16.04.2020 | Prof. Dr. Christoph Schalast

Novellierung des Außenwirtschaftsrechts in Deutschland: Falscher Zeitpunkt oder falsche Botschaft in der Corona-Krise

optional, Special Topic

Viele Jahre lang befand sich das Außenwirtschaftsgesetz in Deutschland, zumindest soweit Unternehmensübernahmen betroffen sind, in einem sanften Dornröschenschlaf. Dies änderte sich Ende der 2000er Jahre, als erstmals eine spürbare Kontrolle für bestimmte sicherheitsrelevante Sektoren durch das Bundeswirtschaftsministerium eingeführt wurde. Und obwohl es anfangs kaum Verfahren und keine bekannt gewordenen Untersagungen gab, wurde dann in den letzten Jahren die Schraube doch immer fester gezogen. Gut war dabei, dass sich Deutschland zusammen mit Frankreich und Italien auf europäischer Ebene 2017 verbündet hat, um einheitliche Maßstäbe für die ganze Union umzusetzen. Dies gelang schließlich mit der Verordnung vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union ( EU-Screening-Verordnung 2019/452). Diese Verordnung gilt in Deutschland und in den anderen 26 Mitgliedsstaaten direkt, sie musste also nicht umgesetzt werden, wie es bei Richtlinien der Fall ist. Nichtsdestotrotz enhielt die Verordnung gewisse Anforderungen an das AWG und die werden mit dem jetzt vorgelegten Regierungsentwurf umgesetzt. Doch damit wollte es die Regierung nicht belassen. Parallel dazu soll auch die Außenwirtschaftsverordnung überarbeitet werden. Auch wenn die Bundesregierung in dem Referentenentwurf darauf hinweist, dass die Investitionsprüfung auch in Zukunft „mit Augenmaß und im Bewusstsein der Bedeutung ausländischer Direktinvestitionen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland“ erfolgt, hat sie doch eine Diskussion darüber in Gang gesetzt, ob die jetzige Initiative nicht zu weit greift, auf jeden Fall aber zum falschen Zeitpunkt mitten in der Corona-Krise erfolgt. Im Mittelpunkt steht dabei eine Stärkung der Eingriffsbefugnisse des BMWi, das jetzt auch bei einer „voraussichtlichen Beeinträchtigung“ der öffentlichen Ordnung und Sicherheit eingreifen kann. Dies gilt tatsächlich weiter als der bisherige Begriff einer „tatsächlichen Gefährdung“. Hinzu kommen einige lessons learned insbesondere aus der Kuka Transaktion, nicht zuletzt die Erweiterung des Kataloges der betroffenen Wirtschaftsbereiche wo jetzt auch KI etc. dazugehört.

Wird also Deutschland nunmehr unattraktiver für ausländische Investitionen. Dies ist mitnichten der Fall. Nicht zuletzt, weil Investitionen in solchen „kritischen Infrastrukturen“ durch Unternehmen mit Hauptsitz außerhalb der EU ausgesprochen selten sind. Daher wurden im letzten Jahr gerade einmal etwas mehr als 100 AWG-Verfahren beim BMWi durchgeführt und es ist dabei regelmäßig gelungen, zu Übereinkünften mit den Parteien der Transaktion zu kommen. Insoweit können wir uns sicher sein: Spektakuläre Untersagungen werden weiterhin die Ausnahme bleiben, doch Berater müssen das AWG bei einer Transaktion nunmehr noch stärker im Auge behalten und Bieter, die solche Risiken identifizieren, sollten möglichst frühzeitig – das BMWi war in der Vergangenheit regelmäßig  zu informellen Vorgesprächen bereit – Rechtssicherheit herstellen, damit sie im Verfahren nicht aus diesem Grund aussortiert werden. Insgesamt also doch sehr viel Rauch um sehr wenig Feuer, aber sicherlich auch kein günstiger Zeitpunkt, um dies zu vermitteln.

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Autor
Prof. Dr. Christoph Schalast

Prof. Dr. Christoph Schalast, Rechtsanwalt und Notar, ist Managing Partner von Schalast LAW | TAX, akademischer Direktor des M&A Master-Studiengangs (LL.M.) der Frankfurt School of Finance & Management sowie Herausgeber der M&A Review.

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