„Worauf es ankommt, das sind nie die Bedingungen, die man vorfindet, sondern das ist stets das LEBENSWERK, das man daraus gemacht hat.“ – ein griffiges und wahres Zitat der österreichischen Psychologin Elisabeth Lukas. Ein LEBENSWERK baut man Schritt für Schritt auf, wird dafür geachtet, in manchem Fall geehrt und ausgezeichnet. Das LEBENSWERK ist die Essenz dessen, was geleistet wurde.
Und als Unternehmer steht man irgendwann vor der Frage, wie es mit dem eigenen LEBENSWERK weitergehen soll: einer Firma, die teils selbst aufgebaut, teils über Generationen in der Familie weitergegeben wurde, einem Unternehmen, in das Herzblut, Nerven, Zeit und nicht zuletzt eine Menge Geld investiert wurden. Im Idealfall steht kurz vor dem Ruhestand der Nachwuchs bereit und übernimmt – was über viele Jahrzehnte gut funktionierte, ist inzwischen allerdings keineswegs mehr die Regel. Die Kinder haben eigene Pläne. Und der Unternehmer hat ein Problem.
Im deutschen Mittelstand sind über 30.000 Unternehmen mit einem Umsatzvolumen zwischen 10 und 250 Mio. EUR vertreten. 12.000 dieser Firmen sind inhabergeführt. All diese Inhaber müssen sich überlegen, was mit ihrem LEBENSWERK geschehen soll, wenn sie sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden. Sie alle müssen aber auch schon zuvor viel Energie investieren, um ihre Firma gut zu positionieren, dem Wettbewerb standzuhalten und den Betrieb so weiterzuentwickeln, dass er zukunftsfähig ist. An Herausforderungen mangelt es nicht: Corona-Pandemie, Digitalisierung, Lieferkettenengpässe – die Liste ließe sich fortführen. Um in diesem Umfeld zu bestehen, muss der Mittelstand sich neu aufstellen: ein probates Mittel, um die Herausforderungen zu meistern, sind Ver- und Zukäufe (M&A).
M&A-Transaktionen sind geeignet, um Unternehmensteile abzustoßen oder neue Geschäftsfelder in das eigene Portfolio einzugliedern, sie bringen die nötige Liquidität für Innovationen und Wachstum, und am Ende des Unternehmerlebens sind sie eine attraktive Möglichkeit, die Nachfolge zu regeln und das eigene LEBENSWERK in gute Hände zu überführen.
Dennoch munkelt man, dass der Mittelstand so seine Probleme mit dem Thema hat und sich in Sachen M&A oft in vornehmer Zurückhaltung übt. Diese These ist in Teilen richtig, in vielen Bereichen aber auch falsch – das ergibt die Mittelstandsstudie der Universitäten Lancaster und Bamberg unter Federführung von Prof. Dr. Florian Bauer und Prof. Dr. Martin Friesl, die mit Hilfe des Bundesverbands M&A (BM&A) und des Deutschen Instituts für Unternehmensnachfolge (DIfU) die Stimmung im deutschen Mittelstand eingefangen hat. 213 Unternehmer haben sich beteiligt.
Für immerhin 101 dieser Manager ist der Verkauf des sogenannten LEBENSWERKS eine Option. Dabei haben die Unternehmer sehr klare Präferenzen, wer der potenzielle Käufer sein sollte: Knapp 43% würden an einen Wettbewerber verkaufen, nur 12,5% hingegen könnten sich vorstellen, ihr Unternehmen einer Private-Equity-Gesellschaft zu überlassen – als Grund geben die Studienteilnehmer zum großen Teil den Trade-off zwischen Preis und Socio-Emotional-Wealth an. Bei lediglich 9,4% der Befragten ist ein PE investiert.

Abb. 1 Anteil der Befragten, für die ein Verkauf an eine Private Equity-Gesellschaft in Frage kommt
Quelle: Lancaster University Management School
BM&A und DIfU haben sich auf dem Mittelstandstag M&A 2022 neben anderen Themen der Frage gewidmet, woher diese Ressentiments gegenüber den vermeintlichen „Heuschrecken“ stammen und wie sie überwunden werden können. Immerhin knapp 86% der Studienteilnehmer geben als Verkaufskriterium schließlich an, Arbeitsplätze sichern zu wollen – inwieweit das beim Wettbewerber besser gelingen soll als bei einem liquiden Finanzinvestor, bleibt offen.
Wilhelm Mickerts, Partner bei Grant Thornton, erklärt beim Mittelstandstag, woraus die Skepsis gegenüber Private-Equity-Häusern (PEs) resultiert: „Über viele Jahre sind Berührungsängste entstanden – das lag an einigen wenigen Negativbeispielen, über die breit berichtet wurde, sowie an Bedenken gegenüber Neuem generell.“
Mickerts beobachtet aber auch, dass sich der Mittelstand den Finanzinvestoren zunehmend öffnet. Berater wie Grant Thornton schlüpfen in diesem Prozess gerne in die Rolle des Mittlers und erklären Unterschiede, betonen aber auch Gemeinsamkeiten – ein hohes Maß an Transparenz sei entscheidend, sagt der Experte. Und das ist gut so, denn nicht nur im Bereich Nachfolge sind PEs eine sinnvolle Option für den Mittelstand, sondern auch, wenn es in den Jahren zuvor um Weiterentwicklung und Wachstum des Unternehmens geht.
Immerhin geben knapp 72% der Befragten in der Mittelstandsstudie an, bereits Akquisitionen getätigt zu haben – sie bevorzugen diesen Weg sogar gegenüber Kooperationen oder Allianzen und schätzen nur die Entwicklung neuer Produkte als noch relevanter ein, wenn es um Wachstum und Zukunftsfähigkeit geht. In den kommenden fünf Jahren planen mehr als 28% eine Akquisition, um in neue Märkte einzutreten, 24% wollen über einen Zukauf die technologische Innovation stemmen, und weitere 14% könnten sich vorstellen, Add-ons als Internationalisierungsstrategie umzusetzen.