Post-Merger-Integration: Vier praxisbewährte Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Wertsteigerung
Erfolgreiche Post-Merger-Integrationen beginnen weit vor dem Deal-Closing und setzen auf ein ganzheitliches Integrationsmanagement zur strukturierten Hebung von Synergien. Der Artikel zeigt anhand von vier zentralen Erfolgsfaktoren aus der Praxis, wie Unternehmen durch frühzeitige Planung, konsequentes Synergie-Management, ganzheitliche Integration und Transformation Management und gezieltes Change-Management nachhaltigen Wert aus Fusionen schöpfen können. Erfahren Sie, warum Geschwindigkeit, kulturelle Integration und funktionale Tiefe den Unterschied zwischen erfolgreicher Transformation und verpasster Chance machen.
1. Einleitung
Die langjährige Erfahrung zeigt: Frühzeitiges, vollumfängliches Integrationsmanagement ist der Garant für die vollständige Hebung von Synergiepotenzialen.
Die Zahl weltweiter Fusionen und Übernahmen (M&A-Deals) erreichte im Jahr 2021 mit einem Transaktionswert von über 5 Bio. USD ihren historischen Höchststand. Seitdem hat sich das Marktumfeld spürbar verändert: Globale Unsicherheiten durch geopolitische Spannungen, makroökonomische Herausforderungen wie Inflation und steigende Zinsen sowie eine zunehmende regulatorische Komplexität wirken dämpfend auf das weltweite M&A-Geschehen.
„Angesichts dieser Entwicklungen verwundert es nicht, dass wir seither einen Rückgang der Deal-Aktivität beobachten. Eine nachhaltige Trendumkehr über das Vorkrisenniveau hinaus lässt sich derzeit nicht prognostizieren“, erklärt Jannik Bayat, Partner im Bereich Transformation.
Gleichzeitig bleibt das M&A-Niveau im Jahr 2025 bemerkenswert hoch – insbesondere im Vergleich zu den langfristigen Durchschnittswerten der letzten Dekade. Vor allem bei großvolumigen Transaktionen, sogenannten Megadeals, ist ein Anstieg zu verzeichnen. Themen wie Digitalisierung, technologische Innovationen sowie ESG- und Nachhaltigkeitsaspekte bestimmen weiterhin maßgeblich die strategischen Überlegungen auf Käufer- wie Verkäuferseite. Sie machen Transaktionen komplexer, aber auch chancenreicher.
Vor diesem Hintergrund gewinnen frühzeitige und strukturierte Integrationsstrategien zunehmend an Bedeutung. Die klare Unterscheidung zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Post-Merger-Integrationen zeigt sich nicht nur im Zeit- und Kostenrahmen, sondern vor allem in der tatsächlichen Realisierung der Synergiepotenziale. Unternehmen, die die Integration bereits in der Pre-Closing-Phase gezielt vorbereiten – etwa durch den Einsatz von Clean Teams –, und mit dem Deal Closing konsequent in die Umsetzung gehen, verschaffen sich einen entscheidenden Vorsprung. Die Post-Merger-Integration wird so zur strategisch kritischen Phase: Sie entscheidet über die Hebung kurz-, mittel- und langfristiger Synergien – und damit über den nachhaltigen Erfolg des Deals.
Unabhängig von Dealstruktur oder Branchenbesonderheiten haben sich in der Praxis vier Aspekte als zentrale Erfolgsfaktoren für eine gelungene Integration manifestiert.
Abb. 1 Übersicht der PMI-Erfolgsfaktoren
Quelle: Baker Tilly
2. Erfolgsfaktor 1
Integrationsfundament: Frühzeitige Einleitung des Post-Merger-Integrationsprozesses
Das zentrale Ziel jeder Integration ist es, die eigene Wettbewerbsposition durch die gezielte Realisierung von Synergien zu stärken – und gleichzeitig finanzielle wie operative Risiken aus Transaktion und Integration wirksam zu mitigieren.
Während der Deal-Vorbereitungsprozess in der Regel gut strukturiert, strategisch eingebettet und methodisch abgesichert verläuft, bleibt die nachgelagerte Post-Merger-Integration (PMI) oft weniger konsequent geplant und wird bisweilen operativ unzureichend umgesetzt. Dabei liegt gerade in dieser Phase der Schlüssel zur nachhaltigen Wertschöpfung. Bereits in der frühen Phase der Transaktion – etwa während der Due Diligence – werden die meisten Synergiepotenziale identifiziert, quantifiziert und in Form von Top-down-Targets formuliert. Was häufig fehlt, ist die parallele Ausarbeitung eines konkreten Umsetzungsrahmens für die später folgende Integration selbst.
Die praktische Erfahrung belegt: Die Planung und sukzessive Ausgestaltung der Post-Merger-Integration sollte frühzeitig beginnen – idealerweise bereits während der Due Diligence.
Ein frühzeitiger, ganzheitlicher und interdisziplinärer Integrationsansatz ermöglicht es, Integrationsstrategie und Synergieziele eng miteinander zu verzahnen. Dadurch lassen sich Maßnahmen zur Potenzialhebung bereits in der Planungsphase berücksichtigen und deren Umsetzung strukturiert vorbereiten. Risiken und Herausforderungen sollten frühzeitig identifiziert, bewertet und mit klar definierten Gegenmaßnahmen hinterlegt werden (Risk Mitigation).
Das Ziel: Alles aus einer strategischen Hand. Von der Definition der Integrationsstrategie über die Day One Readiness und den 100-Tage-Plan bis hin zur konsequenten Umsetzungssteuerung – flankiert durch ein belastbares Reporting- und Steuerungsmodell im Rahmen des PMI. Nur so wird die Integration zum echten, nachhaltigen Werttreiber.
Abb. 2 Herausforderungen, die es bei Post-Merger-Integrationen (PMI) zu beachten gilt
3. Erfolgsfaktor 2
Synergiemanagement: Fokussierung und konsequente Realisierung von Kosten und Umsatzsynergien
Die gezielte Hebung von Synergien ist einer der zentralen Werttreiber in Post-Merger-Integrationen – vorausgesetzt, sie erfolgt strukturiert, priorisiert und mit klarer Verantwortlichkeit. Abhängig von Integrationsstrategie und -tiefe werden Synergien systematisch identifiziert, konkretisiert und realisiert. Dabei gilt es diese entsprechend der zeitlichen Wirkung zu unterscheiden:
Kurzfristige Synergien (Quick Wins) – primär durch Kostenoptimierung, beispielsweise in Overhead-Funktionen
Mittel- bis langfristige Umsatzsynergien – etwa durch Marktzugang, Cross-Selling oder gemeinsame Innovation
Mittel- bis langfristige Kostensynergien – durch Skalierung (Economy of Scale), Prozessoptimierung und Digitalisierung
Die vollständige Realisierung dieser Synergiepotenziale setzt eine tiefgreifende Integration voraus – mit Auswirkungen auf IT-Systeme, Governance-Strukturen und operative Abläufe. Der Grundstein dafür ist ein klares Target Operating Model (TOM), das die künftige Aufbau- und Ablauforganisation definiert. Es bildet die Basis sowohl für die funktionale Integration unterstützender Bereiche (z.B. Finance, HR, Legal) als auch für die Integration operativer Kernprozesse (z.B. Vertrieb, Produktion, Logistik).
Integrations- und Synergieziele sollten ambitioniert, aber realistisch gesetzt werden – unter klarer Priorisierung und mit definierten Zeitfenstern für die Umsetzung. Eine der größten Herausforderungen liegt in der Balance zwischen Umsetzungsgeschwindigkeit und Qualität. Dabei ist es essenziell, entlang des Integrationspfads regelmäßige Entscheidungspunkte und Meilensteine zu setzen, Fortschritte kritisch zu prüfen und bei Bedarf nachzusteuern.
Unsere Erfahrung zeigt deutlich: Synergien sind kein Selbstläufer. Ihre Realisierung erfordert einen strukturierten, disziplinierten Managementansatz – von der Identifikation über die Operationalisierung bis zur Steuerung. Man unterscheidet systematisch zwischen Synergien in Unterstützungs- und Geschäftsprozessen und definiert messbare Erfolgsgrößen und Härtegrade, um die Zielerreichung transparent zu überwachen.
Die Umsetzungsgeschwindigkeit ist dabei ein kritischer Erfolgsfaktor: Je mehr Zeit verstreicht, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, die geplanten Synergieziele vollständig zu erreichen. Erfolgreiche Integrationen haben entscheidende Strukturen, Prozesse und Steuerungsmodelle typischerweise innerhalb der ersten zwölf Monate implementiert.
4. Erfolgsfaktor 3
Integration & Transformation Management: Robuste Steuerung zur „One Company“
Ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor jeder Integration ist ein wirksames Integrations- und Transformationsmanagement – mit klarer Governance, abgestimmten Rollen und Verantwortlichkeiten sowie erneut der konsequenten Umsetzung. Ziel ist es, die operative Transformation entlang des definierten Integrationspfads effektiv zu steuern und gleichzeitig die Synergiepotenziale schrittweise zu realisieren.
Dies erfordert ein professionell aufgesetztes Integration Management Team, das interdisziplinär und ausgewogen besetzt ist – mit Schlüsselpersonen beider Unternehmen. Neben fachlicher Kompetenz ist dabei insbesondere ein kulturelles Matching („Cultural Fit“) entscheidend, um Zusammenarbeit und Akzeptanz zu fördern. Unterstützt wird die Integration durch klar strukturierte Workstreams und operative Arbeitsgruppen, die entlang zentraler Themen- und Funktionsbereiche organisiert sind.
Die Herausforderungen in dieser Phase sind vielschichtig: Synergieziele müssen über unterschiedliche Regionen, Funktionen und Kulturen hinweg operationalisiert, operative Geschäftsmodelle gleichzeitig stabil gehalten und in vielen Fällen sogar weiterentwickelt werden. In diesem Spannungsfeld ist das Integrationsmanagement der kritische Taktgeber – es sorgt für Orientierung, Entscheidungsgeschwindigkeit und Risikosteuerung.
Eine passgenaue Integrationsarchitektur ist zu konkretisieren, die auf die spezifischen Anforderungen und Komplexitäten der jeweiligen Transaktion und Unternehmen zugeschnitten ist.
Dabei sind folgende Prinzipien zu beachten:
Empowerment der Verantwortlichen durch klare Mandate,
strukturierter Projektsupport mit erfahrenen Integrationsteams
und pragmatische Entscheidungsunterstützung auf Basis fundierter Praxiserfahrung (Lessons Learned).
Nur mit einer solchen integrierten und zugleich flexiblen Steuerung lässt sich die Transformation erfolgreich umsetzen und das Integrationsmomentum hochhalten – hin zu einer starken, vereinten Organisation: One Company.
5. Erfolgsfaktor 4
Culture-, Change- & Communication Management: Der Katalysator erfolgreicher Integration
Fusionen und Übernahmen bringen disruptive Veränderungen mit sich – in Strukturen, Prozessen und nicht zuletzt in der Unternehmenskultur. Zwei Organisationen, zwei Identitäten, zwei gewachsene Systeme treffen aufeinander. Genau hier setzt Culture-, Change- und Communication-Management an – als Katalysator des Wandels und entscheidender Hebel für nachhaltigen Integrationserfolg.
Mit dem Zusammenschluss zweier Unternehmen geht es nicht nur darum, Synergien zu realisieren. Ebenso wichtig ist es, das operative Tagesgeschäft stabil zu halten und zugleich einen gemeinsamen Veränderungsprozess zu gestalten. Das gelingt nur, wenn Wandel aktiv gestaltet, frühzeitig verankert und durch wirksame Kommunikation flankiert wird. Entscheidend ist, das nötige Veränderungsmomentum über alle Phasen der Integration hinweg aufrechtzuerhalten.
Den Ausgangspunkt bildet das Führungsteam. Es setzt die kulturelle Tonalität, trägt Verantwortung für das Change-Momentum und prägt die neue DNA des Unternehmens. Eine wiederkehrende, glaubwürdige und konsistente Kommunikation – top-down, bottom-up und im Gegenstromverfahren – schafft Orientierung, Vertrauen und Anschlussfähigkeit im gesamten Unternehmen.
Ein erfolgreiches Culture- & Change-Management basiert auf drei Prinzipien:
Stringente Verankerung in der Integrationsarchitektur – Change ist kein Begleitprozess, sondern integraler Bestandteil der Gesamtstrategie.
Ganzheitliche, zielgruppenspezifische Kommunikation – mit klarer Botschaft, rhythmisiertem Takt und abgestimmtem Medieneinsatz.
Aktives Stakeholder-Management – durch Identifikation und Einbindung von „Fackelträgern“, also Meinungsbildnern und Multiplikatoren, die Veränderung glaubwürdig mittragen und vorleben.
Die Erfahrung zeigt: „One size fits all“ funktioniert selten. Vielmehr erfordert erfolgreiche kulturelle Integration einen situativ angepassten Ansatz mit einem ausgewogenen Team-Mix, kulturellem Feingefühl und hoher Anschlussfähigkeit für alle Ebenen.
Nur wenn Kultur, Wandel und Kommunikation konsequent mitgedacht und professionell gesteuert werden, gelingt der Weg zu einer gemeinsamen Organisation – mit klarer Identität, gelebten Werten und hoher Umsetzungskraft.
6. „Becoming a global leader in animal health“
Ein international tätiges Unternehmen der Gesundheitsbranche übernahm einen Wettbewerber im Bereich Animal Health, um das globale Service- und Produktportfolio gezielt zu erweitern. Ziel war es, durch die Bündelung von Kompetenzen in Entwicklung, Vertrieb und unterstützenden Funktionen die Grundlage für nachhaltiges und profitables Wachstum zu schaffen – mit dem klaren Anspruch, sich als weltweiter Marktführer in der Tiergesundheit zu etablieren.
Baker Tilly begleitete die End-to-End-Integration der neu kombinierten Geschäftseinheiten und unterstützte den strukturierten Übergang in eine gemeinsame Organisation mit folgenden Kernelementen:
Aufbau und Steuerung eines Integration Management Office (IMO): Planung, Koordination und Monitoring der Integration über eine zentrale Roadmap und ein konsistentes Reporting
Change- & Synergiemanagement: Aktives Management der kulturellen und strukturellen Veränderung sowie Sicherstellung der Umsatz- und Kostensynergien
Stabilisierung des laufenden Geschäfts: Aufrechterhalten der Geschäftskontinuität bei gleichzeitiger Umsetzung der Integrationsmaßnahmen
Operative Unterstützung der Integration Work-
streams: Mit besonderem Fokus auf die Bereiche R&D, Produktion, Vertrieb sowie unterstützende Funktionen
Entwicklung eines zukunftsfähigen Zielbetriebsmodells (Target Operating Model): inklusive klarer Rollen- und Verantwortlichkeitsdefinition
Harmonisierung und Standardisierung von Prozessen: nach dem Prinzip „Best of both worlds“
Neuausrichtung des Go-to-Market-Ansatzes: Konzeption und Roll-out eines einheitlichen Vertriebskonzepts inklusive Sales Playbook
Technologische Integration: Vereinheitlichung der IT-Systemlandschaft mit Fokus auf ERP und CRM
Das Ergebnis: Eine schlagkräftige, integrierte Organisation mit globaler Reichweite, effizienter Governance und hoher Marktperformance – optimal positioniert für zukünftiges Wachstum im dynamischen Tiergesundheitsmarkt.
7. Fazit: Was bedeuten diese Erkenntnisse für Ihre Fusionen und Übernahmen?
Der Grundstein für eine erfolgreiche Fusion wird lange vor dem Closing gelegt – in der strategischen Vorbereitung und konsequenten Planung. Entscheidend für den Integrationserfolg sind ein klar strukturiertes Integrationsprojekt, hohe Umsetzungsgeschwindigkeit sowie ein ganzheitlicher Ansatz, der weit über die Unterstützungsfunktionen hinaus bis in die Kernbereiche reicht. Nur so gelingt der Wandel hin zu einer effektiven Organisation mit modernen Strukturen und Prozessen. Die Erfahrung zeigt: Vier Erfolgsfaktoren sind entscheidend – ein starkes Integrationsfundament, konsequentes Synergien-Management, wirksames Transformationsmanagement sowie professionelles Culture-, Change- und Kommunikationsmanagement. Wer diese Faktoren frühzeitig berücksichtigt, macht die Integration zum strategischen Werttreiber.