23.02.2019 | Dr. Christian Haellmigk

Wie geht es weiter mit der EU-Fusionskontrolle?

Allgemein, Standpunkt

Zusammenschlüsse von sogenannter gemeinschaftsweiter Bedeutung müssen bei der EU-Kommission angemeldet werden. Seit 1990 war dies in mehr als 7.000 Zusammenschlüssen der Fall. In weniger als 30 Fällen kam es zu einer Verbotsentscheidung. Insbesondere die am 6. Februar 2019 ergangene Untersagung des Zusammenschlusses Siemens/Alstom hat in der Politik jüngst eine Debatte ausgelöst, ob das Fusionskontrollrecht der EU nicht einer grundsätzlichen Überarbeitung bedürfe, um im Zeitalter der Globalisierung zu bestehen. Während die Kommission vor ein paar Monaten im Fall Bayer/Monsanto noch Kritik wegen angeblich zu lascher Prüfkriterien einstecken musste, sollen die Kriterien nun zu streng sein.

Nach den gültigen Regeln der EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO) hat die Kommission einen Zusammenschluss zu untersagen, wenn durch ihn wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung. Ob ein Zusammenschluss freigegeben oder verboten werden muss, ermittelt die Kommission in einem aufwändigen Verfahren unter Auswertung aller ihr verfügbaren Tatsachen von Amts wegen. Ihre Entscheidungen unterliegen der Kontrolle durch die Gerichte der EU. Soweit ersichtlich, wurde der Kommission nie ernsthaft vorgeworfen, sie entscheide unterschiedlich je nach „Nationalität“ der betroffenen Unternehmen oder gar nach deren Identität. Auch zeichnen sich die Entscheidungen der Kommission im Gegensatz zu anderen Fusionskontrollrechtsordnungen wohltuend dadurch aus, dass andere Aspekte als die des Wettbewerbs (wie zum Beispiel industriepolitische Erwägungen) gerade keine Rolle spielen. Nach Ansicht der meisten Praktiker hat sich die FKVO insgesamt bewährt.

Nun aber wurde aus Anlass der Siemens/ Alstom-Entscheidung seitens der Politik die Einführung einer europäischen Regelung entsprechend der deutschen Ministererlaubnis und/oder eine Aufweichung der oben dargestellten materiellen Prüfkriterien der FKVO mit der Begründung ins Spiel gebracht, die Praxis der Kommission verhindere das Entstehen „europäischer Champions“. Sicher mag die Schaffung „europäischer Champions“ aus Sicht einer breiten EU-Öffentlichkeit wünschenswert erscheinen. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Gründung von Airbus, wodurch auf dem weltweiten Flugzeugmarkt erstmalig ein namhafter Konkurrent zu Boeing entstand und so der Wettbewerb gefördert wurde. Allerdings dürfte die politische Debatte insoweit in eine ganz andere Richtung gehen, wenn gefordert wird, die FKVO-Prüfkriterien für „Champion-Kandidaten“ abzusenken, mit anderen Worten die Entstehung von Marktmacht in bestimmten Konstellationen zuzulassen. Aus Kreisen der Wettbewerbshüter ist schon die Befürchtung zu hören, dass eine derartige, mit Blick auf das weltweite Geschehen erfolgende Absenkung der Eingriffskriterien ihre Folgen vor allem in der EU zeitigen und dort für die Abnehmer zu höheren Preisen und einer geringeren Auswahl führen könnte. Daher ist hier mit erheblichem Widerstand von vielfältiger Seite zu rechnen.

Autor
Dr. Christian Haellmigk

Rechtsanwalt und Partner bei CMS in Deutschland

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