07.11.2024 | Thomas Fräbel

UniCredit/Commerzbank – Droht der Ausverkauf der deutschen Bankenlandschaft?

Die italienische UniCredit hat den schrittweisen Rückzug der Bundesrepublik Deutschland als Ankeraktionärin der Commerzbank genutzt und sich Anfang September 4,5% aus deren Bestand an der Commerzbank gesichert.

Standpunkt

Was ist bisher passiert?: 

Die italienische UniCredit hat den schrittweisen Rückzug der Bundesrepublik Deutschland als Ankeraktionärin der Commerzbank genutzt und sich Anfang September 4,5% aus deren Bestand an der Commerzbank gesichert. Mehr oder weniger zeitgleich wurden zusätzliche Positionen über Aktienkäufe und Finanzinstrumente aufgebaut, sodass die Überraschung groß war, als UniCredit den Zugriff auf 9,2% der Stimmrechte bekanntgab. Mittlerweile hat UniCredit ihren Anteil auf rund 21% ausgebaut und bei der Europäischen Bankenaufsicht die Zulassung der weiteren Aufstockung auf 29,9% beantragt. Dies bringt sie nahe an die 30%-Schwelle, bei der ein Pflicht-Übernahmeangebot erfolgen muss. Unabhängig davon ist UniCredit jetzt der größte Commerzbank-Aktionär. 

Freundliche oder feindliche Übernahme?: 

Momentan lassen alle Anzeichen noch eine sogenannte feindliche Übernahme vermuten. Die UniCredit verkündet ihr Interesse an einer vollständigen Übernahme. Die Gremien der Commerzbank haben sich noch nicht geäußert. Die Bundesregierung, Gewerkschaften und Betriebsrat geben sich alarmiert und kündigen Widerstand an. Bei einer freundlichen Übernahme würde man hingegen auf Verständigung setzen und den vorgängigen Abschluss einer Übernahmevereinbarung anstreben, in der beispielsweise die gemeinsame Strategie, aber auch Zusagen zur Standort- und Beschäftigungssicherung niedergelegt werden. So sehen wir es momentan im Fall der geplanten Übernahme der Covestro AG durch den Staatskonzern Adnoc aus Abu Dhabi.  

Die UniCredit hat Erfahrung mit Großübernahmen. Bereits 2005 hatte sie die damalige HypoVereinsbank übernommen und sich damit ein Standbein in Deutschland geschaffen. UniCredit betont jedoch auch diesmal, dass keine feindliche Übernahme geplant sei und dass Gespräche mit dem Commerzbank-Management und dem Bund angestrebt werden.  

Was kann überhaupt gegen die Übernahme getan werden?: 

Lässt man die Möglichkeiten politischer Einflussnahme außen vor, hat die Bundesregierung in rechtlicher Hinsicht wenig Handhabe gegen eine Fusion. Es wurde zunächst ein Veräußerungsstopp der noch von der Bundesrepublik gehaltenen circa 12% Commerzbank-Aktien veranlasst. Insofern kann die Bundesrepublik weiter als Ankeraktionärin gelten, eine Sperrminorität hat sie nicht mehr. Erneute Aktienzukäufe dürften schon beihilferechtlich ausgeschlossen sein. Der Erfolg der Suche nach einem „Weißen Ritter“, der in einen Bieterwettstreit im Interesse der deutschen Stakeholder einsteigt, erscheint wenig aussichtsreich. 

Auch die regulatorischen Zustimmungserfordernisse für eine weitere Aufstockung der Anteile durch UniCredit dürften der Übernahme nicht im Wege stehen. Die EZB als Aufsichtsbehörde der großen EU-Kreditinstitute muss der weiteren Aufstockung zustimmen. Unabhängig von dem konkreten Fall hat sie des Öfteren erklärt, dass grenzüberschreitende Fusionen wirtschaftlich gesunder Banken im europäischen Interesse liegen. Die UniCredit gehört sicherlich in diese Kategorie. Auch die Zustimmung der europäischen Kartellbehörden scheint nicht unmöglich, angesichts des in Deutschland weiterhin starken öffentlichen Bankensektors, der vor allem aus Sparkassen und Landesbanken gebildet wird. 

Mehr Chancen als Risiken: 

Aus gesamteuropäischer Sicht dürfte die geplante Übernahme mehr Chancen eröffnen. Die Lücke im Wettbewerb zu den amerikanischen Großbanken ist groß und durch eine fusionierte UniCredit/Commerzbank kann ein weiterer, zumindest in Europa großer Player entstehen. Wünschenswert ist, dass sich die Beteiligten zu Gesprächen finden, die den berechtigten Interessen der Arbeitnehmer und des deutschen Mittelstands Rechnung tragen, den die Commerzbank (aber auch die UniCredit) mit Krediten versorgt. Und für den Haushalt der Bundesrepublik wird ein attraktives Übernahmeangebot die Möglichkeit bieten, Verluste zu begrenzen oder sogar mit einem kleinen Gewinn während der Banken- und Finanzkrise 2009 begonnene Rettungsaktion für die Commerzbank jetzt final abzuschließen. 

Autor
Thomas Fräbel

Thomas Fräbel ist Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner in München und berät im Bereich M&A, Kapitalmarktrecht sowie zu Kreditfinanzierungen. 

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