04.04.2023 | Prof. Dr. Christoph Schalast

Zwischen MIPIM und Expo Real 2023: Immobilientransaktionen suchen nach einem neuen Gleichgewicht

Über ein Jahrzehnt und wenig beeinträchtigt von der Pandemie waren Immobilientransaktionen ein zentrales Rückgrat für das Transaktionsgeschehen in der DACH-Region. Dabei kam eine Reihe von Faktoren zusammen, kontinuierlich steigende Bewertungen, attraktive Finanzierungskonditionen mit hohen Leverage-Optionen und insgesamt ein stabiles, wenn auch nicht überschäumendes konjunkturelles Umfeld. Doch nun hat sich vieles geändert.

Allgemein, optional, Standpunkt

Über ein Jahrzehnt und wenig beeinträchtigt von der Pandemie waren Immobilientransaktionen ein zentrales Rückgrat für das Transaktionsgeschehen in der DACH-Region. Dabei kam eine Reihe von Faktoren zusammen, kontinuierlich steigende Bewertungen, attraktive Finanzierungskonditionen mit hohen Leverage-Optionen und insgesamt ein stabiles, wenn auch nicht überschäumendes konjunkturelles Umfeld. Doch nun hat sich vieles geändert. Für die Real-Estate-Branche gibt es dafür im Jahr zwei Fixpunkte: Im Frühjahr die MIPIM an der Côte d’Azur und im Herbst – nach dem Oktoberfest – die Expo Real in München.

Nachdem im letzten Jahr die MIPIM wieder im alten Modus und – mit wenigen Einschränkungen – im alten Stil stattfinden konnte, schien dieses Jahr alles auf Partylaune – bei stürmischem Wind, aber angenehmen Temperaturen und Sonnenschein – gestimmt. Aber ein klein wenig sah dies dann aus wie der Tanz auf dem Vulkan. Warnungen vor einer Preisblase insbesondere in den Metropolen begleiten den Markt schon seit einiger Zeit. Doch parallel zu dem Einmarsch von Russland in die Ukraine, wenn auch nicht dadurch verursacht, kommt eine Reihe von Entwicklungen dazu, die das Marktumfeld für Immobilientransaktionen derzeit massiv beeinträchtigen.

An erster Stelle sind dabei die kontinuierlich steigenden Zinsen zu nennen, mit denen die Branche Ende 2021 so nicht gerechnet hatte, da davon ausgegangen wurde, dass bei einer bestimmten Grenze (+/-3%) Schluss sein müsste, allein wegen der erheblichen Staatsverschuldung in den südlichen EU-Mitgliedstaaten. Doch die Inflation machte dieser Kalkulation einen Strich durch die Rechnung. Die steigenden Zinsen haben dabei unterschiedliche Effekte: Zunächst treffen sie all diejenigen, die nicht langfristig – wie etwa ein deutscher Einfamilienhaus- oder Eigentumswohnungskäufer – auf 10 oder noch besser 15 Jahre finanziert, sondern die Projektentwickler, die einen sehr viel kürzeren Zyklus benötigen. Auf ihren Refinanzierungszyklus trifft eine sinkende Nachfrage wegen der massiv gestiegenen Kosten für die Nachfrager.

Insoweit war Mitte März 2023 ein guter Zeitpunkt, um eine Standortbestimmung für die Branche vorzunehmen und einen Ausblick für 2023/2024 zu wagen. Dabei muss man zunächst nach den verschiedenen Assetklassen differenzieren, das heißt Wohnen, Gewerbe, Büro, Hotellerie, Logistik usw. Der Ausgangspunkt ist beunruhigend: Ende 2022 hatte sich das Transaktionsvolumen bei Gewerbeimmobilien gegenüber dem Vorjahr nahezu halbiert, bei größeren Wohneinheiten ist der Rückgang zwar nicht ganz so einschneidend, aber immer noch stark spürbar. Ein Indikator dafür ist London, das sich nach aktuellen Zahlen auf einem Zwanzigjahrestief, das heißt auf dem Niveau nach dem Platzen der Dotcom-Blase, eingependelt hat.

Hinzu kam dann aber noch der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der drohende Kollaps der Credit Suisse. Die Silicon Valley Bank spielt für den Real-Estate-Markt keine Rolle, sie bedient vor allem Start-ups und Venture Capital. Doch ganz anders stellt sich die Situation bei der Credit Suisse dar. Diese Bank gehörte zu den dreißig „systemrelevanten“ Banken weltweit, und sie war natürlich prominent in Cannes vertreten, aber noch mehr im Markt präsent.

Doch was sind die Konsequenzen? Notverkäufe sind derzeit (noch) kaum zu sehen. Weiter ist eine Kreditklemme ebenfalls (noch) nicht erkennbar, auch wenn Kredit relevant teurer geworden ist. Die Rahmenbedingungen bei Prolongationen, insbesondere wenn Zins und Tilgung nicht aus dem Cashflow bedient werden können, verschlechtern sich laufend. Man kann sich vorstellen, wie spannend solche Verhandlungen jetzt werden mit Themen wie Sondertilgung oder Eigenkapitalspritze. Auf der Habenseite muss man dagegen die Lessons Learned aus der letzten Finanzkrise sehen. Die augenblickliche Situation wurde nicht durch Immobilien, wie 2007/2008, beziehungsweise auf ihnen beruhende Verbriefungen verursacht. Diese spielen derzeit keine Rolle. Doch nichtsdestotrotz ist sicher davon auszugehen, dass die Entwicklung zur Zunahme von leistungsgestärkten Immobilienfinanzierungen, SPLs und NPLs, führen wird. Auf der anderen Seite hat der Markt seit mehr als 25 Jahren genau dafür Lösungen entwickelt. Insbesondere wird etwa der vom Markt zeitweise verschwundene Debt Equity Swap seine Wiederauferstehung sehen. Insgesamt zeigt sich – wie in jeder Krise –, dass Liquidität/Cash in solchen Situationen unabdingbar ist.

Doch hinzu kommen längerfristige Entwicklungen, die ganz unabhängig von der aktuellen Konstellation sind. Diese sind vor allem unter dem Stichwort „ESG“ oder „Cost of Climate Change“ zu subsumieren und werden politisch determiniert. Die damit verbundenen Anforderungen an „grüne“ Immobilien sind jetzt schon erkennbar, und die Entwicklung wird dazu führen, dass ESG-konforme Immobilien stark an Attraktivität gewinnen. Insgesamt deutet sich damit eine strukturelle Veränderung des ganzen Marktes an, auch wenn es derzeit noch zu wenige „grüne“ Immobilien gibt.

Angesichts dieser Umstände stellt sich dann die entscheidende Frage, was funktioniert weiter? Die aktuellen Entwicklungen führen zu einem Rückgang der Bautätigkeit und damit zwangsläufig zu weniger Ange-bot sowohl im Bereich Wohnimmobilien wie auch Gewerbe. Gerade in den Metropolen könnte dies zu einem starken Mietanstieg führen. Ganz anders sieht dies natürlich für B-Lagen aus. Gut funktioniert also grün und premium, schlecht dagegen Transaktionen im Bereich B/C und nicht sustainable. Auf jeden Fall befindet sich der Transaktionsmarkt für Real Estate derzeit an einer Wegkreuzung, und es wird spannend sein zu sehen, wie sich dies bis zur Expo Real im Herbst weiterentwickelt.

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Autor
Prof. Dr. Christoph Schalast

Prof. Dr. Christoph Schalast, Rechtsanwalt und Notar, ist Managing Partner von Schalast LAW | TAX, akademischer Direktor des M&A Master-Studiengangs (LL.M.) der Frankfurt School of Finance & Management sowie Herausgeber der M&A Review.

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