1. Einleitung

Die globale Automobilindustrie befindet sich an einem tiefgreifenden Wendepunkt, der durch einen beispiellosen technologischen Strukturwandel geprägt wird. Vier Ausprägungen stehen dabei im Mittelpunkt: Konnektivität, autonomes Fahren, neue Mobilitätsdienstleistungen und Elektromobilität (bekannt als CASE-Trends: Connected, Autonomous, Shared, Electric). Diese Trends werden besonders geprägt durch die sehr dynamischen Entwicklungen in der Informationstechnologie. Sie verändern nicht nur die Art, wie Fahrzeuge gebaut und genutzt werden, sondern zwingen etablierte Unternehmen auch, ihre Geschäftsmodelle, Wertschöpfungsketten und Innovationsprozesse grundlegend zu überdenken.

Während M&A-Aktivitäten in der Vergangenheit häufig zur Konsolidierung oder zur geografischen Expansion eingesetzt wurden, wird der Erwerb technologischer Fähigkeiten zukünftig ein zunehmend wichtiger Treiber sein.

Diese Entwicklung ist, trotz der aktuell großen Unsicherheiten und wirtschaftlichen Herausforderungen bei vielen Unternehmen zu erwarten, die deswegen Zurückhaltung bei M&A und Investitionen üben. Bei diesen Unternehmen stehen zurzeit eher Maßnahmen zur Verringerung der Risiken und Neuausrichtung der Geschäftsmodelle im Vordergrund. Ein führender Automobilzulieferer betonte im Gespräch mit Grant Thornton in Deutschland, dass zukünftige Chancen oder entscheidende Fähigkeiten zur Bewältigung kommender Herausforderungen mit hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb des eigenen Unternehmens – möglicherweise sogar außerhalb der eigenen Branche – entstehen werden.

Diese Überlegungen werden jedoch die Fragestellung, wie neue Technologien in das eigene Portfolio aufgenommen werden können, mittel- und langfristig nicht ausklammern können.

2. Der technologische Umbruch im Automotive-Sektor

Die Automobilindustrie ist traditionell durch inkrementelle Innovationen, komplexe Lieferketten und einen Fokus auf mechanische Ingenieurskunst geprägt. Am Beispiel der CASE-Trends – und dabei insbesondere durch den zunehmenden Softwareeinfluss – lässt sich der tiefgreifende Wandel plakativ darstellen. Im Rahmen dieses Wandels

  • benötigen Elektrofahrzeuge weniger bewegliche Teile, sodass Zuliefernetzwerke neu ausgerichtet werden müssen,

  • erfordert die Entwicklung autonomer Fahrzeuge Expertise in Künstlicher Intelligenz (KI), Sensorik und Hochleistungsrechnern,

  • verändern digitale Plattformen und Over-the-Air-Updates die Interaktion zwischen Herstellern und Endkunden,

  • setzt die Wahl geeigneter Batterietechnologien tiefgreifende Kenntnisse in der Bewertung der Forschungs- und Entwicklungsprojekte in diesem Umfeld voraus.

Die Anzahl neuer Technologien und Anwendungen, die zur Marktreife gelangen werden, wird in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Beispiele sind Additive Fertigung (3D-Druck) für Prototyping und Ersatzteilversorgung, digitale Zwillinge zur Simulation, Cybersecurity by Design, Wasserstoff- und Brennstofftechnologie für Nutzfahrzeuge, Quantencomputer für komplexe Simulation und Optimierung, Blockchain-Technologien und IoT (Internet of Things).

Beispielsweise erlauben es Blockchain-Technologien,

  • im Supply-Chain-Management Herkunftsnachweise von Materialien und Bauteilen sowie die Echtzeit-Nachverfolgung von Bauteilen und Produkten bereitzustellen, um Qualitätsstandards einzuhalten,

  • Eigentumsnachweise sowie Wartungs- und Reparaturhistorien fälschungssicher abzulegen,

  • Peer-to-Peer-Mobilitätsdienste anzubieten, ohne dass ein zentraler Vermittler erforderlich wird,

  • durch Smart Contracts digitale Verträge automatisch auszuführen, sobald bestimmte Ereignisse eingetreten sind; im Bereich M&A können Smart Contracts Bedingungen für Übernahmen oder Kooperationen festhalten und Transaktionen auslösen, sobald entsprechende Voraussetzungen erfüllt sind.

IoT ist ein weiteres Feld mit erheblicher Dynamik. Durch diese Technologie ist es beispielsweise möglich,

  • mit Echtzeit-Datenübertragung kontinuierlich Fahrzeugdaten (beispielsweise Motorleistung, Batteriestatus, Temperaturen) zu versenden, um eine proaktive Wartung zu ermöglichen,

  • durch Fahrzeug-zu-Internet-Kommunikation Fahrzeuge mit der Infrastruktur zu verbinden, um den Verkehrsfluss zu optimieren,

  • über Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation Fahrzeuge Informationen miteinander austauschen zu lassen, um Unfälle zu vermeiden,

  • mit Smart Grids das gesamte Stromnetz zu optimieren und bei Bedarf Energie zurück in das Netz zu speisen.

Eine mögliche Reaktion auf die vielfältigen Herausforderungen besteht darin, dass Automobilhersteller und -zulieferer entlang der gesamten Wertschöpfungskette versuchen, Kontrolle über die kritischen Teile der Wertschöpfung zu erlangen, die außerhalb ihrer klassischen Kernkompetenzen liegen und ihr Portfolio an technologischem Know-how erweitern.

Die Anzahl und Dynamik neuer Technologien und Anwendungen ist so groß, dass eine Nachverfolgung aus eigener Kraft zunehmend schwierig oder unmöglich wird, so dass M&A als ein Instrument zur Schließung strategisch wichtiger technologischer Lücken bedeutsamer wird.

Aktuell ist aber auch eine andere Reaktion einiger Marktteilnehmer erkennbar, die versuchen, ihr Geschäftsmodell entlang ihrer bestehenden Kernkompetenzen neu auszurichten und zu fokussieren, und beispielsweise neue Branchen wie die Rüstungsindustrie adressieren. Jedoch wird auch bei dieser Vorgehensweise die Frage, wie Kenntnisse zu neuen Technologien und darauf aufsetzenden Lösungen aufgebaut werden können, zunehmend an Bedeutung gewinnen.

3. Strategische Imperative: M&A als Zugang zu kritischen Kompetenzen

Das unübersichtliche technologische Umfeld stellt für alle Unternehmen der automobilen Wertschöpfungskette eine große Herausforderung dar. Es geht darum, wichtige Technologiefelder zu identifizieren und die Fragen zu beantworten, welche Kernkompetenzen man zukünftig benötigt und wie in einem sehr dynamischen Umfeld Know-how in strategisch wichtigen Bereichen aufgebaut, geschützt und in den Innovationsprozess integriert werden kann.

Verschiedene Formen strategischer Kooperationen sowie Übernahmen haben sich dabei als unverzichtbare Instrumente etabliert, um technologische Fähigkeiten, Fachkräfte, Kundenbeziehungen und geistiges Eigentum schnell und gezielt zu erwerben und das Risiko eigener Fehlinvestitionen zu reduzieren.

Empirische Studien legen nahe, dass solche technologiegetriebenen M&A-Aktivitäten die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in relevantem Umfang steigern können.1 M&A hat sich damit zu einer strategischen Kernkompetenz in der Automobilbranche entwickelt.

Ein besonders wichtiger Weg ist die Zusammenarbeit und gegebenenfalls die Übernahme von Start-ups, die, häufig mit einem universitären Hintergrund, wichtiges Know-how zur Verfügung stellen können. Dieser Ansatz ist nicht neu, er wird aber mittelfristig in seiner Bedeutung zunehmen. Einige kurze Fallbeispiele sollen typische Muster beleuchten.

4. Fallbeispiele: Start-ups zur Schließung technologischer Lücken

Der CEO von Daimler Trucks, Martin Daum, bezeichnete die Notwendigkeit, Software schnell zu entwickeln, als „Achillesferse“ des Unternehmens.2

Aus diesem Grund erwarb die Lkw-Sparte von Daimler die Mehrheit an Torc Robotics, einer Ausgründung aus der Universität Virginia Tech, die Software für autonomes Fahren nach Level 4 entwickelt. Diese Akquisition zielte darauf ab, die Entwicklung autonom fahrender Lastwagen zu beschleunigen und das Team versierter Entwickler zu verstärken. Darüber hinaus, so Martin Daum, bekäme man einen „guten Zugriff auf Absolventen der Virginia Tech Universität“; Daimler erschließe sich so „einen weiteren Talent-Pool“, um neue Mitarbeitende für die Software-Entwicklung zu rekrutieren.3

Für die schnellstmögliche Umsetzung autonomer Fahrzeuge besitzen Plattformen für die Entwicklung und das Testen der notwendigen Software sowie zur Simulation eine große Bedeutung. Um die eigene Plattform zu stärken, erwarb Bosch das Unternehmen Five, ein Start-up aus Cambridge. Auch hier ging es um das Akquirieren von Talenten und die Stärkung einer dynamischen Vorgehensweise durch Impulse von außen. So sagte Dr. Mathias Pillin, Vorsitzender des Bosch-Geschäftsbereichs Cross-Domain Computing Solutions: „Five ist das passende Puzzlestück für unsere Entwicklungsaktivitäten – vor allem auch durch das Mindset und die agile Arbeitsweise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.4

Kurz zuvor erweiterte Bosch sein Portfolio durch den Erwerb des Start-ups Atlatec, eines Spezialisten für hochauflösende digitale Karten. Atlatec war eine Ausgründung aus dem Karlsruhe Institut für Technologie und sollte als weitergeführtes Unternehmen Teil des Bosch-Geschäftsbereichs Cross-Domain Computing Solutions werden.5

Die Vorgehensweise von Stellantis ist damit vergleichbar. Im Jahr 2022 erwarb Stellantis das ungarische Start-up aiMotive, das auf KI-basierte Lösungen für autonomes Fahren spezialisiert ist. Ziel war die Integration kritischer Softwarekomponenten in die hauseigene STLA Autodrive-Plattform. aiMotive selbst wurde nicht in den Konzern integriert, sondern blieb als eigenständige Tochtergesellschaft erhalten, der Gründer von aiMotive blieb auch in der neuen Konstellation weiterhin CEO des Unternehmens.

Die Beispiele zeigen, wie Unternehmen neben der Akquisition von Lösungen bei M&A-Aktivitäten darauf achten,

  • sich den Zugang zu universitärem
    Know-how zu sichern
    (Daimler Trucks – Torc Robotics; Bosch – Five;
    Bosch – Atlatec),

  • die agile Vorgehensweise der Technologiepartner in die eigene Organisation zu transferieren
    (Bosch – Five),

  • die Autonomie der Technologiepartner zu würdigen (Bosch – Atlatec; Stellantis – aiMotive).

Neben der Akquisition von Unternehmen können auch Kooperationen helfen, die technologische Lücke schnell und mit geringerem Risiko zu schließen. Dazu sollen einige Fallbeispiele betrachtet werden.

5. Fallbeispiele: Kooperationen zur Schließung technologischer Lücken

Um die Entwicklung einer einheitlichen Elektronik- und IT-Plattform zu ermöglichen, aus der sich alle Marken des Konzerns nach Bedarf baukastenartig bedienen können, hatte Volkswagen 2020 die eigenständige Geschäftseinheit CARIAD ins Leben gerufen. Volkswagen verfolgte damit die Strategie zur Kombination von Eigenentwicklungen und Kooperationen. Für ihre Zukunfts-IT-Architektur E³ 2.0 plante der Volkswagen-Konzern, diese über ihre Softwaretochter CARIAD selbst zu entwickeln. Für die premiumorientierte Architektur E3 1.2 sollten strategische Partner zur Beschleunigung der Entwicklung herangezogen werden.6

Diese Strategie wurde inzwischen angepasst. Einige Aufgaben von CARIAD wurden auf ein 2024 gegründetes Joint Venture mit Rivian, einem kleineren Hersteller von Elektro-Pick-ups mit Sitz in Palo Alto (USA), verlagert. Dieses Joint Venture hat die Aufgabe, die Elektronikarchitektur und Software für das „Software-Defined Vehicle“ (SDV) der nächsten Generation zu entwickeln.

In manchen Fällen dient die Kooperation (gegebenenfalls in Form einer Minderheitsbeteiligung) dazu, die Technologie, das Know-how, die Kultur des Partners und das gemeinsame Ziel auf den Prüfstand zu stellen, bevor man sich gegebenenfalls zu einer (vollständigen) Übernahme verpflichtet („Try-before-you-buy“-Strategie).

Beispielsweise hat Volkswagen in 2018 eine Minderheitsbeteiligung (49%) an diconium, einem Spezialisten für Online-Vertriebsplattformen, übernommen. Ziel war der Aufbau einer globalen Online-Vertriebsplattform, über die Kundinnen und Kunden aller Konzernmarken künftig digitale Dienste und On-Demand-Funktionen für ihr vollvernetztes Fahrzeug einkaufen und verwalten können. 2020 wurde die Beteilung auf 100% aufgestockt.

In manchen Fällen wird die Minderheitsbeteiligung jedoch nicht aufgestockt oder weitergeführt. Beispielsweise war Volkswagen 2020 eine 40%ige Beteiligung (weitere 40% wurden von Ford gehalten) am Start-up Argo AI eingegangen. Argo AI entwickelte gemeinsam mit Universitäten (Carnegie Mellon University und Georgia Institute of Technology) Software, Hardware und Kartenmaterial für das autonome Fahren. Ende 2022 wurde das Unternehmen aufgelöst, einige Mitarbeitende durch Ford und Volkswagen übernommen.

Die Beispiele deuten an,

  • wie schwierig es auch für sehr ressourcenstarke Konzerne sein kann, technologische Lücken durch eigene Entwicklungsanstrengungen zu schließen (Volkswagen – CARIAD),

  • wie Innovationen teilweise außerhalb der
    Kernorganisation an sehr innovationsfreundliche Standorte verlagert werden
    (Volkswagen – Rivian),

  • wie „Try-before-you-buy“-Strategien hilfreich sein können, Risiken zu minimieren
    (Volkswagen – diconium, Volkswagen Argo – AI).

6. Herausforderungen bei technologiegetriebenen M&A

Technologiegetriebene Kooperationen und Akquisitionen sind häufig geprägt durch noch unklare oder eine große Anzahl unterschiedlicher Zukunftsszenarien, Unsicherheiten hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeiten verschiedener technologischer Entwicklungspfade oder das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen.

Wesentliche Herausforderungen können beispielsweise in folgenden Bereichen liegen:

  • Bewertungskomplexität: Die Bewertung von Technologieunternehmen ist insbesondere dann problematisch, wenn immaterielle Vermögenswerte wie Software, Daten oder geistiges Eigentum den größten Teil des Werts ausmachen. Diese können schwer fassbar und volatil sein, was die Bestimmung des Kaufpreises erschwert. Beispielsweise sind KI-gestützte Systeme häufig schwierig zu bewerten, da die Dynamik in diesem Technologiefeld bestehende Lösungen schnell obsolet machen kann und die weitere Entwicklungsrichtung in vielen Fällen unklar ist. Auch ist der erleichterte Zugang zu Universitäts-Know-how, Innovationsnetzwerken oder anderen Ökosystemen nur schwerlich quantitativ zu fassen.

  • Kulturelle Unterschiede: Die kulturellen Unterschiede zwischen etablierten Automobilunternehmen und Technologie-Start-ups stellen eine der größten Herausforderungen bei der Zusammenarbeit dar. Start-ups operieren oft mit agilen Methoden, flachen Hierarchien und einer hohen Risikobereitschaft. In solchen Unternehmen wird eine „Fail Fast“-Mentalität gepflegt, die schnelle Iterationen und Innovationszyklen ermöglicht. Dies steht im Gegensatz zu den oft stärker regulierten und hierarchisch strukturierten Automobilunternehmen, bei denen häufig Planung, Stabilität und kontrollierbare Prozesse im Vordergrund stehen.

  • Grad der Autonomie: Ein zentraler Konfliktpunkt bei einer Zusammenarbeit, insbesondere bei einer Beteiligung, ist die Frage der Autonomie des Technologiepartners. Während beispielsweise Start-ups in der Regel eine hohe Eigenständigkeit und Flexibilität schätzen, benötigen Automobilunternehmen oft eine stärkere Integration, um den Know-how-Transfer in die eigene Organisation zu beschleunigen, Synergien zu realisieren und strategische Ziele zu verfolgen. Dies kann zu Spannungen führen, wenn Start-ups den Eindruck haben, dass ihre Innovationsfähigkeit durch zu enge Vorgaben und Prozesse eingeschränkt wird.

7. Handlungsempfehlungen

Aus den bisherigen Erkenntnissen und der Erfahrung vieler Projekte bei Grant Thornton in Deutschland lassen sich für M&A-Verantwortliche und Unternehmensstrategen im Automotive-Sektor einige Empfehlungen ableiten:

  • Strategische Einbettung von M&A: Unternehmen sollten M&A zunehmend in die Innovationsstrategie integrieren und sie als ein Mittel zur Erweiterung ihrer technologischen Kapazitäten und zur Schaffung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile betrachten. Richtig eingesetzt, beschleunigt diese Vorgehensweise die Innovationsgeschwindigkeit und reduziert Risiken.

  • Technologie-Roadmapping und M&A verzahnen: Um sicherzustellen, dass M&A-Entscheidungen optimal auf die zukünftigen Technologien abgestimmt sind, sollten Unternehmen die Technologie-Roadmaps kontinuierlich mit ihrer M&A-Strategie verknüpfen.

  • Szenarioanalysen als Ausgangspunkt: In einer dynamischen, von Unsicherheit geprägten und technologisierten Welt ist es sehr riskant, sich auf ein einziges Bild der Zukunft einzustellen und seine Strategie daran auszurichten. Vielmehr ist ein Szenarioansatz notwendig, der mögliche Zukunftsbilder zeichnet und passende, agile Entwicklungspfade definiert, die regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden sollten.

  • M&A-Readiness durch kulturelle Offenheit steigern: Um eine erfolgreiche Integration von Start-ups und Technologieunternehmen zu gewährleisten, ist Offenheit gegenüber der Unternehmenskultur des Partnerunternehmens entscheidend. Sie kann Spannungen und Missverständnisse während der Integration vermeiden. Ein gezieltes Cultural Fit Assessment vor der Akquisition kann helfen, Risiken in Bezug auf die kulturelle Passung frühzeitig zu identifizieren. Zudem sollten Unternehmen einen offenen Dialog fördern und klare Kommunikationsstrategien entwickeln, die es beiden Seiten ermöglichen, die Unterschiede in den Arbeitsweisen zu verstehen und zu respektieren.

    Eine Lösung kann dabei eine hybride Integration sein, bei der das Start-up weitgehend eigenständig bleibt, aber gleichzeitig in ein übergeordnetes Innovationsnetzwerk eingebunden wird, das regelmäßige Austausch- und Feedbackmechanismen vorsieht. Dieses kann so weit gehen, dass die Innovationsaktivitäten nicht in der Nähe des Automobilunternehmens, sondern in der Nähe des Innovationskerns, beispielsweise einer Universität, angesiedelt werden.

  • Target-Scouting professionalisieren: Ein professionelles Target-Scouting ist ein wesentliches Hilfsmittel, frühzeitig vielversprechende Start-ups und Technologieunternehmen zu identifizieren und die besten Akquisitionsmöglichkeiten zu erkennen. Ein zentraler Aspekt sollte der Aufbau von Ökosystemen mit Universitäten, Forschungsinstituten und Innovationszentren sein. Diese sind oft der Ausgangspunkt für bahnbrechende Technologien und bieten einen direkten Zugang zu innovativen Ideen und Prototypen. Auch Acceleratoren und Inkubatoren können wertvolle Partner sein, um vielversprechende Start-ups bereits in frühen Entwicklungsphasen zu erkennen und zu begleiten.

8. Fazit

Der technologische Strukturwandel zwingt Automobilunternehmen dazu, ihre Geschäftsmodelle zu überprüfen, dabei ihre benötigten Kernkompetenzen festzulegen und ihre technologischen Lücken zu identifizieren. Manche Unternehmen üben derzeit Zurückhaltung bei M&A und Investitionen, um ihr Geschäftsmodell entlang bestehender Kernkompetenzen neu auszurichten. Perspektivisch wird M&A jedoch in der Breite ein zunehmend strategisch bedeutsames Instrument werden, um die Innovationsfähigkeit in einem sehr dynamischen Umfeld sichern zu können. Wichtige Erfolgsfaktoren sind dabei unter anderem die Verzahnung der Technologie- mit der M&A-Strategie, eine Ableitung der notwendigen Kompetenzen anhand einer Szenariobetrachtung sowie Offenheit gegenüber der Kultur des Technologiepartners.


  1. 1 Vgl. Li: The Impact of Technology Mergers and Acquisitions on Enterprise Sustainable Competitiveness. In Sustainability 2024, 16, 2291.

  2. 2 Vgl. Gerster: Daimler Trucks übernimmt Torc Robotics. In Automobil-
    woche, 29.3.2019

  3. 3 Vgl. Vetter: Daimlers Lkw-Sparte greift sich Torc Robotics. In Welt, 30.3.2019

  4. 4 Vgl. Ebberg: Bosch beschleunigt mit Übernahme von Five die Software-Entwicklung für automatisiertes Fahren. In Pressemitteilung 12.4.2022

  5. 5 Vgl. Ebberg: Automatisiertes Fahren: Bosch stärkt mit Zukauf Entwicklungspower für Lösungen auf SAE-Level 4. In Pressemitteilung 24.2.2022

  6. 6 Vgl. Kulawik: Automatisiertes Fahren: Volkswagen Konzern vertieft Zusammenarbeit mit Mobileye. In: Pressemitteilung 20.3.2024