10.04.2024 | Andrea Weinberger, Rasmus Rahn, Sebastian Binder

Je grüner, desto besser? Die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit in der M&A-Strategie

Traditionell haben vor allem strategische Überlegungen und/oder finanzielle Indikatoren Investment- oder Divestment-Entscheidungen getrieben. In den letzten Jahren wurde dieser Entscheidungsprozess durch das Thema Nachhaltigkeit und die ESG Due Dilligence ergänzt.

1. Einleitung

Traditionell haben vor allem strategische Überlegungen und/oder finanzielle Indikatoren Investment- oder Divestment-Entscheidungen getrieben. In den letzten Jahren wurde dieser Entscheidungsprozess durch das Thema Nachhaltigkeit und die ESG Due Dilligence ergänzt. Jedoch war und ist dies häufig auf einen rein risikoorientierten Red-Flag-Report ausgelegt. Es geht also vor allem um die Frage nach ESG-Risiken im betrachteten Asset, weniger um die Betrachtung von anderen Optionen oder weiteren Kriterien, wie etwa dem allgemeinen Portfolio-Fit.

Nun wird die nächste Evolutionsstufe in den Transaktionsentscheidungen erklommen. Betrachtet man die Investitionstätigkeiten von Unternehmen, so zeigen sich vor allem zwei Entwicklungen:

• Nachhaltigkeit als Treiber für strategische Transaktionsentscheidungen

• Nachhaltigkeit als Kriterienkatalog in der Portfoliobewertung

2. Nachhaltigkeit als strategischer Treiber

Nachhaltigkeitsaspekte finden verstärkt Einzug in die strategische Ausrichtung von Unternehmen. Dies kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und von einer sehr geringen Ambition, wie die Sicherstellung von regulatorischer Compliance, bis zu einer sehr hohen Ambition, wie Profitmaximierung bei gleichzeitiger Berücksichtigung positiver Externalitäten, reichen.

Beispielsweise könnte ein Unternehmen, welches von seltenen Erden in seiner Lieferkette abhängig ist, den entsprechenden Minenbetreiber oder Zulieferer kaufen. Hierdurch wird der direkte Einfluss auf den Minenbetreiber gestärkt, wodurch ESG-Risiken, wie schlechte Arbeitsbedingungen in der Lieferkette, bekämpft und negative Folgen abgemildert werden können. Die Beispiele für festgehaltene Importe aufgrund von Menschenrechtsproblemen in der Lieferkette mehren sich zuletzt. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die umstrittene CSDDD sind starke regulatorische Treiber, die solche Entwicklungen auch auf dem europäischen Kontinent beschleunigen. Gezielte Übernahmen oder Joint Ventures können hier ein Instrument sein, um darauf zu reagieren, den Zugang zu kritischen Rohstoffen zu sichern und ESG-Risiken abzumildern.

3. Nachhaltigkeit in der Portfoliobewertung

Um die strategische Transformation voranzutreiben, ist die Portfoliostrategie von zentraler Bedeutung. Diese hat das Ziel, die Allokation des verfügbaren Rahmens aus Finanz-, Real- und Humankapital zu optimieren und die Summe der Geschäftsaktivitäten bestmöglich auf die Unternehmensziele auszurichten. Hierfür stehen verschiedene organische Instrumente (fix, close, innovate oder harvest) und anorganische (M&A-) Instrumente (acquire, sell, partner) zur Verfügung.

Der Einbezug von Nachhaltigkeit lässt diese Überlegungen in einem neuen Licht erscheinen. Beispielsweise tragen Batterien grundsätzlich zum Trend der Elektrifizierung bei und sind essenzieller Bestandteil in der Dekarbonisierung. Im Vergleich zu linearen Alternativen weisen zirkuläre Batterien einen verbesserten Umweltfußabdruck und ein sozialverträglicheres Profil auf. Zudem verbessert sich die finanzielle Performance. Dies ist eine Win-Win-Win-Situation und wird unter anderem dazu führen, dass der Aufbau von Recyclingfähigkeiten ein zentrales Suchfeld der M&A-Strategie wird.

Die ganzheitliche Bewertung der finanziellen und nicht-finanziellen Aspekte erfordert eine enge Verzahnung beider Welten. Beispielsweise kann die Verknüpfung des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens mit seinem EBITDA durch die gemeinsamen Treiber „Energie“ und „CO2-Ausgleiche“ zu einem tieferen Verständnis der wirtschaftlichen und umweltbezogenen Effizienz führen. Durch die Entwicklung und den Vergleich verschiedener Szenarien, die sowohl finanzielle als auch nachhaltigkeitsbezogene Kriterien umfassen, können Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen.

Obwohl die Integration von Nachhaltigkeit in die M&A-Strategie viele Vorteile bietet, sind damit auch Herausforderungen verbunden. Zunächst die Frage nach den richtigen KPIs:

• Welche ESG-Kriterien sollen herangezogen werden, um die richtigen Entscheidungen zu treffen?

• Wie gewichtet man die einzelnen KPIs im Entscheidungsprozess? Überwiegt zum Beispiel ein möglicher Verstoß gegen soziale Kriterien im betrachteten Asset die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen? Oder wie bewertet man den Wasserverbrauch eines Assets vor dem Hintergrund zukünftiger Kostensteigerungen?

Wechselwirkungen zwischen ESG und finanziellen KPIs abzubilden, ist aus Steuerungs- und Modellierungssicht essenziell, um die Entscheidungsfindung nach ESG-Kriterien auf die nächste Stufe zu heben. Diese Entwicklung steckt jedoch noch in den Kinderschuhen.

Neben der Frage nach den richtigen KPIs bestehen noch operative Fragen wie nach der Datenverfügbarkeit und -Qualität. So haben Unternehmen oftmals einen CO2-Fußabdruck ermittelt, der Scope 1–3 umfasst. Nur selten kann dieser ohne größeren Aufwand auf einzelne Geschäftseinheiten oder gar Produktgruppen heruntergebrochen werden. Häufig wird dieser auch nur für zentrale Geschäftsaktivitäten ermittelt und basiert methodisch oftmals auf Schätzdaten. Diese Herausforderungen verstärken sich für neuere Nachhaltigkeitsdimensionen wie Luft-, Boden-, Wasserverschmutzung oder Biodiversität. Die richtige Messung und Vergleichbarkeit müssen noch weiter reifen.

Bei qualitativen Informationen, wie Policies, dem Einfluss auf Mitarbeiter in der Wertschöpfungskette oder Trainingsangeboten für die eigenen Mitarbeiter, ist die Vergleichbarkeit noch schwerer, auch wenn mit der CSRD eine deutlich höhere Transparenz und Vergleichbarkeit entstehen wird.

4. Nachhaltigkeit als Werttreiber in M&A-Transaktionen

Die Wertsteigerung durch die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in M&A-Transaktionen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Eine davon ist die Stärkung der Marktposition eines Unternehmens durch die Integration von Nachhaltigkeitspraktiken in seine Geschäftsstrategie. Kunden und Verbraucher sind zunehmend darauf bedacht, Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen zu unterstützen, die sich für Umweltschutz und soziale Verantwortung engagieren. Durch den Erwerb oder die Fusion mit einem Unternehmen, das bereits eine starke ESG-Performance aufweist, können Unternehmen ihre eigene Marktposition stärken und neue Zielgruppen erschließen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Integration von ESG und Nachhaltigkeit in der M&A-Strategie ist die Schaffung langfristiger Wertschöpfung und das Engagement der Stakeholder. Ein Unternehmen, das sich nachhaltig positioniert, geht mit seinen Partnern in der Lieferkette auch entsprechend um.

Wieviel Druck übe ich auf die Kosten meiner Zulieferer aus, wenn ich gleichzeitig Produkte mit besserem CO2-Fußabdruck einfordere? Welche Stakeholder-Engagement-Maßnahmen soll es geben, um ESG-Ziele gemeinschaftlich zu erreichen? Seien es Schulungen, Zertifizierungen oder sogar finanzieller Support.

Im Transaktionsbereich bedeutet dies auch, die Praktiken eines Targets zu überprüfen hinsichtlich des Umgangs mit Lieferanten und Geschäftspartnern. Neben der Risikobetrachtung ist auch hier die Frage, ob man die langfristige Beziehung stärkt oder beispielsweise Beziehungen zu problematischen Unternehmen beendet. Als Teil einer Integrationsstrategie werden solche Überlegungen zukünftig mehr Berücksichtigung finden.

5. Fazit

Insgesamt wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit in M&A-Strategien und Unternehmenstransaktionen weiter zunehmen und an Breite gewinnen. Schrittweise werden sich die unterschiedlichen Facetten von Nachhaltigkeit widerspiegeln, sei es in den gewählten Entscheidungsparametern und KPIs, in den strategischen Überlegungen, im Target Search oder auch in der Integrationsstrategie.

Dies hat auch Auswirkungen auf die M&A-Landschaft, da Unternehmen verstärkt nach Partnern suchen werden, die ihre Werte und Ziele teilen und die ebenfalls Prozesse und Strukturen geschaffen haben, um die zunehmenden Anforderungen der ESG-Regulatorik zu erfüllen. Unternehmen, die ESG strukturell und prozessual bereits effektiv eingebettet haben, werden attraktivere Übernahmekandidaten und Partner sein, während Unternehmen, die diese Aspekte vernachlässigen, Schwierigkeiten haben werden, Kapital zu beschaffen und Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten.

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