29.01.2021 | Prof. Dr. Christoph Schalast

Der Blick in die Glaskugel: M&A im Jahr 2 der Corona-Pandemie

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Anfang des Jahres beruhigt sich traditionell der M&A-Zirkus ein wenig. Die Jahresendrally wurde erfolgreich bewältigt und jetzt geht es üblicherweise für zwei Wochen auf die Skipisten. Doch bleibt in der Regel noch genügend Zeit, einmal in die Glaskugel zu schauen und eine Prognose für den M&A-Markt im kommenden Jahr zu wagen.

Im Januar 2020 war der Ausblick für alle Beteiligten so rosig wie selten zuvor. Ein jahrelanger Aufschwung mit beeindruckenden Wachstumszahlen in den wichtigsten Wirtschaftsregionen schien zu diesem Zeitpunkt durch nichts gefährdet, hinzu kam die Verfügbarkeit von Fremdkapital zu unglaublich attraktiven Bedingungen und eine ebenfalls beeindruckende Börsenrally. Schlagartig änderte sich dies im März, und wenn man Investmentbanker, M&A-Berater oder Fusionsanwälte im zweiten Quartal in ihrem Homeoffice kontaktierte, wussten die meisten nicht, was sie mit ihrer ungewohnten „Freizeit“ anfangen sollten, die Perspektive schien rabenschwarz. Doch dies hat sich innerhalb kürzester Zeit wieder gedreht. Nach den unterschiedlichen Berechnungen ist das Gesamtdealvolumen entweder leicht gesunken, leicht gestiegen, doch auf jeden Fall gab es keinen Einbruch wie etwa 2001 nach dem Platzen der dotcom-Blase oder 2008 ff. in der Finanzkrise.

Doch wie sieht nun der Ausblick Anfang 2021 aus? Zunächst einmal sind die Skipisten weitgehend verwaist, Lockdown in allen wichtigen M&A-Standorten, von den USA über das UK bis Europa, die einzige Ausnahme ist derzeit noch China und Südostasien. Nichtsdestotrotz haben sich die Rahmenbedingungen, die zu dem beeindruckenden Aufschwung im zweiten Halbjahr 2020 geführt haben, nicht vollständig geändert. Weiterhin ist unglaublich viel Liquidität im Markt wegen der Aktivitäten der Zentralbanken vorhanden. Hinzu kommt, dass es bis jetzt (noch) keine Bankenkrise wie etwa 2008 und nachfolgend gibt. Zwar steigen die Zahlen notleidender Kredite (Non-Performing Loans) in den Bankbilanzen, doch derzeit ist bei Corporate Loans aufgrund der Gießkannenbeihilfen sowie der Corona-Gesetzgebung noch nicht eine Insolvenzwelle in Gang gekommen. Insbesondere Finanzinvestoren verfügen derzeit über erhebliche Mittel, da zunehmend institutionelle Investoren diese Assetklassen auswählen (müssen) angesichts des langjährigen Nullzinsumfeldes.

Welche Trends werden wir also im M&A-Markt 2021 sehen? Es wird weitere Megadeals geben, soweit der Übernehmer/Erwerber fremdkapitalfähig ist, was bei Finanzinvestoren, aber auch großen Strategen durchgängig der Fall ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass gerade der breite Mittelstand die letzten Monate genutzt hat, um seine Hausaufgaben zu machen, das heißt den eigenen Hof aufzuräumen. Daher werden wir viele Unternehmensteile sehen, die in den nächsten Wochen und Monaten im Schaufenster stehen. Diese Entwicklung wird dadurch gefördert, dass viele Anlageberater in der jetzigen Krise eine Fokussierung auf das Kerngeschäft für richtig halten. Spin-offs und Carve-outs werden die logische Konsequenz sein, und diese sind gerade für Private Equity spannend. Der Trend wird mit Sicherheit von Hedgefonds weiter verstärkt, die im Jahr 2021 wieder sichtbarer auf der Bühne agieren werden.

In diesem Zusammenhang wird den Börsen weltweit eine ganz besondere Bedeutung zukommen. Schon 2020 sahen wir in Deutschland überraschend viele IPOs, auch wenn die Anleger mit der Kursentwicklung nicht wirklich zufrieden sein konnten. Doch es ist absehbar, dass sich dies jetzt ändern könnte, dafür steht etwa Siemens Healthineers. Sehr viel erfolgreicher waren dagegen Börsengänge in den USA, auch der deutsche Corona-Champion CureVac hat das Listing in New York gewählt. So wundert es nicht, dass in den USA eine ganze Reihe von hochspannenden Börsengängen erwartet wird, die Emittenten wollen an der Rally – solange sie noch läuft – teilnehmen. Etwas überraschend ist es aber, dass auch die Pipeline in Deutschland so straff gefüllt ist wie seit Jahren nicht mehr. Auch die Volumina beeindrucken, gerade erst hat Auto1 seine IPO-Absichten publiziert, und in der Presse wird mit zahlreichen weiteren Kandidaten kalkuliert. Ganz vorne sind dabei Private-Equity-Fonds wie etwa EQT (Suse) oder Cinven (Synlab), die vermutlich auf ein Dual-Track-Verfahren setzen und den IPO nur als attraktive Alternative sehen. Aber auch Strategen wie etwa Vodafone (Vantage Towers) oder Zalando (About You), liebäugeln offen mit dieser Option, und trotz des abgesagten Ant-Börsengangs in China muss man auch hier mit vielen spannenden Themen rechnen.

Doch unabhängig davon, ob es sich um Megadeals, Mid- oder Small-Market-Transaktionen handelt, bestimmte Themen stehen im Mittelpunkt. Ganz weit vorne wird dabei Tech sein, weil dieses Thema durch die Coronakrise befeuert wurde und der Megatrend der Digitalisierung sich laufend verstärkt. Attraktiv ist dabei auch, dass es sich in der Regel um Asset-Light-Transaktionen handelt. Ein weiterer Megatrend wird – naheliegend – der Gesundheitssektor in 2021 sein, aber es ist davon auszugehen, dass klassische Themen wie Communications oder Energie/Infrastrukture, ebenfalls ihre Bühne haben werden.

Insgesamt also ist das Glas Anfang 2021 – trotz der anhaltenden Pandemie und des aktuellen großflächigen Lockdowns – halbvoll. Hinzu kommt, dass sich die politischen Rahmenbedingungen, zumindest in den USA, verbessert haben. Doch man sollte nicht vergessen, dass es auch Bremser gibt. So ist davon auszugehen, dass die Pandemie in vielen Weltregionen, etwa Südamerika, Afrika oder auch Indien, weiterhin sehr präsent bleiben wird. Des Weiteren hat sie dazu geführt, dass immer mehr Staaten ihr Außenwirtschaftsregime verstärkt haben, zu nennen sind hier neben Deutschland und der EU vor allem die USA, Australien und das UK. Es gibt offenbar eine große Angst, dass es jetzt zu einem Ausverkauf in beziehungsweise nach der Krise kommen könnte, denn die bisher verschleppte Insolvenzwelle wird irgendwann beginnen, und darauf warten spezialisierte Distressed-M&A-Investoren. Sie müssen dabei mit mehr staatlicher Kontrolle rechnen, und staatliche Kontrolle war schon immer Gift für das Geschäft.

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Autor
Prof. Dr. Christoph Schalast

Prof. Dr. Christoph Schalast, Rechtsanwalt und Notar, ist Managing Partner von Schalast LAW | TAX, akademischer Direktor des M&A Master-Studiengangs (LL.M.) der Frankfurt School of Finance & Management sowie Herausgeber der M&A Review.

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