08.02.2024

M&A-Markt 2024 – kommt endlich die erwartete Erholung?

Im Jahr 2023 haben wir bereits die zweite Flaute in Folge auf dem M&A-Markt erlebt – und das nach einem deutlichen Einbruch im Jahr 2022. Zum Auftakt der M&A REVIEW 2024 haben wir Expertenmeinungen zum M&A-Markt eingeholt. Während die rückblickenden Eindrücke für 2023 recht unterschiedlich ausfallen, sind sich die M&A-Experten für 2024 relativ einig: Das Jahr scheint die lang ersehnte positive Entwicklung zu versprechen. Insbesondere die zunehmenden Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Nachfolgesuche oder der Druck zur Digitalisierung könnten eine Zunahme der Deals im Small- und Mid-Cap-Segment forcieren.

Bewertung & Kapitalmärkte

1. Einleitung

Im Jahr 2023 haben wir bereits die zweite Flaute in Folge auf dem M&A-Markt erlebt – und das nach einem deutlichen Einbruch im Jahr 2022. Zum Auftakt der M&A REVIEW 2024 haben wir Expertenmeinungen zum M&A-Markt eingeholt. Während die rückblickenden Eindrücke für 2023 recht unterschiedlich ausfallen, sind sich die M&A-Experten für 2024 relativ einig: Das Jahr scheint die lang ersehnte positive Entwicklung zu versprechen. Insbesondere die zunehmenden Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Nachfolgesuche oder der Druck zur Digitalisierung könnten eine Zunahme der Deals im Small- und Mid-Cap-Segment forcieren.

2. Das Jahr 2023 war aus M&A Sicht durchwachsen

„Das Jahr 2023 verlief aus M&A-Sicht durchwachsen“, bestätigt Jan Pörschmann, Managing Partner von atares. „Gerade in konjunkturabhängigen, personal- oder energieintensiven Branchen klafften Wert- und Preisvorstellungen auseinander. Die explodierenden Refinanzierungskosten trugen neben der geopolitischen und konjunkturellen Situation wesentlich dazu bei. Der Large-Cap-Markt ist 2023 nahezu zum Erliegen gekommen. Und aus Sicht des Wirtschaftsstandorts Deutschland stimmt es mich nachdenklich, dass die größte Large-Cap-Transaktion der Verkauf des Wärmepumpengeschäfts der Familie Viessmann an einen amerikanischen Anbieter war. Provokant gefragt: Wären die 10 Mrd. EUR Subventionen für eine reine Produktionsstätte eines amerikanischen Halbleiterherstellers in Deutschland nicht volkswirtschaftlich sinnvoller in einem deutschen Unternehmen zur Entwicklung von Zukunftstechnologien angelegt? Der M&A-Markt im Small- und Mid-Cap-Segment war mit einem Minus von 10% bei der Anzahl der Transaktionen nur leicht rückläufig. Technologietransaktionen machen mit über 30% den größten Anteil der Deals aus.“

Zu den Besonderheiten bei M&A-Transaktionen in 2023 aus rechtlicher Sicht äußert sich Boris Dürr, Managing Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek: „Für den M&A-Markt war 2023 kein Rekordjahr und Large-Cap-Transaktionen waren eher Mangelware, aber im Mid-Cap- und Small-Cap-Segment gab es einen stetigen Dealflow. Gleichwohl waren auch hier Veränderungen sichtbar. Eingeschränkte Möglichkeiten für Akquisitionsfinanzierungen führten zu einer Zunahme von Vendor Loans. Daraus folgte die Diskussion, ob der Vendor Loan zugleich als Einbehalt für mögliche Garantie- oder Freistellungsansprüche dient. Bei konkret identifizierten Risiken wurde eine Sicherungsfunktion des Vendor Loan häufiger akzeptiert, wohingegen eine Absicherung rein abstrakter Risiken eher unüblich bleibt.

Viele Transaktionen waren zudem von einer stärkeren Risikoaversion geprägt. Die Folge war unter anderem eine deutliche Zunahme von Earn-outs. So konnte zunächst das Bewertungsgap überbrückt werden. Earn-out-Klauseln gehören aber zu den streitanfälligsten Themen beim Unternehmenskauf. Häufig werden mögliche Veränderungen bis zur Fälligkeit des Earn-out nicht ausreichend berücksichtigt. Das Ergebnis ist häufig für eine Seite nicht befriedigend, und die Angelegenheit endet in einem Rechtsstreit – die zunächst attraktive Lösung über einen Earn-out entpuppt sich dann rückblickend als Pyrrhussieg.

Ebenfalls stärker spürbar ist die Angst vor „Broken Deals“ und den damit verbundenen frustrierten Aufwendungen. Die Parteien versuchen daher schon zu Beginn der Transaktion mögliche Dealbreaker durch detaillierte Regelungen im LoI oder Term Sheet auszuräumen. Die Praxis zeigt aber, dass dies eher kontraproduktiv ist und in späteren Transaktionsphasen zur Belastung werden kann. Solche Vereinbarungen basieren auf unterschiedlichen Kenntnissen der Parteien über das Target, die Regelungen werden daher abstrakt, ohne Bezug zu tatsächlichen Verhältnissen verhandelt. Wenn später Probleme auftreten, helfen die anfänglich abstrakt getroffenen Vereinbarungen oft nicht weiter, sondern führen eher zu einer Blockade. Während eine Partei sich nicht mehr an die Abrede gebunden fühlt, da jetzt ja konkrete neue Kenntnisse vorliegen, beharrt die andere Partei auf der Einhaltung der ursprünglichen Vereinbarung. Der Versuch, in einem frühen Stadium detaillierte Regelungen zum Beispiel zu Garantien und Freistellungen zu formulieren, ist daher meist keine Hilfe, sondern eher ein Risiko für die Transaktionssicherheit.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der M&A-Markt weiterhin gut funktioniert, aber aufgrund der Veränderungen im Markt mehr Augenmerk auf individuelle Lösungen gelegt werden muss. Für das gerade begonnene M&A-Jahr 2024 wünsche ich mir einen weiterhin guten Dealflow in Kombination mit einem Rückgang der Nervosität bei den Beteiligten, die vielfach kontraproduktiv ist.”

Hans-Jürgen Rondorff, Partner, Advisory Services/Corporate Finance – M&A, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bezeichnet den M&A-Markt 2023 – gemessen an der Anzahl der Transaktionen – deutlich robuster, als es die aktuelle Stimmung wiedergibt. Woran liegt das?

„Ich denke, es gibt insgesamt eine hohe Übereinstimmung im Markt über die einzelnen Ursache-Wirkungsketten (geopolitisch, Zinsumfeld/Refinanzierung, Digitalisierungsdruck, Fachkräftemangel etc.). Die tatsächliche Betroffenheit (qualitativ/quantitativ) einzelner Gruppen von Marktteilnehmern sowie deren jeweilige Positionierung (Corporate, PE, Banken, Berater) ist allerdings naturgemäß sehr unterschiedlich.

Die Mainstream-Kommunikation hat einen starken Fokus auf M&A-Transaction-Value sowie PEs (Fundraising, LBO-Finanzierungsumfeld etc.). Nur wenige berichten davon, dass die Anzahl der Transaktionen 2023 nach wie vor 60% bis 80%(!), abhängig vom Vergleichszeitraum, über dem langfristigen Durchschnitt liegt.

Das heißt natürlich nicht, dass nur Large-Cap-Transaktionen betroffen sind und bei SME-Transaktionen alles „bueno“ ist. Das wäre zu einfach; zur Wahrheit gehört auch, dass die Due-Diligence-Anforderungen permanent steigen und die Prozesse damit länger dauern, insbesondere ohne Fact Books. Die Zeiten von „accelerated auctions“ sowie „DD-light“ sind vorbei.

Mein Kurzfazit daher: Die Lage im SME-Segment ist nach wie vor gut, die Stimmung ausbaufähig beziehungsweise es haben sich noch nicht alle neu kalibriert.“

Und wie sieht es bei der Workstream IT aus? Diese hat 2023 bei M&A-Transaktionen weiter an Bedeutung gewonnen. „Im vergangenen Jahr wurden verstärkt die Auswirkungen geopolitischer und makroökonomischer Veränderungen auf die Informationstechnologie (IT) diskutiert und analysiert. In der Due-Diligence-Phase hat insbesondere die Prüfung der Resilienz in Bezug auf Cybersecurity und Business Continuity an Relevanz gewonnen“, weiß Max Schmitt, Senior Manager Competence Center Lead Carve-Out & Integration der kobaltblau Management Consultants GmbH, und wagt einen vorausschauenden Blick: „Gleichzeitig zeichnen sich klare Trends für die Zukunft ab. Unternehmen erkennen, dass es wichtig ist, die Komplexität der IT bei M&A-Transaktionen zu reduzieren, und setzen verstärkt auf eine umfassende Vorbereitung der IT-Organisation und der IT-Zielarchitektur zum Beispiel durch die Erstellung und Nutzung von IT-Carve-outs oder Integration Run-Books.

Mit der Umsetzung von Konzepten wie Zero Trust oder Composable Architectures und entsprechenden Architektur-, Netzwerk-, Cloud- und Applikationsstrategien reagieren Unternehmen flexibler und effizienter auf Veränderungen und Transaktionen.

Eine weitere Möglichkeit der Komplexitätsreduktion liegt im Outsourcing. Insbesondere in Carve-out-Szenarien lagern Unternehmen zunehmend Commodity-Themen, wie z. B. die IT-Infrastruktur, an spezialisierte Partner aus. So können sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und gleichzeitig von effizienten, standardisierten und kostengünstigen IT-Lösungen profitieren.

Wir stellen fest, dass Unternehmen, die frühzeitig in eine transaktionsfähige IT investieren, den Herausforderungen einer sich wandelnden Geschäftswelt erfolgreicher begegnen und Mehrwerte aus ihren M&A-Aktivitäten ziehen können.“

3. Doch was sagen die Experten mit Blick auf das Jahr 2024?

In seiner Funktion als Vorstand des Bundesverbands M&A wagt Jan Pörschmann einen Ausblick auf das neue Jahr: „Die makroökonomische Ausgangslage für 2024 bleibt herausfordernd. Die Politik schenkt der Wirtschaft wenig Aufmerksamkeit. Der demografische Wandel verschärft die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die geopolitische Unsicherheit, die die Lieferketten und die Exportnachfrage maßgeblich beeinflusst, bleibt bestehen. Die Zinsen bleiben auf Rekordhoch und verteuern Investitionen. Der M&A-Markt entwickelt sich zunehmend zu einem Käufermarkt. Wir sehen für 2024 viele Ansätze für transformatives M&A: Einstieg in VC-finanzierte Technologieunternehmen als Know-how-Quelle und Wachstumschance, Konsolidierung in Dienstleistungsbranchen mit dem Ziel, die Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen und die Effizienz zu steigern, oder Zusammenschlüsse in vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, um Skaleneffekte zu erzielen. Darüber hinaus werden Portfoliobereinigungen im Corporate-Umfeld und Secondary Deals im PE-Umfeld zu den Markttreibern gehören, neben den nicht versiegenden Nachfolgesituationen. Insgesamt blicke ich positiv in das Jahr 2024. Spannend wird die Frage, wie sich das M&A-Geschäft durch die zunehmende Digitalisierung der Prozesse verändern wird. Hier haben wir uns im Vorstand des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions vorgenommen, viele neue Impulse zu setzen und Dialogräume zu schaffen.

Auch Dr. Michael R. Drill, CEO Deutschland von Lincoln International, erwartet trotz der herausfordernden makroökonomischen und geopolitischen Rahmenbedingungen eine Belebung der M&A-Aktivität in Deutschland: „Die zunehmende Globalisierung und die wachsende Bedeutung digitaler Geschäftsmodelle zwingt viele mittelgroße Unternehmen zu mutigen Akquisitionsstrategien oder aber zu einem Verkauf an einen größeren oder finanzkräftigen Partner. Kürzere Produkt- und Unternehmenszyklen erfordern von deutschen Großkonzernen eine ständige Prüfung ihres Unternehmensportfolios. Weitere Gründe für das zunehmend schnelle „Drehen“ von Konzernportfolios sind ESG-Überlegungen sowie der steigende Druck von aktivistischen Großaktionären. In der Konsequenz führt dies dazu, dass viele Gesellschaften es sich nicht mehr leisten können, Portfolioarrondierungen auf die lange Bank zu schieben. Ähnliches gilt für viele deutsche Private-Equity-Portfolios, die immer älter werden. Hier rechnen wir in den nächsten Jahren mit einer Exit-Welle.

Unsere aktuelle Mandatspipeline bestätigt unseren Ausblick, dass 2024 die Anzahl Deals mit deutscher Beteiligung um 20% gegenüber dem schwachen laufenden Jahr steigen wird. Nicht zuletzt aufgrund der abnehmenden Gewinndynamik vieler Unternehmen werden die Kaufpreis-Multiplikatoren weiter unter Druck kommen. Gleichzeitig werden M&A-Prozesse im Regelfall mehr Zeit in Anspruch nehmen. Der Anteil grenzüberschreitender Deals wird im kommenden Jahr auf circa 75% weiter steigen. Wie in den Vorjahren werden Ausländer mehr Unternehmen in Deutschland akquirieren als umgekehrt. Wichtigste Käufer- und Target-Nation für deutsche Unternehmen bleiben die USA. Und schließlich dürfte ein Großteil der Transaktionen im sogenannten Mid-Cap-Segment stattfinden, während Large-Cap-Deals im Milliardenbereich die Ausnahme darstellen werden.“

Ashkan Kalantary, Managing Partner TCG Corporate Finance, gibt einen kurzen Ausblick auf die mögliche Entwicklung des M&A-Tech-Marktes: „Die externen Faktoren deuten für Tech-M&A auf eine vielversprechende Entwicklung im ersten Quartal hin. Die Stabilisierung des Zinsniveaus sowie das Erreichen des Inflationspeaks schaffen ein günstiges Umfeld. Insbesondere High-Growth-Unternehmen, die kürzlich übermäßig abgewertet wurden, dürften von diesen Bedingungen erheblich profitieren. Diese positive Tendenz ist bereits an der amerikanischen Börse erkennbar und wird voraussichtlich bald im Private-Equity-Geschäft nachvollzogen werden.

Im B2B-Softwarebereich bleiben die Bewertungen weiterhin hoch, und einige kürzlich abgeschlossene Deals haben regelrecht die Erwartungen übertroffen. Solange die Software-Metriken überzeugen, stehen im Sektor B2B-Software weiterhin bedeutende Deals im Raum. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass vor drei bis vier Jahren einige Software-Deals zu hohen Bewertungen abgeschlossen wurden. Für einige dieser Fonds und Private-Equity-Unternehmen ist nun die übliche Haltedauer erreicht. Infolgedessen ist zu erwarten, dass in absehbarer Zeit wieder bedeutende Deals auf den Markt kommen werden. Dieser Trend wird voraussichtlich nicht nur die B2B-Softwarebranche, sondern auch das Private-Equity-Geschäft insgesamt positiv beeinflussen. Auch Carve-outs aus größeren Konglomeraten können in diesem Marktumfeld wieder an Relevanz gewinnen. Wer gut vorbereitet sein will, sollte jetzt schon die richtigen finanziellen Kennzahlen und Metriken vorbereiten, um die zu erwartenden hohen Bewertungen zu erzielen.“

Und zu guter Letzt sollten auch die Einflüsse der immer bedeutend werdender KI einbezogen werden. Hierzu äußert sich Andreas Kinsky, Partner bei Pava Partners: „Für manche Bereiche im Dienstleistungssektor wird es schwieriger, gute Bewertungen zu erhalten. Denn der Bedarf an White-Collar-Angestellten könnte in den nächsten Jahren durch den Einsatz von KI stark zurückgehen und einige Arbeitsplätze sogar ganz überflüssig machen. Wenn die Arbeit des Dienstleistungssektors von Rechtsanwaltskanzleien über Steuerberatungsunternehmen bis hin zu Wirtschaftsprüfern einmal betroffen ist, wird es zu massiven Konsolidierungen kommen. Rechtsanwälte und andere Berufsgruppen aus dem Dienstleistungsbereich wird die KI-Revolution früher treffen als den Handwerkssektor. Der Einsatz von KI verändert Firmen viel schneller, als wir das aktuell wahrnehmen. Unsere Erfahrung zeigt, dass das Fortschreiten der Digitalisierung nicht automatisch mehr Geschäft bringt. Das Produkt bleibt auch mit dem Einsatz von KI das gleiche, allerdings werden die Prozesse dramatisch effizienter.

Auch unsere Branche, die M&A-Beratung, wird von den Einflüssen der KI nicht verschont bleiben. In naher Zukunft wird zum Beispiel die menschliche Arbeitskraft wahrscheinlich weniger effizient als KI-basierte Systeme sein, eine Longlist möglicher Investoren zu erstellen. Diese und vergleichbare datenbasierte Aufgaben werden also wegfallen.

Allerdings wird es auch in unserem Geschäft Aufgaben geben, die nach meiner Einschätzung immer der menschlichen Arbeitskraft vorbehalten bleiben. Dazu gehört sicherlich die Kundenakquise und die persönliche, vertrauensvolle Beratung der Mandanten über den Prozess einer Unternehmenstransaktion hinweg, die zumeist viel diplomatisches Geschick und Fingerspitzengefühl erfordert. Das wird eine KI auch in absehbarer Zukunft nicht leisten können.“

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