24.06.2020 | Jan Pörschmann, Moritz von Laffert

Das Corona Medien-Paradoxon: „(Reichweiten-)Gewinner verlieren“

optional, Standpunkt, unkategorisiert

Ausgehend vom verstärkten Medienkonsum in Zeiten von Corona ist es naheliegend anzunehmen, dass die Medienbranche zu den Krisengewinnern gehören müsste. Dem ist nicht so. Warum?

Die Medienbranche untergliedert sich grundsätzlich nach den Zielgruppen: B2C (Publikumsmedien) und B2B (Fachmedien), sowie nach den Mediengattungen TV, Radio, Online, Print, Außenwerbung, Kino und Events. Die Erlösmodelle bestehen primär aus Werbeeinnahmen „Vermarktungserlöse“ (meist in Abhängigkeit von Reichweiten) und Paid-Content „Vertriebserlöse“ (Abos, Einzelverkäufe, Tickets).

Sowohl Vermarktungs- wie Vertriebserlöse sind im 2. Quartal in Deutschland eingebrochen: Die Reichweitenexplosion in den Publikumsmedien wurde durch Werbestopps der Großunternehmen torpediert.

Das Rent- versus Buy-Verhalten führte zu erheblichen Zuwächsen bei Abodiensten wie Amazon Prime, Spotify oder Netflix. Die Ausgehbeschränkungen verursachten einen Reichweiteneinbruch bei Out-of-Home. Und die Absage von Großveranstaltungen brachte den Ticketverkauf zum Erliegen.

Die Jahresprognose von Magna Global liegt insgesamt bei minus 10,5%. Am schlimmsten traf es Out of Home mit rund 21% sowie Print mit 19%. Aber auch TV (-15%) und Digital drehte ins Minus. Deutschland ist damit noch weniger betroffen als etwa Frankreich mit -13% oder Spanien mit -15%.

Ergebnis: Die Medienbranche gehört nicht zu den Krisengewinnern.

Ist der Auslöser dafür nur das Coronavirus? Nein. Drei fundamentale Entwicklungen bewegen die Medienlandschaft schon länger:

  1. Das Medienkonsumverhalten hat sich grundlegend verändert. Die Digitalisierung führt zur Abkehr vom linearen Fernsehen hin zu Streaming on Demand, dem Konsum auf mobilen Geräten und zunehmend User-Generated Content über Social Media-Plattformen wie Instagram, Snapchat oder TikTok.

  2. Ein weiterer Mega-Trend ist die „Plattform-Ökonomie”: konkret die Erbringung von digitalen Leistungen auf digitalen Marktplätzen über Sharing Economy-Modelle oder die datengetriebenen Geschäftsmodelle. Für Medienunternehmen sind solche Ansätze prädestiniert, um neue Erlösströme zu erschließen und mit ihren Konsumenten direkte Beziehungen aufzubauen.

  3. Die Dominanz der vier US- GAFA Player (Google, Amazon, Facebook, Apple). Sie sind zusammen fast viermal so viel wert wie die DAX 30-Unternehmen in Deutschland und dominieren den Online-Werbemarkt.

Was sind mögliche Implikationen für Medienunternehmen?

  • Inhalte und Services müssen Multi-Channel/Device-fähig erstellt werden und idealerweise nutzerspezifisch darstellbar beziehungsweise einsetzbar sein, so dass sich Nutzer freiwillig registrieren und damit eine direkte Interaktion ermöglichen – entweder durch Paid-Content-Logiken oder nutzerspezifische Werbemittel.

  • Mit Kooperationen oder Joint Ventures können regionale Gegengewichte zu den US-Titanen aufgebaut werden (z.B. d-force, ein gemeinsamer Programmatic-Vermarkter von ProSiebenSat.1 und RTL).

  • Entwicklung von zielgruppenspezifischen 360-Grad-Medienangeboten, mit Flächen für Interaktion, News, Experience Marketing, Bewegtbild oder Gamifaction, um Werbetreibenden einen 24/7-Dialog mit ihren Zielgruppen zu ermöglichen.

Fazit: Aus M&A-Sicht bleibt das Mediensegment ein attraktives Wirkungsfeld, um die strategischen Ambitionen der Häuser zu begleiten: sein es Transformationen oder Fusionen, die Erschließung angrenzender Geschäftsfelder oder Divestitures, um Kapital und Ressourcen für das Kerngeschäft zu heben.

Das könnte Sie auch interessieren