit seit dem Beginn der Corona-Pandemie zunehmen und auf hohem Niveau stagnieren. In Deutschland sehen 50% und in den USA 68% der Unternehmen wirtschaftliche Unsicherheiten als Haupthindernisse der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung (siehe Abb. 1).
Maßnahme 2: Externe Kostensteigerungen begrenzen
In Deutschland ergreifen aktuell lediglich 25% der Unternehmen Maßnahmen zur Begrenzung externer Kosten. Damit liegt diese Maßnahme hierzulande leicht unter dem Durchschnitt von 28% der in der Studie von Grant Thornton untersuchten Länder. Ein Mittel zur Reduzierung von Einkaufspreisen sind die zu beschaffenden Losgrößen. In der Vergangenheit neigte man dazu, Lieferanten gegeneinander auszuspielen und die Bestellmengen möglichst klein und unverbindlich zu halten. Unsicherheit wird in Zukunft vermehrt eingepreist, auch weil sich die Anzahl an Lieferanten in vielen Branchen reduziert hat. An dieser Stelle ist es ratsam, über Rahmenverträge, höhere Einzelabnahmemengen und feste Partnerschaften mit guten Konditionen nachzudenken. In Krisen rückt die Gesellschaft zusammen. Warum tun Sie es nicht auch mit guten und zuverlässigen Lieferanten?
Vorsicht ist jedoch bei Großeinkäufen geboten: Das im Unternehmen gebundene Working Capital sowie Ihr Bedarf an Lagerfläche erhöhen sich. Der gestiegene Zins verteuert das oft fremdfinanzierte Kapital. Hier ist es daher sinnvoll, auf fortschrittliche Techniken zur dynamischen Vorratsoptimierung und die Effizienz Ihrer Einkaufsprozesse zu setzen. Über Wertstromanalyse und -design können Lagerreichweiten und Produktionsprozesse ganzheitlich optimiert werden und das frei gewordene Kapital zur internen Unternehmensfinanzierung beitragen.
Maßnahme 3: Outsourcing nutzen
Viele Outsourcing-Partner haben in den vergangenen Monaten in die Automatisierung und in die Entwicklung neuer Servicemodelle investiert. Das ermöglicht es besser denn je, Technologieplattformen und -zentren gemeinsam zu nutzen. Dadurch können Sie die Effizienz Ihres Geschäfts direkt steigern, entgehen dem Arbeitskräftemangel in Deutschland und senken zusätzlich Ihre Kosten. Laut dem Grant Thornton International Business Report 2022 erwarten 32% der deutschen Unternehmer eine verstärkte Nutzung von Lieferanten aus dem Ausland für das Jahr 2023 (siehe Abb. 2). In Abbildung 3 wird ersichtlich, auf welche Länder diese Unternehmen dabei ihren Fokus legen. Es fällt auf, dass hier nicht ausschließlich Niedriglohnländer aufgeführt sind. Die Vermutung liegt nahe, dass viele deutsche Unternehmen aufgrund internationaler Spannungen ihre Lieferanten auch wieder verstärkt in den westlich demokratischen Industriestaaten suchen. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, aktuelle Prozesse zu prüfen und wo immer möglich die Chancen digitaler Technologien zu nutzen. Business-Cases zur Digitalisierung von Prozessen, die in der Vergangenheit abschlägig bewertet wurden, können jetzt rentabel sein. Eine Alternative ist die komplette Verlagerung von Unternehmensteilen in Länder mit niedrigeren Kosten. Was auf den ersten Blick sehr verlockend erscheint, erhöht jedoch die operative Komplexität und damit das Risiko. Die Qualifizierung neuer Standorte benötigt Kapital und eine zielführende Planung. Auch die steuerlichen Auswirkungen sollten sorgfältig analysiert werden.
Maßnahme 4: Tatsächliche Kosten der Kundenbetreuung ermitteln
Um ein besseres Betriebsergebnis zu erzielen, sollten auch die Kosten und Aufwände für die Kundenbetreuung geprüft werden. Oft erweist sich hier die Kosten- und Nutzenrechnung als wenig realistisch.
Am Anfang der Analyse steht die klare Definition der einzelnen Kundensegmente. Anschließend lohnt es sich, die Kosten für jedes einzelne Segment aufzuschlüsseln und diese Rechnung später immer wieder zu überprüfen. Welche Mittel fließen in die Lieferkette, den Vertrieb und das Marketing? Sind alle Kunden dem entsprechenden Segment zugeordnet und werden entsprechend betreut? Vor allem gilt es, die Ausnahmen zu ermitteln, die wenig Ertrag bei hohem Aufwand erzeugen. Mit den neuen Erkenntnissen sind Programme aufzusetzen, die die Rentabilität von Kunden aktiv steuern. In Deutschland ist dieses Vorgehen, im Vergleich zu anderen Ländern, jedoch keineswegs gängige Praxis. So ziehen hierzulande 24% der Betriebe die Steuerung der Kundenprofitabilität über Segmentierung in Betracht, in den USA jedoch 40%. Oft sind Unternehmer im Nachhinein erstaunt, dass ihre Kunden bereit sind, für einen guten Service zu bezahlen.
Maßnahme 5: Preisstrategie anpassen
Preiserhöhungen sollten möglichst realistisch kalkuliert werden - auch im Hinblick auf die möglichen Folgen. Es droht die Gefahr, dass Kunden abspringen oder Absatzmengen schrumpfen. Neue Preise müssen zum Wettbewerb passen. Laut der Studie von Grant Thornton wollen 44% aller befragten deutschen Unternehmen die Preise überproportional anheben. 43% erhöhen die Preise proportional zur Kostensteigerung. Bei den übrigen Unternehmen etabliert sich eine dritte Variante am Markt. Hier werden die Preise gar nicht, oder zumindest geringer als bei den Wettbewerbern erhöht. Oft wird damit das Ziel verfolgt, die Absatzmengen zu steigern und damit entgangene Margen auszugleichen. Als Nebeneffekt drohen Konkurrenzunternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten.
Folgende Fragen sind dabei zu berücksichtigen: Wie sind die Vertragsbedingungen? Wann ist ein guter Zeitpunkt für eine Erhöhung? Können höhere Preise nachvollziehbar erklärt werden? Wie ist die Zahlungsbereitschaft Ihrer Kunden? Vorherige Kommunikation mit dem Kunden ist ein geeignetes Mittel, um Probleme im Vorfeld zu vermeiden. Neue Preise lassen sich besser durchsetzen, wenn dem Kunden neue Funktionen angeboten werden können oder über zusätzliche Dienstleistungen Mehrwert gestiftet wird.
Maßnahme 6: Kapitalstruktur verbessern
Aufgrund steigender Zinssätze steigen nicht nur Ihre Einsatzkosten, sondern auch Ihre Kapitalkosten. Daher sollten Sie die aktuelle Kapitalsituation prüfen und optimieren.
Sofern Sie über die entsprechende Liquidität verfügen, sind Strategien wie Großeinkäufe zum Ausgleich der Inflation interessant. Anderenfalls muss bei Bedarf neues Kapital beschafft und das Schuldenmanagement ausgebaut werden. Banken sind bei der Kreditvergabe zurückhaltender geworden. Eine Beratung zu verschieden Finanzierungsquellen kann sich jetzt lohnen.
Maßnahme 7: Effizienter werden
Mit gesteigerter Effizienz kann man der Inflation auf „elegante“ Weise begegnen und ungeliebte Preiserhöhungen dämpfen. So können Programme zur Abfallreduzierung hilfreich sein. Indem man aktiv auf Recyclingunternehmen zugeht, ist es auch möglich, Geld mit der Entsorgung zu verdienen. In Einzelfällen reicht das aus, um höhere Einkaufspreise auszugleichen und das eigene Umweltmanagement voranzutreiben. Darüber hinaus existieren in der Regel weitere Bereiche, in denen Sie Ressourcen, Wartezeiten und Kompetenzen sparen können. Laut unseren Untersuchungen ergreifen in Deutschland aktuell nur 29% der Firmen Maßnahmen, um die Effizienz zu steigern oder Verschwendung zu reduzieren. Im Vergleich dazu sind es in den USA 44%, bei unseren Nachbarn in Frankreich 31% und in Spanien 48%.
Innovationen machen sich langfristig bezahlt und tragen dazu bei, Ihr Unternehmen zukunftssicher aufzustellen. Automatisierung, Robotik und maschinelles Lernen haben das Potenzial, die Produktivität zu steigern und laufende Kosten zu senken. Die Analyse von Daten hilft Ihnen, Ihre wahren Kostenstrukturen zu verstehen und effizienter zu werden: vom Einsatz der richtigen Maßnahmen bis hin zu Change-Management-Prozessen.
Maßnahme 8: Fortschritt beschleunigen
Die Daten aus der Grant-Thornton-Studie zeigen, dass die meisten der befragten deutschen Unternehmen die Herausforderung aktiv angenommen haben. Nur 7% der Befragten sagen, dass sie derzeit noch keinen Plan haben. Vergleichen wir Deutschland jedoch mit anderen Staaten, zeigt sich, dass hiesige Unternehmen insgesamt zurückhaltend bei Zukunftsthemen agieren. Die Erwartungen, zukünftig in F&E-Aktivitäten zu investieren, ist in Deutschland deutlich schwächer ausgeprägt als in der Eurozone, China und den USA. Vor allem die Vereinigten Staaten gehen optimistisch in die Zukunft und investieren stark in Innovationen (siehe Abb. 4).
Fazit
Da die gestiegene Inflation die Kostenstruktur aller Unternehmensbereiche betrifft, ist eine ganzheitliche Betrachtung der wertschöpfenden Prozesse notwendig. Wenn es um die Ergreifung von Maßnahmen geht, liegt Deutschland im internationalen Vergleich aktuell noch unter dem Durchschnitt. Für Unternehmen, die bisher wenig getan haben, um der Inflation zu begegnen, gilt: Sie sollten handeln, bevor sich ihre Margen in Luft auflösen oder sogar Verluste entstehen.