26.06.2020 | Christopher Peine

Herausforderungen für M&A-Projekte durch die Corona-Krise: Auswirkungen auf Kaufpreis, Kaufpreisfindung und -sicherung

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Der Kaufpreis und mithin die Kaufpreisklausel des Unternehmenskaufvertrags sind das Kernelement – das „Herzstück“ – der gesamten Transaktion. Die Einigung auf den Kaufpreis und das „richtige“ Kaufpreismodell stellen häufig die größten Herausforderungen dar.

In dem bis einschließlich 2019 existenten Verkäufermarkt waren Festkaufpreismodelle (Locked Box) auf einen historischen wirtschaftlichen Übertragungsstichtag beliebt und überwogen im Verhältnis zu Closing-Accounts-Mechanismen mit auf den Vollzug exakten Kaufpreisberechnungen. Die Corona-Krise wird hier eine Trendwende markieren. Der Markt wird sich bei den Kaufpreismodellen wieder diverser und flexibler zeigen. Closing Accounts werden jedenfalls dort überwiegen, wo nicht Earn-Out-Strukturen zur Anwendung kommen. Hintergrund hierfür ist die bestehende Unsicherheit im Markt, die durch die vorgenannten Kaufpreismodelle bzw. -komponenten in den Kaufpreis einfließt bzw. einfließen kann. Insofern sind im Krisenjahr 2020 harte Diskussionen bei der Verhandlung der Definitionen von Nettofinanzverbindlichkeiten und Nettoumlaufvermögen zu erwarten.

Neben die klassischen Konzepte des Festkaufpreises und der Closing Accounts werden zunehmend Erweiterungen der Kaufpreismodelle treten, insbesondere zusätzliche variable Kaufpreiskomponenten, wonach bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bzw. Erreichen bestimmter Finanzkennzahlen zusätzliche Zahlungen zu einem späteren Zeitpunkt anfallen (Earn-Out). In der Praxis griffen die Parteien bislang auf einen Earn-Out zurück, um insbesondere eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Kaufpreisvorstellungen von Käufer und Verkäufer zu schlagen. In der Corona-Krise werden Earn-Outs auch dazu dienen, das aktuelle wirtschaftliche Gesamtrisiko auf Verkäufer und Käufer zu verteilen. Solche Konzepte können auch nach dem Krisenjahr 2020 im Falle des (nachhaltigen) wirtschaftlichen Misserfolgs auch deutlich zugunsten der Käufer wirken.
Bei der Gestaltung des Earn-Outs ergeben sich eine Reihe komplexer Fragestellungen, für die eine für alle Parteien akzeptable Lösung gefunden muss. Dies betrifft etwa die Auswahl der Parameter für den Earn-Out sowie angemessene und praktikable Verfahrensregeln und Schutzmechanismen für den Verkäufer in der Earn-Out-Periode. Aus rein rechtlicher Sicht wird der Fokus auf der rechtssicheren Ausgestaltung liegen; denn aufgrund ihrer Regelungskomplexität sind Earn-Outs streitanfällig.

Die voraussichtlich schwierigere Finanzierbarkeit von Transaktionen wird sich auch auf Kaufpreisgestaltungen und ggf. die Transaktionsstruktur auswirken. Wo eine Finanzierung durch Debt Funds keine Alternative ist und der nachlassende Risikoappetit der Banken durchschlägt, können Vendor Loans (auch in Form von Genussrechten), Minderheitsbeteiligungen der Verkäufer oder eine Rückbeteiligung des Managements ergänzende Strukturalternativen sein. Allen voran dürften Vendor Loans wieder häufiger zur Anwendung kommen, um Finanzierungsprobleme zu beheben. Der Vendor Loan ist weder eine Kaufpreiskomponente noch ein besonderes Kaufpreismodell, sondern vielmehr eine Zusatzvereinbarung zur Kaufpreisstundung, die bei jedem beliebigen Kaufpreismodell ergänzend getroffen werden kann. Der Vendor Loan kann den Gesamt- oder - im Regelfall - einen Teilbetrag des vereinbarten Kaufpreises abdecken.

Im Gegensatz zu 2019 dürften Käufer verstärkt in der Lage sein, härtere Kaufpreissicherungen durchzusetzen. Hierzu zählen neben dem klassischen Treuhandmodell (Escrow Account), bei dem ein Teil des Kaufpreises auf ein Treuhandkonto gezahlt wird und insbesondere der Sicherung von Garantie- und Freistellungsansprüchen dient, auch weitere Mechanismen: MAC-Klauseln sehen für den Fall, dass sich wesentliche dem Kaufvertrag zugrundeliegende wirtschaftlichen Annahmen ändern, ein vertragliches Rücktrittsrecht des Käufers vor, oder sind als reine Vollzugsbedingung (Closing Condition) ausgestaltet. Die Veränderungen können sich dabei auf die Zielgesellschaft selbst (Business MAC) oder auf das Marktumfeld (Market MAC) beziehen. Typische Anknüpfungspunkte einer Business MAC wären die Verschlechterung bestimmter Unternehmenskennziffern (bspw. Umsatz, EBITDA oder EBIT) oder der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. eine Überschuldung der Zielgesellschaft. Demgegenüber sollen Market MACs gesamtwirtschaftliche Ereignisse absichern und orientieren sich daher an objektiven Indizes, wie etwa dem DAX oder einem anderen geeigneten Börsenindex.
Käufer werden ferner auf eine umfassendere Due Diligence, engere Verhaltenspflichten der Verkäufer (Covenants), umfassenderen Garantien und weitreichende Freistellungen drängen – und dürften diese anders als 2019 auch durchsetzen.

Eine weitere Möglichkeit der Absicherung der Parteien sind W&I-Versicherungen, die (noch) stärker gefragt sein dürften. Allerdings sehen die Versicherungen sich zugleich einer stark steigenden Zahl von Ansprüchen angesichts der Krise gegenüber, was wiederum zu mittelfristig steigenden Prämien und strengeren Anforderungen an die Due Diligence der Käufer führen wird.

Christopher Peine
Autor
Christopher Peine

Christopher Peine ist Salary Partner im Frankfurter Büro von Taylor Wessing und auf nationale und grenzüberschreitende M&A-Transaktionen spezialisiert. Darüber hinaus berät er bei Joint Ventures und Umstrukturierungen sowie in allgemeinen Fragen des Gesellschaftsrechts. Er ist für ein breites Spektrum an Mandanten tätig, einschließlich deutscher und internationaler Unternehmen sowie Finanzinvestoren. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Gesundheitswirtschaft.

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