09.05.2024 | Florian Forst

Private-Equity-Landschaft Europa – folgt auf die Flaute ein Sturm?

Der wirtschaftliche Druck hat 2023 nicht nachgelassen. Anhaltende Inflation, steigende Zinsen und verschiedene geopolitische Krisenherde belasten die Unternehmen und Volkswirtschaften in Europa. Die Private-Equity- (PE) und Venture-Capital- (VC) Branche ist es zwar gewohnt, mit diesen Bedingungen umzugehen, aber sie ist nicht immun gegen den aktuellen Gegenwind.

Standpunkt

Der wirtschaftliche Druck hat 2023 nicht nachgelassen. Anhaltende Inflation, steigende Zinsen und verschiedene geopolitische Krisenherde belasten die Unternehmen und Volkswirtschaften in Europa. Die Private-Equity- (PE) und Venture-Capital- (VC) Branche ist es zwar gewohnt, mit diesen Bedingungen umzugehen, aber sie ist nicht immun gegen den aktuellen Gegenwind.

Die PE-Investitionen in Europa schwächten sich in der ersten Jahreshälfte 2023 dramatisch ab, da schwierige Finanzierungsbedingungen und Unsicherheiten bei den Bewertungen die Arbeit von PEs und VCs deutlich beeinträchtigten. Die Gesamtinvestitionen im ersten Halbjahr 2023 sanken gegenüber dem vorangegangenen Halbjahr um 47% auf 32 Mrd. EUR. Damit hält sich der 2022 begonnene Abwärtstrend hartnäckig. Die Zahl der Investitionen ging langsamer zurück, was darauf hindeutet, dass größere fremdfinanzierte Übernahmen am stärksten von dem schwierigeren Umfeld betroffen waren.

Tech hui – Immobilien und Automotive pfui?

Die Zahl der Wachstumsinvestitionen ging zurück, aber mehr noch das Investitionsvolumen, da die Fonds bei einigen größeren Finanzierungsrunden für schnell wachsende und skalierende Unternehmen relative Vorsicht walten ließen. Die VC-Finanzierung hat sich in Bezug auf das investierte Kapital am wenigsten verlangsamt und beweist die Stärke einer robusten und lebendigen Start-up-Szene in Europa, die weiterhin Erfolgsgeschichten in der Frühphase in verschiedenen Bereichen hervorbringt. Hier locken auch weiterhin attraktive Investmentchancen. Die Analyse stellt ferner fest, dass besonders die Bereiche Deep Tech, Climate Tech und Life Sciences bei Investoren hoch im Kurs stehen. Besonders niedrig in der Gunst stehen derzeit Unternehmen aus dem Immobiliensektor sowie die deutsche Kernbranche Automotive.

Lauern auf Chancen

Trotz abgekühlter Erwartungen hinsichtlich kurzfristiger Aktivitäten befindet sich die europäische PE- und VC-Branche in einer starken Position. Das in Europa verwaltete Kapital (CUM) erreichte Mitte 2023 einen Rekordwert von mehr als 1 Bio. EUR, wobei 348 Mrd. EUR als „trockenes Pulver“ über alle Regionen hinweg in Europa vorhanden waren. Diese Reserven können gehalten werden, bis die Bedingungen klarer werden und sich die Preiserwartungen von Käufern und Verkäufern einander annähern. Sie bedeuten aber auch eine beträchtliche Kriegskasse für neue kurzfristige Gelegenheiten, einschließlich Investitionen, die bestehende Unternehmen in ihrem Wachstum unterstützen können.

ESG und Digitalisierung prägen Branche

Neben dem herausfordernden makroökonomischen Umfeld und den Zinssorgen der Märkte lassen sich bereits zwei große Trendthemen für die PE-Branche erkennen. Auch hier werden zunehmend digitale Tools Einzug erhalten, um den Umgang mit großen Datenmengen umzukrempeln und zu erleichtern. Die Industrie wird somit in der Lage sein, Entscheidungen schneller und effizienter abzuwickeln.

Darüber hinaus werden Nachhaltigkeitsthemen rund um ESG einen noch größeren Einfluss auf Entscheidungen gewinnen. Strengere regulatorische Maßnahmen wie auch eine stärkere Nachfrage seitens der Investoren werden Entscheidungen innerhalb der Branche maßgeblich mitprägen. Finanzströme werden sich in den kommenden Jahren stärker an Nachhaltigkeitskriterien messen lassen müssen – ein Trend, der den gesamten Finanzsektor erfasst hat und dessen Einfluss für die kommende Dekade nicht zu unterschätzen ist.

Autor
Florian Forst

Florian Forst, Partner Arthur D. Little, Leiter der Financial Services Practice für den Bereich Central Europe. 

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