Internationale Käufer für mittelständische Unternehmen: Chancen und Herausforderungen für das Lebenswerk
Der deutsche Mittelstand, Rückgrat der deutschen Wirtschaft, steht vor einer historischen Herausforderung: einer beispiellosen Nachfolgewelle, bedingt durch den demogra-
fischen Wandel.
Der deutsche Mittelstand, Rückgrat der deutschen Wirtschaft, steht vor einer historischen Herausforderung: einer beispiellosen Nachfolgewelle, bedingt durch den demografischen Wandel. Bis Ende 2025 suchen laut KfW Research rund 215.000 mittelständische Unternehmen einen Nachfolger, während gleichzeitig etwa 231.000 Betriebe eine Stilllegung aufgrund fehlender Nachfolge erwägen.
Traditionelle Nachfolgewege innerhalb der Familie oder durch Mitarbeiter stoßen an ihre Grenzen. Dies lenkt den Blick zunehmend auf externe Käufer – sowohl national als auch international – als entscheidenden Faktor für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge.
Attraktivität des dt. Mittelstands für internationale Käufer
Deutsche Mittelständler sind weltweit begehrte Ziele: Als „Hidden Champions“ überzeugen sie durch Innovationskraft, Technologieführerschaft und starke Exportorientierung. Eine Auswertung der Majunke-Datenbank zeigt, dass im Jahr 2024 rund die Hälfte aller M&A-Transaktionen in Deutschland einen internationalen Käufer hatten. Besonders aktiv waren Investoren aus den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz. Besonders gefragt sind laut Analyse Branchen wie Software & IT (265 Transaktionen), Anlagen- und Maschinenbau (119), Healthcare & Life Sciences (56) sowie Automotive (73).
Auffällig ist dabei die erhebliche Aktivität internationaler Finanzinvestoren: Im Bereich Software & IT etwa entfielen mehr als 60 Prozent der Transaktionen auf Private-Equity-Investoren, viele davon mit Sitz in den USA, Großbritannien oder den nordischen Ländern. In Branchen wie Kältetechnik, Automotive oder Healthcare liegt der Anteil internationaler PE-Häuser ebenfalls bei über einem Drittel. Strategische Käufer wiederum dominieren insbesondere in klassisch industriellen Sektoren wie Maschinenbau und Automobilzulieferung.
Die Herkunftsländer variieren je nach Branche: Während US-amerikanische Investoren vor allem in IT und Pharma aktiv sind, zeigen französische und niederländische Käufer verstärktes Interesse an industriellen Dienstleistungen, Verpackungen und dem Energiesektor.
Prominentes Praxisbeispiel: Viessmann Klimasparte
Ein besonders prominentes Beispiel war die Übernahme der Klimasparte von Viessmann durch Carrier Global Corporation aus den USA im Jahr 2023. Diese milliardenschwere Transaktion zeigt eindrucksvoll, wie deutsche Traditionsunternehmen durch internationale Partnerschaften strategische Vorteile und langfristiges Wachstum erzielen können. Die Familie Viessmann blieb als Anteilseigner an Carrier beteiligt – ein Modell, das auch für kleinere mittelständische Verkäufer interessant sein kann.
Aber nicht nur große Unternehmen stehen im Fokus internationaler Käufer: Auch kleinere, hochspezialisierte Mittelständler sind zunehmend interessant. Ein Beispiel hierfür ist die autoVimation GmbH aus Rheinstetten, ein spezialisierter Systemlieferant für industrielle Bildverarbeitung, der im März 2025 von der US-amerikanischen Exaktera LLC übernommen wurde. Diese Transaktion verdeutlicht das Interesse internationaler Investoren an innovativen und spezialisierten Nischenunternehmen.
Gerade diese Entwicklung zeigt: Es gibt auch für kleinere Unternehmen attraktive Käufer, und zwar nicht nur aus dem Inland. Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich fragen, ob ihr Betrieb zu klein oder zu speziell für eine internationale Übernahme sein könnte, sollten den Gedanken verwerfen. Die Erfahrung und Marktdaten zeigen deutlich: Wer ein klar positioniertes, gut geführtes Unternehmen betreibt, hat heute auch aus dem Ausland reale Chancen auf eine Übernahme – mitunter sogar zu besseren Konditionen als auf dem nationalen Markt. Diese Erkenntnis kann Verkäufern Mut machen und zu einem selbstbewussteren Umgang mit dem Thema Nachfolge beitragen.
Chancen internationaler Käufer
Der Verkauf an internationale Investoren bietet mittelständischen Unternehmern signifikante Vorteile:
Zugang zu neuen Märkten: Internationale Käufer verfügen über etablierte Vertriebsnetze, was insbesondere beim Markteintritt in komplexe Regionen wie Asien oder Nordamerika von großem Nutzen ist.
Investitionskapazität: Finanz-starke internationale Käufer bringen häufig umfangreiche Mittel für Innovationen, Digitalisierung und andere Wachstumsinitiativen ein.
Bewertungsvorteile: Der erweiterte Käuferkreis erzeugt Wettbewerb im Verkaufsprozess und ermöglicht potenziell attraktivere Kaufpreise. Gerade strategische Käufer sind bereit, Synergien in der Bewertung zu berücksichtigen.
Nachhaltige Sicherung des Unternehmens: Internationale Investoren bieten Perspektiven für langfristiges Wachstum, Standorterhalt und Arbeitsplatzsicherheit.
Herausforderungen bei internationalen Transaktionen
Allerdings bringt der Verkauf über Ländergrenzen hinweg spezifische Herausforderungen mit sich:
Kulturelle Unterschiede: Unternehmens- und Arbeitskulturen können stark variieren, was interkulturelle Kompetenz und sorgfältiges Integrationsmanagement erfordert. Missverständnisse im Kommunikationsstil oder bei Entscheidungsprozessen sollten antizipiert und moderiert werden.
Transaktionskomplexität: Inter-nationale M&A-Transaktionen sind rechtlich, steuerlich und regulatorisch komplexer. Themen wie die Prüfung durch das Bundeswirtschaftsministerium nach Außenwirtschaftsgesetz (AWG) können den Zeitrahmen verlängern oder Unsicherheit schaffen.
Post-Merger-Integration: Die erfolgreiche Zusammenführung unterschiedlicher Unternehmensstrukturen, IT-Systeme und Führungsstile ist erfolgskritisch, wird aber häufig unterschätzt. Eine enge Einbindung des Altinhabers in der Übergangsphase kann hier ein wichtiger Erfolgsfaktor sein.
Geopolitische Faktoren: Ver-schärfte Investitionskontrollen gegenüber bestimmten Ländern (z.B. China) oder wirtschaftspolitische Programme (z.B. Inflation Reduction Act in den USA) beeinflussen die Transaktionsdynamik zunehmend.
Handlungsempfehlungen für mittelständische Verkäufer
Um die Chancen optimal zu nutzen und Risiken zu minimieren, sollten mittelständische Unternehmer:
Frühzeitig mit der strategischen Nachfolgeplanung beginnen – idealerweise mit einem Vorlauf von zwei bis drei Jahren
Erfahrene M&A-Berater mit internationaler Expertise einbeziehen, die Zugriff auf internationale Käufernetzwerke und rechtliche Kenntnis-se im Cross-Border-Kontext haben
Realistische Kaufpreisvorstellungen auf Grundlage fundierter Unternehmensbewertungen entwickeln
Das Unternehmen in Hinblick auf kulturelle Anschlussfähigkeit analysieren – Stichwort: kulturelle Due Diligence
Sich mit steuerlichen und rechtlichen Besonderheiten grenzüberschreitender Transaktionen vertraut machen
Offen für neue Modelle sein – z.B. eine Minderheitsbeteiligung als ersten Schritt
Weitere Perspektiven und strategischer Ausblick
Die zunehmende Internationalisierung des Nachfolgemarkts im Mittelstand ist nicht nur eine Reaktion auf demografische Engpässe, sondern Ausdruck eines strukturellen Wandels. Käufer aus dem Ausland bringen nicht nur Kapital, sondern auch neue Perspektiven, Technologien und Denkweisen. Für viele Unternehmen kann dies eine wichtige Grundlage sein, um sich in einem globalisierten Marktumfeld zukunftssicher aufzustellen.
Zugleich stellen sich neue Fragen für Verkäufer: Wie kann man gezielt Investoren ansprechen, ohne die Belegschaft zu verunsichern? Wie offen kommuniziert man eine Internationalisierungsstrategie gegenüber Kunden und Partnern? Welche Exit-Strategie ist langfristig sinnvoll, wenn ein kompletter Rückzug (100-Prozent-Verkauf) nicht sofort gewünscht ist?
Auch hier helfen internationale Best Practices: Earn-out-Modelle, gestufte Beteiligungsübergänge oder strategische Partnerschaften auf Zeit sind längst erprobte Werkzeuge, die M&A-Berater individuell auf Verkäuferziele anpassen können.
Fazit
Internationale Käufer sind zunehmend unerlässlich für den deutschen Mittelstand. Sie bieten attraktive Wachstumschancen, sichern Kapitalzufluss und helfen, die demografische Nachfolgelücke zu schließen. Trotz spezifischer Herausforderungen überwiegen die Vorteile klar – vorausgesetzt der Verkaufsprozess wird professionell vorbereitet, realistisch bewertet und kulturell wie strategisch durchdacht. Für mittelständische Unternehmer stellt die Entscheidung für einen internationalen Käufer letztlich eine strategische Weichenstellung dar, um ihr Lebenswerk nachhaltig in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.
Über die Syntra Corporate Finance
Syntra Corporate Finance ist eine der führenden Beratungen für den Mittelstand, wenn es um Unternehmensverkäufe und -käufe geht. Der Fokus liegt auf der Begleitung von Transaktionen im unteren Mid-Market-Segment, mit Volumina zwischen 20 Mio. und 150 Mio. Euro. Zudem berät Syntra Unternehmer bei strategischen Kapital- und Finanzierungsmaßnahmen und hat sich als verlässlicher Partner für Private-Equity-Investoren und Family Offices im deutschsprachigen Raum etabliert, u.a. beim Verkauf von Beteiligungen sowie bei der Erarbeitung und Umsetzung langfristiger Akquisitionsstrategien. Gemeinsam mit Nachfolgekontor – spezialisiert auf Nachfolgeregelungen bei kleineren, überwiegend inhabergeführten Unternehmen – deckt Syntra Corporate Finance als Teil der Syntra Group ein breites Spektrum des Mittelstands ab – vom etablierten Marktführer bis zum regionalen Hidden Champion.