08.03.2024 | Monika Nickl

Next Generation Female Leadership: Frauen für M&A gewinnen und binden

Es mangelt nicht an weiblichen Talenten in der M&A-Branche, auch die Arbeitsbedingungen sind nicht das Problem. Aber um weibliche Talente und Führungskräfte zu gewinnen und zu halten, muss die Branche umdenken.

Es mangelt nicht an weiblichen Talenten in der M&A-Branche, auch die Arbeitsbedingungen sind nicht das Problem. Aber um weibliche Talente und Führungskräfte zu gewinnen und zu halten, muss die Branche umdenken.

Vor über zehn Jahren hat die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Anne-Marie Slaughter einen Artikel1 wie folgt begonnen: „Why Women still can‘t have it all. It‘s time to stop fooling ourselves, says a woman who left a position of power: the women who have managed to be both mothers and top professionals are superhuman, rich, or self-employed.“

Seit diesem Artikel hat sich viel getan. Die M&A-Branche befindet sich inmitten einer Transformation, die Gestaltung einer inklusiven, vielfältigen Führungsebene ist entscheidend für ihre nachhaltige Zukunft. Der Fokus sollte nicht nur auf der Rekrutierung von Frauen liegen, sondern auch darauf, eine Umgebung zu schaffen, in der weibliche Talente – vor allem die heranwachsende neue Generation an hochqualifizierten Frauen – florieren können. Es geht darum, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Diversität als Quelle von Innovation und Wettbewerbsvorteilen betrachtet. Das schafft unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Denkweisen, was zu besseren Entscheidungen und kreativen Lösungen führt.

Wer einen Blick in einen Hörsaal der Wirtschaftswissenschaften – in dem viele Karrierewege in der M&A-Branche beginnen – wirft, wird schnell feststellen, dass es nicht an weiblichen Nachwuchskräften für den M&A-Markt mangelt. Laut Statista sind mittlerweile 45% der Studierenden dieses Fachs weiblich. Das ist ausbaufähig, aber relativ ausgewogen. Warum ist also die M&A-Branche so eindeutig männlich geprägt – insbesondere in den leitenden Positionen wie Managing Director/Partner?

Werfen wir einen Blick auf den Karrierestart: Beim Anwerben von Frauen besteht kaum ein Unterschied im Vergleich zu ihren männlichen Kontrahenten. Im Gegenteil: Frauen werden teilweise positiv diskriminiert. In M&A-Unternehmen mit einem hohen Männeranteil werden Frauen bei einer Stellenausschreibung häufig bessere Chancen eingeräumt als Männern. Das Recruiting wird gezielt auf Frauen ausgerichtet, so dass beim Berufseinstieg zwar noch kein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis erreicht ist, aber immerhin relativ viele Frauen für das Investmentbanking gewonnen werden können.

Und doch sind die Corporate-Finance-Häuser auf der Führungsebene fast ausschließlich männlich besetzt – Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Erfahrung zeigt, dass das Recruiting von Frauen nicht das Problem ist, sondern sie langfristig zu halten und ihnen den Aufstieg zu ermöglichen. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, diesem Bias gezielt entgegenzusteuern.

1. M&A-Karrierepfad: Zwischen Aufstiegschancen und familiären Hürden

Der M&A-Branche eilt ihr Ruf voraus: Eine Karriere in diesem Bereich erfordert ein hohes zeitliches und inhaltliches Engagement, es gibt viele herausfordernde und kritische Phasen. Eine Verhandlung kann auch mal bis spät in die Nacht gehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch einer der spannendsten und abwechslungsreichsten Berufe, weshalb sich viele Einsteiger von der hohen Arbeitsbelastung nicht abschrecken lassen. Nach drei Jahren kommt allerdings für viele der Cut – in den ersten Lehrjahren als Analyst zeigt sich, ob man mit der hohen Arbeitsbelastung zurechtkommt oder nicht. Viele Frauen entscheiden sich hier für einen Ausstieg aus der Beratung, weil sie in klassischen Industrien attraktivere und flexiblere Arbeitsmodelle vorfinden.

Die zweite und deutlich größere Auslese erfolgt dann nach weiteren drei bis sechs Jahren als Associate oder Vice President, also zu einem Zeitpunkt, an dem sowohl Männer als auch Frauen mit der Familienplanung beginnen. Denn der Wiedereinstieg nach der Elternzeit und die damit verbundene Vereinbarkeit von Beruf und Familie markieren insbesondere für weibliche Rückkehrer in die Arbeitswelt ein Fragezeichen. Die Folge: Laut dem M&A Gender Diversity Report von Pretraga Partners liegt der Anteil weiblicher Analysten bei 30,43%. Doch die Quote sinkt mit steigender Ranghöhe. Auf der Position des Managing Directors sind es nur noch 6,02%. Im Vergleich: In Deutschland waren laut dem Statistischen Bundesamt2 im Jahr 2022 rund 28,9% der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Der M&A-Bereich zeigt sich demnach außerordentlich männerdominiert.

2. Flexibilität für verschiedene Lebensmodelle

Da der M&A-Arbeitsalltag besonders arbeitsintensiv ist, stellt die Kinderbetreuung – die auch heute noch häufig in der Verantwortung der Frauen liegt – eine besondere Herausforderung dar. Das klassische Teilzeitmodell von 8 bis 14 Uhr lässt sich im M&A-Arbeitsalltag nur schwer umsetzen, weshalb Frauen häufig keine Zukunftsperspektive im Investmentbanking sehen. Während klassische (Strategie-)Beratungsunternehmen und auch Anwaltskanzleien dieses Dilemma bereits erkannt und mit vielfältigen Lebens- beziehungsweise Arbeitsmodellen adressieren, muss ein Paradigmenwechsel in der M&A-Branche erst noch stattfinden.

Natürlich ist es in der Beratung unerlässlich, für die Kunden erreichbar zu sein – auch zu unüblichen Arbeitszeiten. Aber Kalender lassen sich flexibel managen und Familientermine ebenso planen wie Kundentermine. Das setzt natürlich ein gutes Projektmanagement voraus. Aber wenn Familien – und vor allem Frauen als die typischen Familienmanagerinnen – etwas gut können, dann viele Interessen und Termine unter einen Hut bringen.

Das Klischee, dass Frauen deshalb für führende M&A-Positionen ungeeignet wären, ist überholt. Jeder hat unterschiedliche Lebensphasen, in denen Prioritäten anders gesetzt werden. Flexibilität lässt sich auch in unserer Branche durch einfache Maßnahmen umsetzen, unter anderem durch Remote-Arbeit (vor allem in den ersten Kinderjahren), flexible Arbeitszeiten und ein Projekt-Staffing, das die Lebensrealität der Projektmitarbeitern und -leitern widerspiegelt.

Es liegt nun an den Partnern und Managing Directors, Eltern zu befähigen, ehrgeizige Karrierepfade einzuschlagen. Eigene Rollenbilder müssen dazu jedoch hinterfragt und die Erwartungshaltung justiert werden, um diese mit den Selbstorganisationskünsten der Mitarbeitenden zu verknüpfen.

3. Klare Karrierepfade, Qualifikation und weibliche Vorbilder

Die Einführung transparenter Karriereentwicklungspläne ist ein entscheidender Schritt, um willkürliche Hürden zu minimieren. Solche Pläne müssen klare Kriterien für den Aufstieg definieren, um insbesondere qualifizierten Frauen den Weg in höhere Positionen zu erleichtern. Denn positive Diskriminierung hat besonders einen Nachteil: Höher qualifizierte Männer können außen vor bleiben, während weniger qualifizierte Frauen „zwangs“aufsteigen. Aussagen wie „Klar hast du die Stelle bekommen, weil du eine Frau bist“ führen bei beiden Geschlechtern zu Frustration und einem schlechten Betriebsklima. Vermeiden lässt sich das durch klare Leistungsindikatoren und eine objektive Bewertung. Dies bietet die Grundlage für den beruflichen Aufstieg, was auch zu mehr Sicherheit und Planbarkeit führt.

Professionelle weibliche Vorbilder in der Organisation können darüber hinaus dazu beitragen, dass diese Wege auch glaubwürdig vermittelt werden. Eine qualifizierte weibliche Führungskraft in der Rolle des Managing Directors zeigt, dass das Karriereziel auch erreichbar ist.

4. Netzwerke auch außerbetrieblich fördern

Bei der Bindung von weiblichen Fachkräften geht es sowohl um Maßnahmen im Unternehmenskontext als auch um die Ermöglichung außerbetrieblicher Maßnahmen wie Netzwerken oder Coachings. Wir beobachten eine Bewegung, die nicht nur die M&A-Branche, sondern die gesamte Finanzwelt betrifft: Es entstehen immer mehr Initiativen, in denen weibliche Führungskräfte ihren Nachwuchs inner- und außerbetrieblich fördern. Ein Beispiel dafür ist die Initiative „Women in Finance“ der TU München. Diese zielt darauf ab, Studentinnen für eine Karriere in der Beratungs- und Finanzbranche zu begeistern, von erfahrenen Vorbildern zu lernen und die Erfolge weiblicher Führungskräfte sichtbar zu machen. Auch in den Medien findet das Thema zunehmend Beachtung. Durch diese konzentrierte Aufmerksamkeit sind in den vergangenen zwei Jahren viele Initiativen entstanden. Die jüngere Generation Z ist sich der Kraft von Netzwerken bewusst und fordert selbstbewusst die Förderung von Frauen im Finanzbereich.

Coachings sind eine weitere Möglichkeit zur Förderung und Bindung. Diese müssen natürlich nicht von Frau zu Frau stattfinden. Auch Männer im M&A-Bereich sollten gezielt weibliche Talente im Unternehmen identifizieren und fördern. Dazu gehört auch, historisch gewachsene „Männerrunden” zu öffnen. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, sensibel für Klischees und veraltete Rollenbilder als unsichtbare Barrieren für den beruflichen Aufstieg von Frauen zu sein. In Zeiten des Fachkräftemangels wäre es fatal, Frauen aufgrund falscher Vorstellungen und Vorurteile weniger zu fördern als ihre männlichen Kollegen. Studien3 belegen sogar, dass insbesondere Frauen für Führungspositionen geeignet sind. In den Bereichen Eigeninitiative, Belastbarkeit, Selbstentwicklung, Ergebnisorientierung sowie Integrität und Ehrlichkeit schneiden sie besser ab als die Männer.

5. Frühzeitig Lust auf Verantwortung wecken

Investmentbanking und die Finanzbranche gelten für Außenstehende als zahlengetriebene, trockene Angelegenheit. Der Job bietet aber weit mehr, und gerade die Verbindung zur Managementebene, die Beratungsaspekte und die immer wieder neuen Ausgangssituationen bieten eine Abwechslung, die vielen Branchenfremden nicht bewusst sind. Hier liegt es an den M&A-Beratungen, schon früh in die Bildungsarbeit zu investieren und eben auch bei jungen Frauen das Interesse an der Branche zu wecken. Es sollte Wert darauf gelegt werden, Karrierewege in Führungspositionen aufzuzeigen und Lust auf Verantwortung zu machen. Auch hier zeigen weibliche Vorbilder, was möglich ist und warum es sich lohnt, in die Karriere zu investieren.

6. Eine ganzheitliche Vision für die Zukunft

Die M&A-Branche muss einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der strukturelle Barrieren beseitigt, Flexibilität für verschiedene Lebensmodelle fördert und transparente Karriereentwicklungen einführt. Nur durch einen gemeinsamen Einsatz aller Akteure kann die M&A-Branche sicherstellen, dass die nächste Generation weiblicher M&A-Talente ein Umfeld gleicher Chancen vorfindet. Das bedeutet nicht nur eine ausgeglichene Geschlechterverteilung, sondern auch eine Kultur, in der Mitarbeitende und Führungspersönlichkeiten unabhängig von Geschlecht, Hintergrund oder Lebensmodell ihr volles Potenzial entfalten können. Die Veränderung beginnt heute, und die Umsetzung dieser Vision wird nicht nur die M&A-Branche bereichern, sondern auch ein wegweisendes Beispiel für andere Wirtschaftszweige setzen.


1 https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2012/07/why-women-still-cant-have-it-all/309020/

2 https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/Qualitaet-der-Arbeit/_dimension-1/08_frauen-fuehrungspositionen.html

3 https://hbr.org/2019/06/research-women-score-higher-than-men-in-most-leadership-skills

Autor
Monika Nickl

Monika Nickl ist Gründungspartnerin von TCG Corporate Finance. Sie hat umfassende unternehmerische Erfahrung als Geschäftsführende Gesellschafterin von Mummert & Company, einer führenden Corporate-Finance-Beratung, die 2016 von dem US-amerikanischen S&P-500-Unternehmen Raymond James erworben wurde. Danach war sie Geschäftsführerin sowie Leitung des deutschsprachigen Consumer & Retail-Geschäfts bei Raymond James mit Fokus auf Digital Consumer Lifestyle (Premium Brands, eCom, D2C).

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