24.06.2017 | Monika Nickl

Lebensmittelindustrie im Umbruch – M&A als Treiber

Standpunkt

Erleben wir gerade einen Goldrausch in der Lebensmittelbranche? Die aufgerufenen Kaufpreise für attraktive Übernahmeziele sprechen eine deutliche Sprache: Multiples entsprechend dem 20- bis 25-fachen Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) sind keine Seltenheit mehr. Rein anhand der Fundamentaldaten von Unternehmen lässt sich dies nicht mehr begründen. Es sind vor allem drei Faktoren, die diese Entwicklung befeuern.

 

1. Innovatoren greifen große Marken an

Die Disruption greift auch im Food-Sektor um sich, da die Verbraucher ihre Ernährungsgewohnheiten verändert haben. Ein Beispiel: Seit Beginn der 2000er Jahre hat sich der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln auf circa 10 Mrd. EUR fast verfünffacht. Gleichzeitig wünschen die Konsumenten mehr Transparenz und nachhaltige Produktionsweisen. Dieses Umfeld verleiht Start-ups Auftrieb und zwingt die großen Lebensmittelkonzerne zum Umdenken und Handeln. Mittlerweile haben einige dieser Konzerne – beispielsweise Metro oder Coca-Cola – bereits eigene Venture-Capital-Fonds, um sich mit innovativen jungen Unternehmen verstärken zu können. Die Nachfrage ist dabei so hoch, dass außergewöhnlich hohe Multiples abgerufen werden.

 

2. Grenzüberschreitende Transaktionen forcieren Wachstum

Die europäischen Lebensmittelunternehmen greifen auch zum Zwecke geografischen Wachstums auf Akquisitionen zurück. Traditionell sind die USA für Konsumgüter ein sehr spannender Markt, liegt der Anteil des privaten Konsums mit fast 70% des Bruttoinlandsprodukts höher als in den meisten anderen westlichen Industrienationen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Übernahme des US-Frischkäse-Herstellers Franklin Foods durch den deutschen Käsehersteller Hochland. Gleichzeitig beobachten wir ein verstärktes Interesse von Investoren und Wettbewerbern aus Asien, die nach europäischen Unternehmen greifen wollen – teilweise koste es, was es wolle. Den Trend, unkritisch sehr hohe Preise abzurufen, beobachten wir durchaus mit Skepsis.

 

3. Konsolidierungsdruck

Der Preisdruck in einigen Bereichen der Food-Branche – beispielsweise in Teilen der Milchindustrie – ist hoch, entsprechend kommt es zu Konsolidierungen. Obwohl Verbraucher bestimmte Produkte wie etwa Bio-Lebensmittel stärker bevorzugen und auch mehr Geld dafür ausgeben, sind etwa die Ausgaben für Lebensmittel im Verhältnis zu den gesamten Konsumausgaben in Deutschland insgesamt weiterhin niedrig. Das geht zulasten der weniger nachgefragten Produktkategorien, in deren Industrien Zusammenschlüsse geschmiedet werden, um Synergieeffekte zu erzielen. Damit reagieren die Produzenten auch auf den Druck aus dem Lebensmitteleinzelhandel, der weiterhin niedrige Preise anbieten möchte.

 

4. Fazit

Wir erwarten für die kommenden Monate und Jahre ein weiterhin sehr attraktives Umfeld für M&A-Aktivitäten im Lebensmittelsektor. Innovative Start-ups, Wachstumsvorhaben von Unternehmen sowie Konsolidierungstendenzen werden die Nachfrage nach geeigneten Targets weiter hoch halten. Der Blick auf die Bewertungsniveaus sollte aus unserer Sicht dabei nicht aus den Augen verloren werden, wenngleich wir glauben, dass wir das Ende der Preisentwicklung noch nicht gesehen haben.

Monika Nickl

Managing Director

Raymond James

Autor
Monika Nickl

Monika Nickl ist Gründungspartnerin von TCG Corporate Finance. Sie hat umfassende unternehmerische Erfahrung als Geschäftsführende Gesellschafterin von Mummert & Company, einer führenden Corporate-Finance-Beratung, die 2016 von dem US-amerikanischen S&P-500-Unternehmen Raymond James erworben wurde. Danach war sie Geschäftsführerin sowie Leitung des deutschsprachigen Consumer & Retail-Geschäfts bei Raymond James mit Fokus auf Digital Consumer Lifestyle (Premium Brands, eCom, D2C).

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