Im M&A-Tagesgeschäft erleben wir durch Corona derzeit vor allem eine Verschiebung der Prioritäten bei Corporates hin zur kurzfristigen Krisenbekämpfung sowie das Zurückziehen internationaler Bieter. Kurzfristig kommt es zu massiv eingeschränkter Bewegungsfreiheit auch im Inland, wir verzeichnen einen erheblichen Einbruch des Binnen-Konsums und des Exports, die Lieferketten beim Import sind unterbrochen.
Die Konsequenzen für die M&A-Prozesse sind kleinere Bieterfelder, eine Verlangsamung der laufenden Prozesse und eine Verschiebung neuer Prozesse bis auf weiteres. Das Current Trading wird engmaschig beobachtet, Closing Accounts (im Vergleich zu Locked-Box) gewinnen in den Kaufverträgen wieder Überhand, Unternehmenswerte werden zum Teil neu verhandelt oder mindestens dynamisiert. Die Erwartung generell sinkender Unternehmenswerte und von - nicht strukturell induzierten - Notverkäufen lässt PE-Investoren auf ein deutlich attraktiveres Investitionsklima hoffen.
Falls sich die Lage nicht schnell beruhigt, sehen wir eher langfristige Auswirkungen: Vorbelastete Unternehmen kommen schnell in wirtschaftliche Schieflagen, womit ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und steigende Sozialausgaben verbunden sind, insbesondere erhöhte Aufwendungen für das Gesundheitswesen. Außerdem wird es erhöhte Aufwendungen für die kurzfristen Rettungsmaßnahmen von Wirtschaft und Arbeitnehmer geben. Das führt zu einem unvorhersehbaren Anstieg der Staatsausgaben, damit einem Anstieg der Staatsverschuldung. Der damit einhergehende Kapitaldienst bindet Mittel, die nicht für Bildung, Infrastruktur, Innovation und andere zukunftsgestaltende Investitionen zur Verfügung stehen. Bei Unternehmen wird es zu einer steigenden Verschuldung zur Überbrückung der Einnahmenausfälle, fehlendem Zukunftskapital für Investitionen in Transformation und Innovation, einem Rückgang der Produktivität, schließlich sinkenden Unternehmenswerten und steigenden Kapitalmarktkosten für die Re-finanzierung kommen.
Das alles kann langfristig für M&A weitreichende Konsequenzen haben: Im Rahmen einer nachhaltigen Rezession wird es wieder vermehrt zu Eigenkapital-basierten Finanzierungen kommen. Die hohen Verschuldungen von Staat und Unternehmen werden zu steigenden Kapitalkosten und sinkenden Unternehmenswerten führen und damit Renditen der Exits von PE-Investments der Boom-Jahre 2017-2019 deutlich reduzieren. Das PE-Fundraising wird sich durch Überallokationen der LPs erschweren, Secondary-Transaktionen gewinnen an Bedeutung, neues Kapital wird schwerer einzuwerben sein. Turnaround Deals und Insolvenzen werden die Mehrzahl der M&A-Transaktionen ausmachen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Verbreitung des Corona-Virus in die besonders gefährdeten Bevölkerungsschichten (über 60 Jahre und mit gesundheitlicher Vorbelastung) schnell anders reduziert wird als durch die gegenwärtige allgemeine Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der volkwirtschaftlichen Dynamik. Und dass das weltweite Wettrennen um einen wirksamen Impfstoff schnell zum Ziel führt und wir uns nur auf die kurzfristigen M&A-Implikationen einstellen müssen.