31.03.2021 | Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks

M&A im Krisenmodus

optional, Standpunkt, unkategorisiert

Die Coronakrise hat uns eine Achterbahnfahrt bei M&A beschert. Die einen können ihre M&A-Projekte unbeirrt weiterführen, denn die Kasse stimmt und die Beteiligungen laufen quasi „offline“ ab, weil keine lokalen Präsenzen nötig sind. Andere wittern Chancen, wenn schwächelnde Unternehmen zum Kauf angeboten werden und wenn die große Insolvenzwelle kommt. Einige mussten ihre Projekte aufschieben oder unterbrechen, weil die erforderliche lokale Präsenz angesichts von Reiserestriktionen nicht möglich ist. So gibt es Player, die alles auf null schalten und abwarten, was da kommt. Unter diesen befinden sich diejenigen, die geschwächt sind und nicht wissen, wie sie aus der Krise kommen: Können sie allein weitermachen? Müssen sie sich an einen Partner anlehnen? Manche verhalten sich wie die Kaninchen vor der Schlange. Aber Nichtstun ist sicher das Schlechteste: Wer total verharrt, während sich außen etwas tut, was man nicht sieht, der hat schon die Flinte ins Korn geworfen.

Und so gibt es Zeitgenossen, die in einer aufgezwungenen M&A-Ruhepause grundlegend ihre strategischen Karten neu legen: Andere Geschäftsansätze? Online-digital? Neue Technologien? In welchen Ökosystemen bewege ich mich? Was wird nach Corona anders sein?

Solche Fragen sollten wir uns alle stellen, denn die M&A-Welt „nach Corona“ wird eine andere sein! Wir haben während der Lockdowns schon vieles gelernt und einiges so verinnerlicht dass wir die erzwungenen Errungenschaften in die Zukunft weitertragen werden, etwa Ersparnis von Reisezeiten durch Web-basierte Verhandlungen. Auch die Nutzung neuer digitaler Tools für M&A kann uns von lokalen Präsenzen lösen und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit bei Projekten erheblich steigern.

Ganz Findige unter uns haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie man kritische Phasen und heiße Verhandlungen, von denen wir gewohnt sind, dass diese nur in persönlichen Runden durchgeführt werden können, doch übers Netz führen kann. Wie kann man im Remote-Modus Vertrauen aufbauen? Es wird Sie überraschen: Auch das funktioniert. Zweifellos nur in gewissem Rahmen. Und unter ganz anderer Taktung der Treffen, die ja nun im Wesentlichen virtuell stattfinden. Wenn dann persönliche Präsenzen unausweichlich sind, etwa Notartermine oder Besichtigungen von Fertigungsanlagen, dann kann man so etwas an loyale Dienstleister übergeben und sich per Video zuschalten. Das ist natürlich nicht das Gleiche, wie wenn ein Übernehmer selbst vor Ort auftreten würde – aber tätig bleiben im Krisenmodus ist zweifellos besser als die Hände in den Schoß zu legen. Denn Warmhalten von Projekten und Kontakten ist nachhaltiger als alles abkühlen zu lassen und auf einen Kaltstart zu warten – wann immer der kommen kann. Denn eines fürchten wir M&A-Leute doch vor allem: Dass uns die Kontrolle entrissen wird. Dies ist umso gravierender, wenn sich eine Krise unvorhersehbar verlängert.

Wer konnte schon vorhersehen, dass Corona jetzt in die dritte Welle geht? Wer weiß, wie lange die Erholung danach dauert? Bekannte Namen der Finanzindustrie denken zwar, dass die Erholung eine schnelle sein wird, weil das Corona-Problem außerhalb des Finanzsystems entstanden ist. Die Schäden, die entstanden sind, müssen aber noch beseitigt werden. Das könnte einige Jahre dauern. In dieser Zeit könnten ganz andere Krisen kommen. Da lohnt sich ein Blick auf die jüngste Geschichte. Die Finanzkrise von 2008 hatte viele Vorläufer, die sich wie in Wellen über den Globus bewegten. Und große Nachwehen. Die Indikatoren von heute zeigen eindeutig: Corona eins bis drei zählt zu den schwersten Krisen der Neuzeit.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns genauer damit beschäftigen, damit unsere Geschäfte mithilfe M&A erfolgreich aus den Krisen auferstehen. Dies ist eine der zentralen Aufgaben, der wir uns als M&A-Verband gemeinsam mit der M&A Review jetzt widmen. Seien Sie gespannt!

Autor
Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks

Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks ist Gründer und Vorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions sowie Geschäftsführer des MMI Merger Management Instituts. Er arbeitete in verschiedensten Funktionen seit 35 Jahren im Siemens-Konzern und als Hochschullehrer, gilt als Architekt des Siemens-Ansatzes für M&A-Integration. Er ist Autor zahlreicher Artikel und Bücher, zuletzt des Praxishandbuches Industrie 4.0.

Profil
Das könnte Sie auch interessieren