Wie KI Due Diligence beschleunigt und regulatorische Risiken beherrschbar macht
Ein technologischer Paradigmenwechsel erfasst die Welt der M&A-Transaktionen: Künstliche Intelligenz (KI) – insbesondere generative KI (GenAI) – transformiert mit rasanter Geschwindigkeit die Art und Weise, wie Unternehmen Transaktionen initiieren, verhandeln und umsetzen. Was externe Fachkräfte, wie Berater, Anwälte oder Wirtschaftsprüfer einst mühsam in langwieriger und kostspieliger Kleinarbeit erledigt haben, kann KI heute in Echtzeit unterstützen oder sogar automatisieren.
1. Einleitung
Von der strategischen Zielidentifikation über datengetriebenes Screening bis hin zur automatisierten Vertragsanalyse – Künstliche Intelligenz (KI) transformiert nicht nur etablierte Prozesse im M&A-Geschäft, sondern schafft ganz neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. Studien belegen, dass KI-gestützte Vertragsanalysen die Due-Diligence-Phase um bis zu 65 Prozent verkürzen können. Gleichzeitig wird eine Reduktion des Bedarfs an externen Beratern um bis zu 50 Prozent erwartet. In einer Welt, in der Geschwindigkeit, Effizienz und Präzision über den Erfolg von Transaktionen entscheiden, avanciert KI zum strategischen Game Changer.
Ziel dieses Beitrags ist es, den durchgehenden Nutzen von KI über den gesamten M&A-Lebenszyklus hinweg zu zeigen – von der frühen Zielauswahl über die Transaktionsabwicklung bis hin zur Post-Merger-Integration. Neben einem fundierten Überblick bietet der Artikel konkrete Einblicke in praxiserprobte Einsatzfelder von KI innerhalb der Due Diligence sowie im Bereich Compliance und Risikomanagement.
2. Das Potenzial von KI entlang des M&A-Prozesses
Künstliche Intelligenz zeigt ihre volle Wirksamkeit nicht nur punktuell, sondern vor allem dann, wenn sie als durchgängige Infrastruktur für den gesamten M&A-Prozess etabliert wird. Von der ersten strategischen Analyse bis zur kulturellen Integration nach dem Closing verändert KI nicht nur Rollenbilder und Verantwortlichkeiten, sondern hebt auch die Prozessqualität auf ein neues Niveau. Die Reduktion manueller Aufwände geht einher mit einer signifikanten Verbesserung der Datenqualität und Entscheidungsgrundlagen.
Abb. 1 Überblick über die Potenziale der KI-Technologie in den einzelnen Phasen des M&A-Prozesses
Quelle: Eraneos
2.1 Pre-Deal: Schneller zur besseren Entscheidung
Bereits in der Vorbereitungsphase einer Transaktion zeigt KI ihre Stärke. Moderne Machine-Learning-Algorithmen verarbeiten umfangreiche Datenmengen aus Marktanalysen, Wettbewerbsbeobachtung und Unternehmensdatenbanken in kürzester Zeit. Sie erkennen Muster, bewerten Zielunternehmen anhand individuell definierter Kriterien und erstellen automatisiert Longlists mit potenziellen Targets. Besonders neue Plattformen, die als digitale Matchmaker für Käufer und Verkäufer fungieren, haben sich im Umfeld kleiner und mittelständischer Transaktionen als effektiv erwiesen. Unternehmen sind dadurch in der Lage, potenzielle Chancen schneller zu identifizieren, fundierter zu bewerten und gleichzeitig riskante Deals zu vermeiden.
2.2 Deal-Abwicklung: Rationalisierung statt Komplexität
In der eigentlichen Ausführungsphase einer Transaktion – der sogenannten Deal-Abwicklung – bieten KI-gestützte Systeme einen erheblichen Effizienzgewinn. Umfangreiche Vertragswerke, Finanzberichte und IT-Dokumentationen werden automatisiert analysiert. Intelligente Algorithmen sind in der Lage, relevante Klauseln und Risiken systematisch zu identifizieren, Abweichungen zu erkennen und diese regulatorischen Anforderungen zuzuordnen. So kann beispielsweise eine potenzielle Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung bereits frühzeitig im Vertragswerk erkannt und adressiert werden. In Kombination mit dialogfähigen Chatbot-Technologien werden komplexe Datenbestände zusätzlich in natürlicher Sprache erschlossen. Dies erlaubt es, relevante Sachverhalte in Echtzeit zu extrahieren und auf die jeweilige Situation abgestimmte Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen.
2.3 Post-Deal: Integration beschleunigen, Synergien realisieren
Auch nach dem Signing bleibt der Einsatz von KI entscheidend. Im Rahmen der Post-Merger-Integration helfen intelligente Automatisierungstechnologien, Systeme zu harmonisieren, strategische KPIs zu monitoren und Integrationspfade zu optimieren. Selbst kulturelle Unterschiede innerhalb fusionierter Organisationen lassen sich durch den Einsatz von Stimmungsanalysen und prädiktiven Modellen besser verstehen und steuern. KI wird damit auch in der Integrationsphase zu einem Faktor für nachhaltigen Transaktionserfolg.
3. Praxisbeispiele: Wie KI konkrete Mehrwerte schafft
Ein eindrucksvolles Beispiel für den praktischen Einsatz von KI findet sich in der Analyse von Lizenzverträgen im Rahmen einer IT-Due-Diligence bei einem Nutzfahrzeughersteller. Hier konnte der Analyseaufwand um rund 70 Prozent reduziert werden. Ermöglicht wurde dies durch eine Kombination aus Texterkennung, semantischer Indizierung und dem Einsatz leistungsfähiger Sprachmodelle. Die verwendeten KI-Systeme erkannten zunächst automatisch die formale Struktur der Dokumente, beispielsweise Absätze und Tabellen, und ordneten die Inhalte anschließend thematisch ein. Diese semantische Indizierung ermöglichte eine kontextbezogene, ganzheitliche Erfassung der Vertragswerke.
Im weiteren Schritt wurde zur inhaltlichen Analyse relevanter Vertragsbestandteile – etwa in Bezug auf Nutzungsrechte, Übertragbarkeit oder Kostenrisiken – von Fachexperten ein Datenmodell entwickelt. Gezielt formulierte KI-Abfragen, sogenannte Prompts, wurden dann mit dem Datenmodell verknüpft, sodass mit Hilfe etablierter Validierungs-Frameworks die formale Korrektheit der Ergebnisse garantiert werden konnte. Spezialisierte Sprachmodelle mit eingebauten Sicherheitsmechanismen sorgten dafür, dass Risiken wie Halluzinationen oder inhaltlich fehlerhafte Antworten vermieden wurden. Die Verarbeitung standardisierter Fälle erfolgte dabei vollständig automatisiert, ohne manuellen Eingriff – ein Ansatz, der auch als Dunkelverarbeitung bekannt ist.
Ein integraler Bestandteil des Prozesses war der Einsatz eines Human-in-the-Loop-Ansatzes. Menschliche Expertise wurde gezielt in den KI-gestützten Analyseprozess eingebunden, um die Qualität kontinuierlich zu verbessern. Rückmeldungen der Experten flossen direkt in die Weiterentwicklung der Prompts, die Auswahl der Modelle und die Nachbearbeitung der Ergebnisse ein. Um Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, wurden die generierten Ergebnisse mit klaren Begründungen und Referenzen versehen.
Neben der Vertragsanalyse gewinnt die regulatorische Dimension von M&A-Transaktionen zunehmend an Relevanz. Hierzu zählen nicht nur klassische Datenschutzanforderungen, sondern auch ESG-Regularien und branchenspezifische Vorschriften. Zur Bewältigung dieser Komplexität hat Eraneos eine spezialisierte Plattformlösung entwickelt, die Softwareprodukte und -services hinsichtlich ihrer regulatorischen Konformität analysiert. Die Plattform nutzt generative KI zur Durchführung strukturierter Risikobewertungen, die gemeinsam mit Rechtsabteilungen und externen Juristen auf Validität geprüft wurden.
Die Besonderheit dieser Lösung liegt in der Einbindung aufbereiteter Kontextinformationen, auf die das KI-System zugreifen kann. So lassen sich präzise Bewertungen erzeugen, deren Resultate in einem strukturierten Risikoreport mit klaren Scores und Erläuterungen münden. Diese Plattformlösung trägt entscheidend dazu bei, bereits in der Due-Diligence-Phase regulatorische Risiken zu identifizieren. Gleichzeitig wird der manuelle Aufwand deutlich reduziert und der Bedarf an externer juristischer Expertise um bis zu 30 Prozent gesenkt. Die Transparenz über potenzielle Deal Breaker im Bereich Compliance steigt bereits in den frühen Transaktionsphasen signifikant.
4. Erfolgsfaktoren für den wirksamen KI-Einsatz im M&A
Damit KI ihr volles Potenzial im M&A-Geschäft entfalten kann, sind mehrere Erfolgsfaktoren entscheidend. Eine hohe Datenqualität bildet die Grundlage für alle Analysen. Ebenso wichtig ist die Auswahl geeigneter Modelle, deren Training sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung anhand praktischer Erfahrungen. Der Aufbau robuster Governance-Strukturen und klarer Prozessverantwortlichkeiten sorgt dafür, dass Ergebnisse nachvollziehbar bleiben und regulatorischen Anforderungen genügen. Entscheidend ist auch die Sicherstellung menschlicher Kontrolle – insbesondere in komplexen oder sicherheitskritischen Kontexten. Und nicht zuletzt muss der Schutz sensibler Daten gewährleistet sein, um Vertrauen in die Systeme zu sichern.
Abb. 2 Damit KI-basierte Lösungen ihr volles Potenzial im M&A-Geschäft entfalten, sind zentrale Erfolgsfaktoren zu beachten
Quelle: Eraneos
5. Fazit
„M&A neu gedacht“ bedeutet, Transaktionen schneller, datenbasierter und effizienter umzusetzen. Die Praxisbeispiele zeigen, welches Potenzial moderne KI-Technologien insbesondere in der Due Diligence und im regulatorischen Risikomanagement entfalten können. Der gezielte Einsatz von LLMs, semantischer Analyseverfahren und Human-in-the-Loop-Ansätzen reduziert manuelle Aufwände, erhöht die Qualität der Analysen und ermöglicht die frühzeitige Identifikation von Risiken.
Gleichzeitig dürfen die Grenzen der Technologie nicht übersehen werden. Der Einsatz generativer KI in hochregulierten Umfeldern bleibt anspruchsvoll. Anforderungen wie rechtliche Verbindlichkeit, Transparenz der Modellentscheidungen und Datenschutz erfordern höchste Standards an Systemarchitektur und Governance. Zudem besteht die Gefahr einer Scheingenauigkeit, wenn Ergebnisse ungeprüft übernommen oder menschliche Kontrollinstanzen unter dem Druck der Effizienz vernachlässigt werden.
KI ersetzt keine fundierte juristische oder strategische Bewertung. Ihr eigentlicher Mehrwert liegt in der Fähigkeit, Informationen schneller, strukturierter und zugänglicher zu machen. Die finale Gewichtung, Bewertung und Entscheidungsfindung bleibt in der Verantwortung erfahrener Expertinnen und Experten.
Die Zukunft des M&A ist zweifellos KI-gestützt – aber sie muss mit kritischem Bewusstsein, Verantwortungsgefühl und fachlicher Sorgfalt gestaltet werden.