01.07.2025 | Stefan Eggers

M&A als Wachstumstreiber familiengeführter Unternehmen im dt. Mittelstand

Faktoren wie Marktsättigung, Fachkräftemangel und technologischer Wandel setzen viele Familienunternehmen zunehmend unter Druck. Doch sie können auch Impulse für strategisches Wachstum sein.

Faktoren wie Marktsättigung, Fachkräftemangel und technologischer Wandel setzen viele Familienunternehmen zunehmend unter Druck. Doch sie können auch Impulse für strategisches Wachstum sein.

In gesättigten Märkten wird organisches Wachstum zunehmend be-grenzt, gezielte Unternehmenszukäufe gewinnen an Bedeutung, etwa um neue Kundenzugänge, Produktportfolios oder Marktsegmente zu erschließen. Gleichzeitig eröffnet die Übernahme neuer Fachkräfte zusätzliche Chancen für Umsatzwachstum, insbesondere in einem umkämpften Arbeitsmarkt. Auch technologische Transformationen lassen sich durch den Zugang zu innovativen Lösungen, digitalem Know-how oder skalierbaren Plattformen beschleunigen. Entscheidend ist jedoch, dass nicht jeder Zukauf automatisch ein Gewinn ist, die unternehmerische Passgenauigkeit und Integration nach der Transaktion bleibt der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg.

Abb. 1 M&A-Aktivitäten innerhalb Deutschlands

Abb. Quelle: Capital IQ

Quelle: Capital IQ

Im Jahr 2024 entfielen etwa 83 Prozent der in Deutschland realisierten M&A-Transaktionen, einschließlich Erwerb und Veräußerung, auf Investoren innerhalb des europäischen Raums. Die USA und Kanada erreichten einen Anteil von 11 Prozent, während aus Asien getätigte Investments nur einen Anteil von 3,6 Prozent ausmachten.

Trotz eines stagnierenden wirtschaftlichen Umfelds und zahlreicher Krisen blieb das Transaktionsgeschehen in den vergangenen Jahren insgesamt bemerkenswert stabil. Der Rückgang im Jahr 2023 lässt sich vor allem auf die zeitverzögerten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurückführen. 2024 setzte sich dieser Trend fort, wenngleich in abgeschwächter Form. Bemerkenswert ist jedoch, dass trotz eines Rückgangs auf 1.263 Transaktionen das durchschnittliche Volumen im Jahr 2024 deutlich anstieg und einen Durchschnittswert von rund 25 Millionen Euro erreichte. Ausschlaggebend hierbei waren höhere Volumina der einzelnen Transaktionen.

Der Zukauf eines Unternehmens ist nicht nur eine Investition, sondern ein bedeutender strategischer Schritt mit weitreichender Wirkung. Die folgenden Abschnitte erläutern zentrale Erfolgsfaktoren, die für eine fundierte Vorbereitung und eine wirkungsvolle Umsetzung entscheidend sind.

Sorgfältige Vorbereitung des Transaktionsgegenstandes

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Familienunternehmen ist ein tiefes Verständnis des lokalen Marktes, von Branchentrends über wirtschaftliche Rahmenbedingungen bis hin zu regionalen Besonderheiten und kulturellen Prägungen des deutschen Mittelstands. Um diese Strukturen fundiert zu analysieren und daraus tragfähige Entscheidungen abzuleiten, ist externe Expertise häufig entscheidend. Sie ergänzt das unternehmensinterne Wissen um analytische Tiefe, Transaktionserfahrung und einen objektiven Blick von außen.

Auf dieser Grundlage beginnt die gezielte Analyse des Zielmarkts. Potenzielle Übernahmekandidaten werden identifiziert und anhand vordefinierter Kriterien zunächst in einer Longlist gebündelt. Diese Unternehmen werden im Hinblick auf finanzielle Kennzahlen, Marktposition, Synergien und strategische Passung bewertet. Die daraus resultierende Shortlist umfasst jene Kandidaten, die sich, unter Begleitung erfahrener Fachleute, für vertiefte Gespräche und die nächste Phase des Prozesses
eignen.

Transparenz als Fundament des Vertrauens

Der erste Kontakt mit dem Zielunternehmen sollte gut vorbereitet sein, da während der Anfangsgespräche das Vertrauen zwischen den potenziellen Transaktionsparteien aufgebaut wird. Ziel ist es, die Motive beider Seiten zu verstehen und ein gemeinsames Leitbild für die Übernahme zu entwickeln. Wichtige Stützpfeiler werden oft früh thematisiert und später in einem Letter of Intent (LoI) schriftlich festgehalten, ein Zeichen ernsthaften Interesses und die Grundlage für weiterführende Verhandlungen.

Die Verhandlungskultur variiert je nach Herkunft der Beteiligten, in Deutschland ist sie meist konsensorientiert. Unternehmer legen Wert auf verbindliche, ausgewogene Lösungen, Nachverhandlungen gelten als vertrauensschädigend. Klare Absprachen von Beginn an sind daher entscheidend. Vertrauen entsteht zudem, wenn die Übernahme als Teil einer langfristigen Strategie vermittelt wird, sowohl unternehmerisch als auch persönlich. Wer regionale Verbundenheit und Verantwortung zeigt, gewinnt an Glaubwürdigkeit.

Due Diligence als potenzieller Deal Breaker

Zentraler Bestandteil der Due-Diligence-Prozesse sind die gegenseitigen Informationsanforderungen. Statt umfangreicher Listen ohne Abstimmung ist ein strukturierter, respektvoller Austausch entscheidend, um die Kooperationsbereitschaft zu fördern und den Ablauf zu harmonisieren. Gerade bei Übernahmen innerhalb derselben Branche ist besondere Sorgfalt geboten, da sensible Unterlagen häufig wettbewerbsrechtliche Fragen aufwerfen. Um Risiken zu vermeiden, ist rechtliche Expertise daher unverzichtbar. Gleichzeitig sollte die Käuferseite angesichts der in Deutschland verbreiteten M&A-Skepsis frühzeitig Transparenz schaffen und durch verbindliche Zusagen Vertrauen aufbauen.

Für eine fundierte Due Diligence ist lokale Expertise unerlässlich, fachlich wie kulturell. Zentrale Stakeholder wie Management, Betriebsrat, Banken und Behörden sollten frühzeitig eingebunden werden, auch wenn Verkäufer dabei oft zögern. Vereinbarungen mit dem Betriebsrat und ggf. Gewerkschaften sind entscheidend, um rechtliche Rahmenbedingungen und Interessen früh zu klären.

Was macht eine erfolgreiche Post-Merger-Integration (PMI) aus?

Der Erfolg einer Transaktion hängt maßgeblich von einer vorausschauenden und fundierten Vorbereitung durch erfahrene Fachleute ab. Dies kann zum Beispiel durch die frühzeitige Einbindung von Interimsmanagern für die PMI unterstützt werden. Für die rechtliche Begleitung sollten möglichst deutsche Anwälte mit Erfahrung im Umgang mit kleinen und mittelständischen Unternehmen eingebunden werden. Diese verfügen nicht nur über das notwendige Fachwissen, sondern auch über das erforderliche Feingefühl im Umgang mit inhabergeführten Strukturen und den spezifischen Erwartungen der Verkäuferseite. Eine systematische Umsetzungsplanung sowie die frühe Einbindung wichtiger Mitarbeitender sind zentrale Erfolgsfaktoren für eine gelungene PMI.

In Deutschland legt in der Regel der Käufer den ersten Entwurf des Kaufvertrags vor und bestimmt damit frühzeitig die Richtung der Verhandlungen. Bei der Gestaltung des Angebots ist zu berücksichtigen, dass Barzahlungen üblich sind, während Bonuszahlungen (Earn-Out) häufig auf Vorbehalte stoßen. Nachverhandlungen gelten als besonders sensibel und sollten stets sachlich sowie idealerweise im persönlichen Gespräch begründet werden, da schriftliche Forderungen ohne vorherigen Austausch oft auf Widerstand oder Unverständnis treffen.

Fazit

M&A-Transaktionen im Umfeld von Familienunternehmen erfordern weit mehr als wirtschaftliches Kalkül, sie verlangen auch Fingerspitzengefühl für Strategie, Kultur und persönliche Dynamiken. Entscheidend sind lokale Marktkenntnis, offene Kommunikation und vertrauensbildendes Handeln. Aufgrund der aktuellen Marktlage, in der der ökonomische Druck und sinkende Unternehmensbewertungen zunehmen, entsteht ein günstiges Umfeld für gut vorbereitete Käufer. Das bedeutet, es gibt ein Zeitfenster, in dem strategisch passende Transaktionen zu attraktiven Konditionen möglich sind. Wer diese Faktoren berücksichtigt, schafft die Basis für beschleunigtes, langfristiges Wachstum durch gezielte M&A-Aktivitäten.

Autor
Stefan Eggers

Stefan Eggers ist Senior Manager bei Grant Thornton Deutschland im Bereich Deal Advisory. Er verfügt über mehr als 18 Jahre Berufserfahrung in der Begleitung von Transaktionen mit Mittelstandsunternehmen. Die Schwerpunkte seiner Expertise liegen in den Bereichen Logistik, Maschinen- und Anlagebau, Distressed M&A und Handel.

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