30.06.2022 | Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks

Bruch von Lieferketten: Herausforderungen für Unternehmer

Die Lieferkettenproblematik hat sich zu einer der schwersten Belastungen der Wirtschaft entwickelt – mit der Folge, dass Unternehmen ihre gesamte Produktbereitstellung neu überlegen müssen. Die Schwierigkeiten sind nicht komplett unerwartet. Sie gehen in jüngerer Zeit zurück auf die Auseinandersetzungen zwischen den USA und China unter der Trump-Regierung in den USA.

Allgemein, optional, Standpunkt, Industry Special

Im Rahmen seiner Veranstaltungsserie „Die Digitale Runde“ hat der Bundesverband Mergers & Acquisitions e.V. am 22. Juni eine Web-Veranstaltung zur Lieferkettenproblematik organisiert. Getragen wurde die Runde durch Vorträge von Reinhard Fricker von Ernst & Young sowie von Golo Edel und Dr. Justus Frank von Hogan Lovells.

Die Lieferkettenproblematik hat sich zu einer der schwersten Belastungen der Wirtschaft entwickelt – mit der Folge, dass Unternehmen ihre gesamte Produktbereitstellung neu überlegen müssen. Die Schwierigkeiten sind nicht komplett unerwartet. Sie gehen in jüngerer Zeit zurück auf die Auseinandersetzungen zwischen den USA und China unter der Trump-Regierung in den USA. Um der Asymmetrie in den Handelsbeziehungen beizukommen, hatten sich die USA durch Importverbote gegen China zur Wehr gesetzt – auf welche China mit Gegensanktionen antwortete. Leidtragender war auch Deutschland mit seinen Unternehmensniederlassungen in den USA und China, etwa mit BMW, dem größten Autoexporteur aus den USA, oder VW mit seiner führenden Position als Auslandspartner in China.

In den von der Pandemie bestimmten Jahren kamen weitere Belastungen hinzu, vor allem durch die Null-Corona-Politik Chinas, die Fertigungsstätten blockierte. Die Folgen waren Hafenüberlastungen und massive Störungen der Seeschifffahrtswege.

Der Überfall auf die Ukraine und die Sanktionspolitik des Westens sowie der Rückzug westlicher Industrien und Handelsunternehmen aus Russland führten zu einer weiteren Eskalation der Lieferkettenprobleme.

Fast schon vergessen sind die Fehler, die unsere Industrie selbst zu verantworten hat, insbesondere die One-Source-Politik, die vor allem in der Autoindustrie praktiziert wurde. Darüber hinaus entstanden fast unbeobachtete Branchenmonopole, etwa in der Bahnindustrie, in der die Hersteller von Türen, Bremsen und Kupplungen die Systemanbieter von Rolling Stock erpressen konnten. All diese Effekte überlagerten sich – und kumulieren jetzt zu einer ernsten Bedrohung für Hersteller und die Versorgung der Märkte.

Reinhard Frigger stellte in seiner Präsentation zum Thema eine Systematik vor, die darlegte, wie sich die Versorgungsketten über die Zeit entwickelten: Die jüngsten Generationen der unternehmerischen Versorgungsstrategien zeichnen sich durch die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen und über neue Geschäftsmodelle aus. Seit 2017 haben sich die weltweiten restriktiveren Handelsmaßnahmen nahezu verdreifacht. Die schwersten Eingriffe erfolgten in Verbindung mit dem Ukrainekrieg. Die weiteren zu erwartenden Auswirkungen durch Sanktionen und Eingriffe in die Versorgungsketten lassen auch künftig schwerwiegende Belastung in der Wirtschaft erwarten. Die Regulatorik, insbesondere das Lieferkettenschutzgesetz sowie Maßnahmen zur CO2-Reduktion, stellen weitere Herausforderungen dar.

Die unternehmerische Antwort ist in vier Leitprinzipien zusammenzufassen:

• CO2-Reduktionen werden zu einer entscheidenden Zielgröße
• Lieferantenmanagement ist auf Lebenszyklen zu basieren
• Strategieentwicklungen sind auf ein End-to-end Kompetenzmanagement auszurichten
• das Beschaffungswesen ist grundlegend neu zu durchdenken

Die Vorträge der von Golo Edel und Justus Frank zielten auf das jüngst verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ab und fokussierten sich auf die Rechtsauslegung, Abwehr von Missbrauch, Vertragsstrafen und vor allem auf arbeitsrechtliche Belange.

Das hiesige Gesetz ordnet sich in eine Reihe von vergleichbaren Regelungen im internationalen Kontext ein. Auf europäischer Ebene wurde dabei ein gewisser Einklang erzielt, insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich. Das Gesetz wird wirksam zum 1. Januar 2023. Es gilt ab einer Unternehmensgröße von 3.000 Mitarbeitern, wobei das Hauptunternehmen einschließlich seiner verbundenen Geschäfte aufzusummieren sind. Im Wesentlichen geht es um Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße.

Zur Absicherung sollte ein Risikomanagementsystem etabliert werden, zu dem Regularien für die Kontrolle zu entwickeln sind. Dabei sind Risiken zu analysieren, Ergebnisse zu protokollieren, präventive Maßnahmen und Abhilfemaßnahmen vorzuhalten. Es bestehen Dokumentationspflichten, und jährlich ist eine Erklärung zur Compliance vorzulegen, die geprüft werden kann.

kai-lucks
Autor
Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks

Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks ist Gründer und Vorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions sowie Geschäftsführer des MMI Merger Management Instituts. Er arbeitete in verschiedensten Funktionen seit 35 Jahren im Siemens-Konzern und als Hochschullehrer, gilt als Architekt des Siemens-Ansatzes für M&A-Integration. Er ist Autor zahlreicher Artikel und Bücher, zuletzt des Praxishandbuches Industrie 4.0.

Profil
Das könnte Sie auch interessieren