11.07.2024 | Dr. Philipp Dahlgrün, Alexander Precht, Julius Broich

Unliebsames Beiwerk - Stranded Costs bei CPR Divestments und wie man sie in den Griff bekommt

In Divestment-Projekten sind Stranded Costs ein Schlüsselfaktor für die Kaufpreiserwartung - insbesondere im CPR-Sektor, der durch eine Vielzahl von (Sub-)Marken, teils ohne dedizierte Organisation gekennzeichnet ist. Eine adäquate Bepreisung dieser Kosten ist entscheidend, um überhöhte Kaufpreiserwartungen und damit verbundene Verhandlungsprobleme zu vermeiden. Der gezielte Einsatz von Experten für Transaktionsunterstützung, Restrukturierung und Modellierung kann dazu beitragen, frühzeitig Objektivität und Transparenz bezüglich Stranded Costs und ihrer Wertimplikationen sicherzustellen.

Industry Special

1. Einleitung

Es ist hinreichend bekannt, dass neben den unmittelbaren Wertimplikationen aus der Kaufpreiszahlung für eine ganzheitliche finanzielle Bewertung eines Divestments auch weitere Elemente herangezogen werden müssen. Dazu zählen „One-off Costs“ für die Separation, der Verlust von Synergien und Stranded Costs. Insbesondere bei letzteren stellen wir noch immer eine gemessen an ihrer Relevanz verhältnismäßig geringe Würdigung fest.

Gemeint sind jene indirekten Fixkosten, die im Transaktionsfall auf Seiten der verkaufenden Unternehmenseinheit (RemainCo) verbleiben, ursprünglich aber über das Target allokiert waren. Herrscht Unsicherheit bezüglich der tatsächlichen Höhe dieser Kosten, wird oft (u.a. aus Gründen der Risikovermeidung) ein Mark-up auf die Kaufpreisforderung aufgeschlagen – mit der möglichen Folge überzogener Kaufpreiserwartungen. Nicht selten führen diese zum Stocken der Verhandlungen. Insbesondere beim Verkauf einzelner Marken im Segment Fast Moving Consumer Goods (FMCG) ohne umfassenden, operativen Unterbau können Allokationen und potenzielle Stranded Costs maßgeblich für die Bewertung einer Transaktion werden. Hinzu kommt, dass absatzmarktorientierte Organisationen die Etablierung von „Landesfürsten“ und „Empire-Building-Bestrebungen“ fördern, in deren Zusammenhang Unsicherheiten im Hinblick auf Stranded Costs zur Durchsetzung partikularer Interessen genutzt werden. Im ungünstigsten Fall scheitern Transaktionen an dem Umgang mit Stranded Costs, obwohl dies vermeidbar wäre, mittels: (1) konsequenter und frühzeitiger Objektivierung der Kosten durch Transparenz, (2) umfassender Planung des Stranded-Cost-Managements sowie (3) einer objektiven Planung der Kostenentwicklung im Businessplan.

2. Der Einfluss von Stranded Costs auf die Kaufpreiserwartung

Für den Konsumgütersektor wurden im Zeitraum von Mai 2019 bis Mai 2024 global etwa 260 Divestments mit einem Transaktionswert von jeweils mehr als 1 Mrd. USD angekündigt. Knapp 20% dieser Transaktionen mit einem Gesamtwert von über 150 Mrd. USD kamen jedoch nicht zustande1. Es ist wenig überraschend, dass Uneinigkeit über den Kaufpreis neben regulatorischen und kartellrechtlichen Gründen der häufigste Grund für gescheiterte Verkaufsverhandlungen ist. Unsere Beobachtungen zeigen, dass es durchaus vermeidbare Ursachen für überhöhte Kaufpreiserwartungen seitens der Verkäufer gibt, wobei speziell die Stranded Costs hervorzuheben sind.

Um die Relevanz dieses Themas zu verdeutlichen, haben wir einige Kennzahlen aus aktuellen FMCG-Transaktionen zusammengetragen. Diese Transaktionen wurden von den Autoren begleitet und zeigen, dass der potenzielle Wertbeitrag der Stranded Costs durchaus in einer ähnlichen Größenordnung wie der Cashflow oder EBIT des Targets liegen kann.

Trotz der unbestrittenen Relevanz wird diesem Aspekt oft relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt im Vergleich zur Businessplanung des Targets, aber auch gegenüber One-off Costs. Daher bleibt häufig eine hohe Unsicherheit darüber bestehen, welches Niveau die Stranded Costs unmittelbar nach der Transaktion erreichen und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickeln werden. Konservative Schätzungen, bei denen beispielsweise Fixkosten als unveränderlich angesehen werden, kombiniert mit Risikoabschlägen für Unsicherheit führen häufig zu objektiv überhöhten Kaufpreiserwartungen.

Wenn Käufer bereit sind, diese Kaufpreiserwartungen zu erfüllen, ist dies ein erfreuliches Ergebnis für den Verkäufer. Allerdings beobachten wir oft, dass die damit einhergehenden Anforderungen an Synergien oder inkrementelle Wertsteigerungen nicht erfüllt werden, was letztlich zu einem Scheitern der Verkaufsverhandlungen führen kann.

Die Relevanz der Stranded Costs am Beispiel erklärt:

Unserer Erfahrung nach können die allokierten Kosten im FMCG-Sektor regelmäßig über 10% der Umsatzerlöse betragen (bei unseren letzten zehn Projekten im Median ca. 7%). Allokationen bewegen sich damit nicht selten auf dem Niveau des Target-EBITs oder auch darüber – insbesondere beim Verkauf einzelner Marken ohne umfassenden operativen Unterbau. Der in Abbildung 1 dargestellte, zur Veranschaulichung vereinfachte Beispiel-Case weist für die hier betrachteten Stellhebel repräsentative Größenordnungen/-verhältnisse auf.

Im Deal Case werden die Allokationen beim Target durch dedizierte Kosten ersetzt. Leistungen der Mutter müssen zukünftig durch eigene Ressourcen erbracht werden. Wir gehen bei der Vorbereitung einer Transaktion in der Regel so vor, dass das Target zunächst „fully stand-alone“ gestellt wird, damit sowohl Strategen als auch PEs ausgehend von dieser einheitlichen Basis spezifische Synergien beziehungsweise inkrementelle Wertsteigerungen einrechnen können. Insgesamt kann dies bereits stand-alone aufgrund von „Delayering“ zu Einsparungen führen (z.B. Entfall von Umlagen für Konzern-CFO). Es kann aber auch zu Kostenanstiegen kommen, da Skaleneffekte entfallen. Für den Beispielfall anbei gehen wir von einer Reduktion der vormals allokierten Kosten um 20% aus, was im Einklang mit Beobachtungen aus unseren Projekten steht.

Aus Sicht der RemainCo entfällt nun die Cost Coverage durch Allokationen, wodurch zunächst Stranded Costs entstehen. In der Regel sind die zugrunde liegenden Kosten größtenteils fix in Form von Personalkosten. Wenn wir davon ausgehen, dass für Target und RemainCo ähnliche EBIT-Multiples gelten (hier der Einfachheit halber mit 10 angesetzt), lässt sich veranschaulichen, welchen Impact die unterstellte Stranded-Costs-Entwicklung auf die Kaufpreisanforderungen hat.

Unterstellen wir langfristig fixe Stranded Cost (Worst Case), wird der Verkauf erst ab einem Premium von 80 Mio. EUR vorteilhaft. Gehen wir von einem unmittelbaren Abbau der Stranded Costs aus (Best Case), wären sogar (Risiko-)Abschläge von bis zu 20 Mio. EUR akzeptabel. Die Wahrheit wird vermutlich irgendwo dazwischen liegen.

Damit wird deutlich, welchen Einfluss Stranded Costs auf die Kaufpreisanforderungen haben können. Selbst falls klare Vorstellungen davon bestehen sollten, wie die Stranded Costs zu managen beziehungsweise abzubauen sind, steht noch die Frage im Raum, wie diese ihrer Bedeutung angemessen akkurat im Businessplan der RemainCo berücksichtigt werden können. Nur so kann eine präzise Kaufpreiserwartung definiert werden, die (a) die finanzielle Vorteilhaftigkeit sicherstellt und (b) einen erfolgreichen Abschluss nicht durch überzogene Anforderungen gefährdet.

Abb. 1 • Vereinfachte GuV (EURm)

Abb. Quelle: Analyse EY-Parthenon

Quelle: Analyse EY-Parthenon

3. Von Fröschen und Fürsten – die Bedeutung von Transparenz und Objektivität

Erfahrene Verkäufer gehen in der Regel routiniert mit der Bewertung und dem anschließenden Managen der Stranded Costs um. Trotzdem kann es passieren, dass Stranded Costs aus unterschiedlichsten Beweggründen nicht ausreichend beleuchtet werden. Insbesondere transaktionsunerfahrene Unternehmen neigen häufig zu einer abwinkenden Reaktion, wenn sie mit dem Konzept der Stranded Costs konfrontiert werden. Die Thematik wird nicht selten als diffus wahrgenommen – als glanzloses Beiwerk im M&A-Prozess.

Die unmittelbaren Stranded Costs sind in der Regel einfach zu quantifizieren; sie ergeben sich aus den systematisch erhebbaren Allokationen beziehungsweise Intercompany Charges. Welche Kostenbasis – die es perspektivisch abzubauen gilt – diesen Allokationen gegenübersteht, ist mitunter deutlich schwerer zu erfassen. Die Erhebung von Bruch-teilkapazitäten ist immer mit Unschärfen behaftet. Hinzu kommt, dass die Frage, wie viele Mitarbeiter im Vertrieb, im Treasury, in der Rechtsabteilung und so weiter tatsächlich durch das Target gebunden sind, am besten durch die betroffenen Einheiten selbst beantwortet werden kann. Selten ist das Sprichwort von den Fröschen, die ihren eigenen Teich austrocknen sollen, zutreffender.

Darüber hinaus werden Unsicherheiten in M&A-Prozessen gerne genutzt, um Partikularinteressen durchzusetzen. So behindern nicht selten „Empir- Building“-Ambitionen die objektive Bewertung von Stranded Costs. Insbesondere im dynamischen Umfeld des Konsumgütersektors, in welchem Unternehmen traditionell nach Vertriebsmärkten strukturiert sind, intensiviert das Phänomen der „Landesfürsten“ diese Neigung. Lokale Führungspersönlichkeiten, mit weitreichender Entscheidungsmacht und kostbaren Kundenbeziehungen, nutzen das im Argen gelassene Terrain der Stranded Costs als Schutzschild für ihre eigenen Interessen und Barriere gegen den geplanten Verkauf.

4. Stranded Costs in den Griff bekommen: objektiv erfassen, managen und bewerten

Sollen die Chancen auf eine Einigung in den Kaufver-handlungen erhöht werden, gilt es auf Seiten der Verkäufer die Stranded Costs in den Griff zu bekommen. Um mehr Objektivität und größere Erfolgsaussichten zu erzielen, sind drei wesentliche Schritte unerlässlich:

4.1 Konsequente und frühzeitige Objektivierung durch Transparenz

Spezialisierte und erfahrene Transaktionsberater erheben und bewerten im Rahmen einer Carve-out-Due-Diligence die Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen Target und RemainCo. Mit bewährten Methoden werden in einer Kombination aus quantitativer und qualitativer Erhebung, kombiniert mit funktionsspezifischer Expertise, Abhängigkeiten zwischen Target und RemainCo identifiziert.

Es ist fester Bestandteil einer Transaktionsvorbereitung, die Implikationen für das Target, inklusive finanzieller Auswirkungen, aufzuzeigen. Mit detaillierten Bottom-up-Kalkulationen zu erforderlichen, dedizierten Ressourcen wird die Target-Organisation konzeptionell komplettiert, um die wegfallende Unterstützung durch die RemainCo zu kompensieren.

Dieses Vorgehen sollte spiegelbildlich für die RemainCo angewendet werden, um Transparenz über remanente (Bruchteil-)Ressourcen zu erlangen. Hierbei gilt es das Momentum nicht abreißen zu lassen. Spätere Über-prüfungen oder gar ein „Wiederaufwärmen“ der Analysen stoßen dabei nur selten auf Begeisterung bei den Beteiligten in der RemainCo.

4.2 Umfassende Planung eines Stranded-Costs-Managements, inklusive Maßnahmen-Definition je Kostenblock

Die umfassende Planung eines Stranded-Costs-Managements ist ein kritischer Prozess, der die akkurate Ausarbeitung von Maßnahmen für jeden einzelnen Kostenblock erfordert. Hierbei spielen Restrukturierungs- und Reorganisationsexperten eine zentrale Rolle, da sie über das notwendige Fachwissen verfügen, um ineffiziente Kostenstrukturen zu identifizieren und anzupassen. Diese Experten, die möglicherweise bereits in Projekte zur Steigerung des Unternehmenswerts (Value Creation) involviert sind, können – sofern sie entsprechend mandatiert werden – ihre Kompetenzen gezielt einsetzen, um Stranded Costs zu minimieren.

Ihre Aufgabe umfasst die Entwicklung eines detaillierten Plans, der nicht nur die bestehenden Kostenstrukturen kritisch hinterfragt, sondern auch zukunftsorientierte Maßnahmen zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung vorsieht. Durch ihre Expertise in der Unternehmensaufwertung sind sie in der Lage, die finanzielle Belastung durch Stranded Costs zu reduzieren und gleichzeitig den Wert der RemainCo zu maximieren. Bei der Maßnahmenplanung ist eine dedizierte Change-Management-Begleitung von Beginn an ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

4.3 Konsequente und objektive Planung der Kostenentwicklung

Die konsequente und objektive Einplanung der Kostenentwicklung im Businessplan der RemainCo ist ein entscheidender Schritt, um die investierten Bemühungen letztlich wertmaximierend in die Transaktion einfließen zu lassen.

Für diese Aufgabe stehen spezialisierte Experten bereit, die über fundierte Kenntnisse in der Finanzplanung und Unternehmensbewertung verfügen. Sie sind in der Lage, die zukünftigen Kostenstrukturen präzise zu modellieren und die Entwicklung der Stranded Costs zu antizipieren. Hierbei kann der Einsatz von künstlicher Intelligenz (z.B. in Form von umfassenden Szenario-Analysen) dazu beitragen, subjektive Verzerrungen zu eliminieren und eine objektive, datengestützte Entscheidungsfindung zu fördern.

5. Schlussfolgerung

Die Herausforderungen, die Stranded Costs bei Unternehmensveräußerungen insbesondere im Konsumgütersektor darstellen, sind nicht zu unterschätzen. Sie beeinflussen maßgeblich die Kaufpreiserwartungen und können – wenn nicht adäquat adressiert – den erfolgreichen Abschluss eines geplanten Divestments gefährden. Die Praxis zeigt, dass eine (1) frühzeitige, transparente Bewertung dieser Kosten, (2) eine strategische Aufstellung von Maßnahmen zum Abbau sowie (3) die objektive Modellierung der Kostenentwicklung entscheidend sind, um die finanziellen Rückflüsse zu maximieren und die Verhandlungsposition zu stärken. Experten, die über die erforderliche Erfahrung und das Fachwissen verfügen, können hierbei eine Schlüsselrolle spielen.


  1. 1 Mergermarket, EY-Parthenon Analysis

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