Nachfolge in Etappen
Seit dem Jahreswechsel sind die früheren Angestellten Dieter Sojak und Jörg Borneis-Eifert Alleingesellschafter von VOTRONIC. Der Rollenwechsel gelang auch durch die Beteiligung eines Eigenkapitalfinanzierers.
Seit dem Jahreswechsel sind die früheren Angestellten Dieter Sojak und Jörg Borneis-Eifert Alleingesellschafter von VOTRONIC. Der Rollenwechsel gelang auch durch die Beteiligung eines Eigenkapitalfinanzierers.
Auch in diesem Sommer werden wieder viele Europäer mit Wohnmobil oder angehängtem Wohnwagen in den Urlaub reisen. Mehr als 220.000 neue Reisemobile und Caravans wurden 2024 zugelassen, allein in Deutschland waren es mehr als 96.000 Stück. Der Markt wächst seit Jahren – und damit es im Wohnmobil und Wohnwagen wohnlich wird, braucht es zuverlässige Bordelektronik. Genau dafür sorgt seit mehr als 30 Jahren der hessische Elektronikspezialist VOTRONIC. Die mobilen Ladegeräte, Füllstands-Messsysteme oder Gleichspannungswandler des Lauterbacher Mittelständlers werden aber auch in Feuerwehrfahrzeugen, Krankenwagen und anderen Einsatzfahrzeugen verbaut. Mit seinen zuverlässigen Elektronikkomponenten hatte sich das Unternehmen eine feste Position im Markt erarbeitet. Dennoch war es Ende 2017 Zeit für Veränderungen, denn die beiden Gründer sahen die Zeit gekommen für eine Nachfolgelösung.
Beide bereits über 60 Jahre alt, aber ohne familieninterne Nachfolgeoption, beauftragten sie eine M&A-Beratung mit der Suche nach einer externen Lösung. Zugleich zeigte sich, dass innerhalb der Firma zwei VOTRONIC-Führungskräfte Interesse hatten, die Nachfolge anzutreten – operativ wie auch als Gesellschafter: Dieter Sojak, kaufmännischer Leiter, und Jörg Borneis-Eifert, Leiter der Entwicklungsabteilung.
Die Parallelen zu den VOTRONIC-Gründern waren dabei bemerkenswert, denn im Gründerteam hatten vor mehr als 30 Jahren ein Kaufmann und ein Tüftler zusammengefunden. Jetzt war Dieter Sojak das kaufmännische Talent und Jörg Borneis-Eifert der leidenschaftliche Tüftler. Diese Rollen- und Stärkenverteilung hatte seit der Unternehmensgründung vorzüglich harmoniert. Warum sollte sie sich nicht auch für eine Fortschreibung der Erfolgsgeschichte von VOTRONIC eignen?
Gemeinsam und mit Partner
Ein klassischer Management-Buy-out zeichnete sich ab. Dazu musste die Frage nach der Finanzierung des Kaufpreises geklärt werden. Banken finanzieren MBOs nur, wenn ausreichend Eigenkapital in die Struktur eingebracht wird. Das konnten die beiden Nachfolger nicht aus eigener Kraft aufbringen – nicht ungewöhnlich bei „internen“ Nachfolgelösungen. Zudem hatten beide keine Erfahrung mit Buy-out-Strukturen und den daraus resultierenden üblichen Anforderungen der Finanzierungspartner. Die Volksbank Lauterbach Schlitz eG, heute die VOTRONIC-Hausbank und damals in die Akquisitionsfinanzierung eingebunden, gab den entscheidenden Hinweis: Im genossenschaftlichen Verbund gibt es die Beteiligungsgesellschaft VR Equitypartner (VREP) – spezialisiert auf Eigenkapitallösungen und erfahren in der Umsetzung von Unternehmensnachfolgen. Deren Einbeziehung würde die Finanzierung deutlich vereinfachen.
Dieter Sojak erinnert sich: „Uns war nach den ersten Gesprächen rasch klar: VR Equitypartner ist der richtige Partner für uns. Da stimmte die Chemie von Anfang an.“ Bei den anderen Finanzinvestoren passte hingegen weder die Chemie noch gab es eine regionale oder inhaltliche Verbindung zu VOTRONIC. Auch VREP war schnell überzeugt – obwohl VOTRONIC eigentlich umsatzseitig unterhalb des „Sweet Spots“ der Eigenkapitalfinanzierer war. Geschäftsführer Christian Futterlieb: „Das Unternehmen war bemerkenswert profitabel, und die beiden neuen Geschäftsführer waren schon bisher maßgeblich am Unternehmenserfolg beteiligt gewesen. Wir waren sicher, dass sie VOTRONIC zuverlässig im Sinne der Gründer weiterführen würden.“
Den beiden Altgesellschaftern war es wichtig, dass ihr Erbe als Familienunternehmen erhalten bliebe. Diese Option war mit VR Equitypartner als Minderheitsgesellschafter umsetzbar, und so wurde die Transaktion nach einem strukturierten Prozess im Frühjahr 2019 vollzogen. Es folgten bewegte Zeiten.
Eine neue Rolle
Zum einen galt es für die beiden neuen Geschäftsführer, in ihre Rollen zu finden. Sie wollten von Anfang an ihren eigenen Führungsstil etablieren. Wichtigstes Ziel dabei: Mit einem kooperativen Ansatz möglichst viele Mitarbeiter auf der Reise in die VOTRONIC-Zukunft mitzunehmen. Die neue Führungskultur stieß auf breite Akzeptanz. Zufriedenheit, Bindung und nicht zuletzt auch die Motivation stiegen – und sorgten für wirtschaftliche Erfolge.
Zum anderen wurde der Wechsel auch auf Kundenseite wohlwollend aufgenommen. Die Nachfrage wuchs trotz – vielleicht sogar wegen – der Einschränkungen der Corona-Jahre zusätzlich: Caravaning war gefragt, und entsprechend wurde umso mehr in die „eigenen vier Wände unterwegs“ investiert. Bis Ende 2022 verdreifachte VOTRONIC den Umsatz beinahe. Das Unternehmen platzte aus allen Nähten. Da passte es bestens, dass das Gebäude gleich gegenüber zum Verkauf stand. Zwar war die Fläche deutlich größer als eigentlich benötigt, trotzdem entschied sich die neue Unternehmensführung nach eingehender Beratung mit dem Mitgesellschafter VR Equitypartner für den Kauf und einen Umzug. Teile der Fläche konnten nun erstmals auch für größere Veranstaltungen wie z.B. Schulungen genutzt werden. In einer neu ins Leben gerufenen eigenen Akademiereihe berät und schult VOTRONIC inzwischen seine gewerblichen Kunden.
Turbulenzen und Stabilität
Für das Management war in diesen Jahren kaum an anderes zu denken als das Tagesgeschäft. Für große strategische Würfe blieb keine Zeit. Denn so erfreulich die Nachfrageexplosion war, so aufreibend war das Abarbeiten der zahlreichen Aufträge. Das begann mit der vorübergehenden Aufteilung der Belegschaft in einen Zwei-Schicht-Betrieb, um pandemiebedingte Abstandsregeln einzuhalten. Krankheitsausfälle er-schwerten die Arbeit zusätzlich. Weil der wichtige Liefer- und Handelsdrehplatz China deutlich länger im Lockdown blieb als andere Teile der Welt, fehlten in vielen Branchen notwendige Elektronikbauteile. Durch die Havarie im Suezkanal verzögerten sich Lieferzeiten zusätzlich. Doch VOTRONIC konnte dank des – nach dem Umzug nun vorhandenen – Lagerplatzes und einer guten Liquiditätslage das Lager so ausbauen, dass man produktions- und lieferfähig blieb. VREP-Geschäftsführer Futterlieb betont: „Eine der Hauptstärken bei VOTRONIC ist neben dem technischen Know-how und der überzeugenden Qualität der Produkte die Flexibilität, mit der die Produktion auf Kundenwünsche reagiert. Auch wenn die Rahmenbedingungen nicht einfach sind.“
Kaum war die akute Pandemie vorüber, sorgte der Krieg in der Ukraine mit darauffolgenden Preisanstiegen für einen unerwartet deutlichen Nachfragerückgang. Die VOTRONIC-Kunden im Handelsbereich saßen auf vollen Lagern – und entsprechend ging der Umsatz 2023 deutlich zurück. Trotzdem war das Unternehmen stets liquide, Zinsen und Tilgungen wurden wie vereinbart pünktlich gezahlt. So gab es nie Probleme mit den Banken.
Diese Finanzstabilität trotz volatiler Top-Line lag zum einen an der hohen Wirtschaftlichkeit des Unternehmens und zum anderen am Mitgesellschafter VR Equitypartner. Der hielt sich zwar aus dem operativen Geschäft wie vereinbart raus, hatte aber von Anfang an viel Wert auf ein professionelles, zeitnahes Finanzreporting und eine ausgewogene Finanzierungsstruktur gelegt. Auch bei der Implementierung der erforderlichen Reportingtools unterstützte VREP. So konnten die Gesellschafter vorausschauend planen und entsprechend Geschäft und Auslastung steuern. Durch alle Turbulenzen war auch die von Anfang an gewählte konservative Finanzierungsstruktur, die auf einen hohen Leverage verzichtete, sehr hilfreich und trug dazu bei, dass sich die Nachfolger auf die Bewältigung der operativen Herausforderungen konzentrieren konnten.
Das nächste Kapitel
Im Dezember 2024 verkaufte VR Equitypartner seine Anteile an Sojak und Borneis-Eifert, die seitdem Alleingesellschafter sind. VOTRONIC ist wieder ein reines Familienunternehmen – so wie es die Gründer wollten. VREP bleibt über eine Mezzanine-Finanzierung in Form einer stillen Beteiligung dem Unternehmen verbunden und fungiert weiterhin als geschätzter Sparringspartner. Das sorgt für weitere finanzielle Stabilität und gibt der Geschäftsführung den Freiraum für weiteres Wachstum, beispielsweise durch neue Produktentwicklungen. Denn endlich können sich die Ingenieure darauf konzentrieren, statt kurzfristig Alternativlösungen für Lieferkettenengpässe zu finden. Auch das eigene Marketing und der Ausbau eines aktiven Vertriebs sollen für neue Nachfrageimpulse sorgen. Die Nachfolge ist damit abgeschlossen, die Unternehmensgeschichte von VOTRONIC geht weiter. Bis sich die Nachfolger um ihre eigenen Nachfolger kümmern müssen. Auch wenn es bis dahin noch einige Jahre sind, wissen sie jetzt schon, wie sich auch dieses Kapitel mit Erfolg umsetzen lässt.