12.06.2025

Lyft übernimmt Freenow: 175-Mio.-Exit als Tiefpunkt multimodaler OEM-Strategien

Nach einer längeren Phase rückläufiger Investitionen im Bereich urbaner Mobilitätsplattformen – auch bedingt durch regulatorische Unsicherheiten und strukturellen Margendruck – setzt die Übernahme von Freenow durch den US-amerikanischen Ride-Hailing-Anbieter Lyft im April 2025 ein deutliches Signal für die Konsolidierung des europäischen Marktes

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Nach einer längeren Phase rückläufiger Investitionen im Bereich urbaner Mobilitätsplattformen – auch bedingt durch regulatorische Unsicherheiten und strukturellen Margendruck – setzt die Übernahme von Freenow durch den US-amerikanischen Ride-Hailing-Anbieter Lyft im April 2025 ein deutliches Signal für die Konsolidierung des europäischen Marktes. Das Transaktionsvolumen des All-Cash-Deals beläuft sich auf rund 175 Mio. EUR.

Freenow, das 2019 als Joint Venture der Automobilkonzerne BMW und Mercedes-Benz gegründet wurde, vereint rund 150.000 registrierte Fahrer in über 150 Städten Europas und steigerte zuletzt sein jährlich vermitteltes Bruttotransaktionsvolumen auf circa 1,0 Mrd. EUR. Die Nutzerbasis umfasst derzeit circa 50 Millionen registrierte Kunden, wobei der operative Fokus zuletzt auf Märkten wie Deutschland, Spanien und Frankreich lag. Dank der verstärkten Ausrichtung auf das Taxi-Geschäft steigerte Freenow seinen Umsatz YoY (08/2024) um ca. 13% und liegt damit auf gutem Kurs, die Vorjahresdaten aus 2023 – Umsatz von 56,8 Mio. EUR und Nettoergebnis von -131,2 Mio. EUR – zu übertreffen. Neben dem Kern des Taxi-Geschäfts bietet Freenow eine multimodale Mobilitätsplattform, die auch E-Scooter, E-Bikes, Carsharing und Mietwagen von Partnern wie TIER, VOI, Miles oder SIXT integriert.

Lyft, das zuletzt in den USA eine konsequente Neupositionierung eingeleitet hat, nutzt die Übernahme gezielt zur geografischen Expansion. Freenow öffnet dabei die Tür für den Eintritt in einen EU-Gesamtmarkt für Ride-Hailing im Volumen von circa 16 Mrd. EUR (2024), der laut Prognosen bis 2030 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 6,8% auf über 25 Mrd. EUR anwachsen soll. Unternehmensangaben zufolge verdopple sich der Zielmarkt durch die Übernahme von etwa 161 Mrd. Fahrten mit Privatfahrzeugen auf über 300 Mrd. Fahrten pro Jahr. Und das, obwohl der durchschnittliche Umsatz pro Nutzer in den USA mit knapp 590 USD deutlich über dem europäischen Niveau von circa 115 USD liegt.

„Mit dem Erwerb von Freenow sichern wir uns unmittelbaren Zugang zu Millionen von Fahrgästen und tausenden lizenzierten Fahrern in Europas Schlüsselstädten – ohne aufwendige Markteintrittsverfahren“, kommentierte Lyft-CEO David Risher. Der Integrationsplan sieht die vollständige Migration der Freenow-Plattform auf die Lyft-Technologie bis Ende 2026 vor. Zudem wird mittelfristig eine Markenzusammenführung angestrebt. Mit dem Deal positioniert sich Lyft als ernstzunehmender Herausforderer von Uber im europäischen Markt, den Uber mit wenigen Ausnahmen bislang klar dominiert.

Die Übernahme von Freenow markiert vor allem das vorläufige Scheitern der OEMs beim Versuch, eigenständig ein skalierbares Plattformmodell im europäischen Mobilitätsmarkt zu etablieren. Nachdem BMW und Mercedes im Vorfeld des Exits von 2018 bis 2021 über 1,3 Mrd. EUR in das Joint Venture investiert hatten und auch VW (MOIA) und Stellantis (Free2Move) zuletzt ihre Mobilitätsstrategien neu justiert oder vollständig eingestellt hatten, reichten weder Kapital noch Markenzugang aus, um operative Effizienz und nachhaltige Marktdurchdringung zu erreichen. Ob Lyft dies nun besser gelingt, bleibt abzuwarten. Analysten sehen in der Transaktion einen möglichen Ankerpunkt für weitere Bewegungen im Mobility-Tech-Sektor. Besonders bei zweit- oder drittplatzierten Plattformen mit etablierter Nutzerbasis, aber begrenztem Kapitalzugang könnten sich bald neue Dynamiken entfalten.

EMERGERS-Autoren: Florian Herold & Noah Schneider

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