08.05.2025 | Irina Novikova, Susanne Kind, Basma Podlesnaya

Chancen, Risiken und Trends: ESG-Klauseln & Streitfälle im M&A-Kontext

Dispute Valuation – Besonderheiten bei der Durchführung von finanziellen Schadensbewertungen - Finanzielle Schadensbewertungen sind ein zentraler Bestandteil von Streitbeilegungen und rechtlichen Auseinandersetzungen, auch nach Unternehmenstransaktionen. Eine präzise Schadensbewertung ist im Rahmen von Gerichts- und Schiedsgerichtverfahren entscheidend, um die Schadensansprüche durchzusetzen und den Geschädigten adäquat zu kompensieren. Zur Bewertung von finanziellen Schäden führen die einschlägigen Bewertungsstandards sowie die hiesige Literatur jedoch wenig Spezifisches aus. Der Artikel beschäftigt sich mit Besonderheiten bei der Durchführung von finanziellen Schadensbewertungen und verdeutlicht diese anhand eines Fallbeispiels.

Recht & Steuer

1. Einleitung

Die Berücksichtigung von ESG (Environmental, Social, Governance)-Aspekten ist aus der Zukunft von M&A-Transaktionen nicht mehr wegzudenken. Doch während sich diese in Due-Diligence-Prüfungen, Berichterstattung und Compliance-Betrachtungen als ein wichtiger Teil des Standardrepertoires etablieren, werden ESG-Komponenten in Transaktionsdokumenten, einschließlich Kaufverträgen, bisher weitgehend vernachlässigt. Das Aufkommen von langwierigen und kostspieligen ESG-Streitigkeiten zeigt, dass die damit verbundenen Risiken und Chancen unterschätzt werden.1

Im Folgenden stellen wir zunächst unterschiedliche Arten von ESG-Klauseln vor und gehen anschließend anhand von zwei Beispielen für Post-M&A-Streitigkeiten auf die Vor- und Nachteile ein, die die Integration von ESG-Komponenten beziehungsweise das Versäumnis einer Berücksichtigung derselben in Vertragsdokumenten aus Käufer- und Verkäufersicht beinhalten.

2. Vielfalt und Standardisierung von ESG-Klauseln in Kaufverträgen

Bei der Berücksichtigung von ESG-Komponenten in Transaktionen handelt es sich auf der einen Seite um gesetzliche Verpflichtungen, denen sich die Akteure nicht entziehen können, und freiwillige ESG-Zusicherungen zu beispielsweise ethischer Unternehmensführung, nachhaltigen Geschäftspraktiken und Sozialstandards auf der anderen Seite. Während die ESG-Regulatorik weltweit umfassender und komplexer wird, in der EU unter dem Konzeptschirm des Green Deal, steigt hinsichtlich freiwilliger Zusicherungen der Druck durch Investoren, die ohne Zugeständnisse des Verkäufers bestimmte Portfolioergänzungen nicht in Betracht ziehen.

Eine Analyse ESG-bezogener Verbindlichkeiten und Reputationsrisiken ist die Grundlage für Überlegungen darüber, ob die Aufnahme entsprechender Klauseln in die Vertragsunterlagen sinnvoll oder gar notwendig ist. ESG-Aspekte finden in unterschiedlicher Art und Weise Berücksichtigung in Transaktionen und dem verbundenen Kaufvertrag, beispielweise als Gewährleistungen und Garantien, Freistellungen, MAC/MAE-Klauseln, Earn-out-Vereinbarungen oder durch mehr oder minder vorteilhaft bilanzierte Positionen als Teil bestimmter Kaufpreiskomponenten.

Klauseln, die die Einhaltung bestehender Umweltschutzgesetze betreffen, stellen die wohl etablierteste Variante von ESG-Vereinbarungen dar. Sie gehören bereits zum Standard in Kaufverträgen. Beispiele für aktuellere ESG-spezifische Vertragsklauseln und Themenbereiche schließen Verpflichtungen zum Schutz von Menschenrechten und/oder Antidiskriminierung, beispielsweise mit Fokus auf Lieferketten, klimabezogene Ziele wie die „Netto-Null“ sowie Verpflichtungen zu erneuerbaren Energien ein. Klassische umweltbezogene Zusicherungen besagen beispielsweise, dass es keine Hinweise auf klimabezogene Rechtsstreitigkeiten gibt. Diese können durch Erweiterung auf Phänomene wie Greenwashing einen Schutz für Käufer hinsichtlich potenzieller Vorkommnisse bieten, die bei der Due-Diligence-Prüfung nicht identifiziert wurden, für deren Aufkommen in dem betreffenden Geschäftsfeld jedoch ein gewisses Risiko besteht. Wurden in der Due Diligence ESG-Risiken deutlich, können maßgeschneiderte Freistellungen und/oder Entschädigungsvereinbarungen eine Lösung sein. Entschädigungsvereinbarungen sind eine Option der Absicherung gegen identifizierte Nachhaltigkeitsrisiken, deren Ausgang oder verbundene Kosten zum Zeitpunkt der Unterzeichnung noch unklar sind. Zu einer effektiven Prävention nachfolgender Streitigkeiten gehört es, diese Vereinbarungen so konkret und klar wie möglich zu formulieren. Anhängige Untersuchungen zu bestimmten Umweltverschmutzungen und die mit ihrer Beseitigung verbundenen Kosten sind ein Beispiel für derartige Fälle.

Trends in bestimmten Regionen zeigen zusätzlich zu klassischeren ESG-Betrachtungen Entwicklungen auf, die auch kontextübergreifend von Relevanz sind. In den vergangenen Jahren wird durch Klauseln, die verstärkt soziale Aspekte und Vorgehensweisen der Unternehmensführung betreffen, die Vielfalt der ESG-Bandbreite deutlicher. So haben die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen Filmmogul Harvey Weinstein und die Bekanntwerdung ähnlicher Vorkommnisse in anderen Firmen Unternehmen dafür sensibilisiert, sich gegen die Risiken sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und verbundener Reputationsschäden sowie potenzieller finanzieller Folgen abzusichern. Insbesondere im amerikanischen Kontext, aber zunehmend auch darüber hinaus, wurde in diesem Zusammenhang die „Weinstein-Klausel“ oder „#MeToo Representation and Warranty“ populär. In einer entsprechenden Klausel versichern die Zielunternehmen, dass in einem bestimmten Zeitraum keine Vorwürfe wegen sexueller Belästigung oder Fehlverhaltens gegen leitende Angestellte oder Führungskräfte erhoben und keine Vergleichsvereinbarungen in dieser Hinsicht getroffen wurden. Eine neue Entwicklung ist jene weg von negativen Bestätigungen hin zu positiven Zusicherungen durch die Zielunternehmen, dass Vorwürfe sexueller Belästigung angemessen untersucht und Korrekturmaßnahmen ergriffen wurden. Um den Faktoren zu begegnen, die begünstigen, dass dieses Verhalten unentdeckt oder unbestraft bleibt, wird mit Verweis auf weitere Arten der Diskriminierung und Belästigung empfohlen, in „#MeeToo Reps“ über sexuelle Belästigung hinaus Fehlverhalten am Arbeitsplatz im weiteren Sinne in den Blick zu nehmen.

Auch MAC (Material Adverse Change)- und MAE (Material Adverse Effect)-Klauseln können ESG-bezogene Veränderungen der äußeren Umstände betreffen, wenn beispielsweise zwischen Unterzeichnung und Vollzug Rücktrittsrechte oder Kaufpreisminderungen aufgrund von Umweltverschmutzungen oder aufkommenden ESG-verbundenen Rechtsstreitigkeiten geltend gemacht oder gefordert werden. Für Verkäufer besteht die Herausforderung hinsichtlich dieser Klauseln darin, derartige Vorkommnisse von den Risiken des normalen Geschäftsbetriebs abzugrenzen und Haftungsrisiken für sich zu limitieren. Die Auswirkungen der von MAE-Klauseln betreffenden Effekte werden im Unterschied zu MAC-betreffenden Veränderungen trotz ihres Eintretens vor Transaktionsschluss erst nach diesem sichtbar. Diese bieten dem Käufer einen Risikoschutz über den Vollzug der Transaktion hinaus. Verkäufer haben hingegen das Interesse, derartige Garantien zeitlich so weit wie möglich zu begrenzen.

Earn-out-Klauseln und Gesellschaftsvereinbarungen können Käufer und Verkäufer zudem nutzen, um die Erreichung konkreter ESG-Ziele zu integrieren. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich die Verwirklichung und Erreichung von Nachhaltigkeitszielen nicht in allen Geschäftsfeldern leicht abschätzen lässt. Earn-out-Klauseln, die unspezifiziert beispielsweise angemessenen Lohn, hinreichende Ausbildungsmöglichkeiten, nachhaltige Beschaffung, Umweltfreundlichkeit, ein umweltschonendes Abfallmanagement und/oder soziale Verantwortung zur Voraussetzung einer weiteren Zahlung machen, beherbergen ein hohes Risiko für Post-M&A-Streitigkeiten. Die Vereinbarung quantifizierbarer Kriterien, wie das Erreichen bestimmter Nachhaltigkeitszertifikate oder eine Schwelle an gemeldeten Risikofällen, die nicht überschritten wird, hingegen bietet beiden Seiten eine sinnvolle Option, diesen Unsicherheiten zu begegnen.

Die zuvor genannten Integrationsmöglichkeiten von ESG-Komponenten in Vertragsdokumenten stellt Käufer und Verkäufer jedoch oftmals vor einige Herausforderungen. Zu diesen gehören die erwähnten steigenden regulatorischen Anforderungen, komplexe Bereiche wie die ESG-Compliance in Lieferketten, die Messbarkeit von ESG-Aspekten, die Bewertung von Kausalität und Abhilfemaßnahmen sowie unklare Formulierungen, Anwendung und Auslegung von ESG-Klauseln.

Initiativen, die Akteuren im M&A-Bereich die Orientierung in komplexen Rechtsbereichen erleichtern, branchenspezifische Leitlinien vorantreiben und den Weg für die Standardisierung transaktionsspezifischer ESG-Klauseln bereiten, schließen das Chancery Lane Project (TCLP) und die Arbeitsgruppe „Model Contract Clauses 2.0“ (MCCs 2.0) ein.

Im TCLP, einem globalen Netzwerk, setzen sich über 3.600 Anwälte, Wirtschaftsführer und 375 Organisationen aus mehr als 110 Ländern durch die Verwendung von Klimaverträgen für die weltweite Dekarbonisierung ein. Die Projektwebsite bietet freien Zugang zu und Nutzungsrechte von über 170 Klimaklauseln und mehr als 70 Glossarbegriffen. Der Fokus der Initiative liegt auf treibhausgasintensiven Industrien, wie dem Bausektor, der Immobilienbranche und dem Telekommunikationssektor. Diese Schlüsselbereiche können durch nachhaltige Praktiken und die Integration von Klimaklauseln, beispielsweise in branchenrelevanten Leitfäden, maßgeblich zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen.

Die Arbeitsgruppe MCCs 2.0 wurde von der Abteilung für Wirtschaftsrecht der American Bar Association ins Leben gerufen. Diese Gruppe konzentriert sich auf das Recht der US-Bundesstaaten sowie auf das Übereinkommen der Vereinten Nationan über Verträge über den internationalen Warenkauf. Ihr Hauptziel besteht darin, Wirtschaftsakteure anzuregen, sich in Lieferverträgen für die Herstellung und den Verkauf von Waren zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) sowie den OECD-Leitsätzen für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zu verpflichten.

Die an diesen Projekten beteiligten Akteure widmen sich, motiviert von dem Ziel, zu einer grüneren Wirtschaft und der weltweiten Reduzierung von CO₂-Emissionen beizutragen, der Ausarbeitung und Zusammentragung von ESG-spezifischen Kaufvertragsklauseln. Diese Klauseln ermöglichen es Käufern, einen Teil des Kaufpreises an die zukünftige ESG-Performance des Unternehmens zu knüpfen und sicherzustellen, dass nach der Übernahme weiterhin ESG-Ziele verfolgt werden.

Trotz der verbundenen Herausforderungen lohnen sich die Bemühungen, ESG-Faktoren in den Kaufvertrag aufzunehmen, sowohl aus finanzieller als auch aus rechtlicher Sicht. Die konkrete Messbarkeit von ESG-Elementen wird im Rahmen der verstärkten Bemühungen um eine international vergleichbare Nachhaltigkeitsberichterstattung vorangetrieben. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, bestimmte ESG-Posten mehr oder weniger günstig bilanziell zu bewerten. Ein Beispiel hierfür sind CO₂-Zertifikate, die je nach Nutzung als schuldenähnlicher Posten oder als immaterieller Vermögenswert betrachtet werden können. Somit können ESG-Posten eine wichtige Rolle bei der Verhandlung und Berechnung des Kaufpreises spielen, was dazu führt, dass sie regelmäßig Gegenstand kosten- und zeitintensiver Streitigkeiten nach Transaktionsvollzug sind.

3. ESG-bezogene Post-M&A-Streitigkeiten

Zu den Streitpunkten, mit denen wir uns regelmäßig in Post-M&A-Disputes befassen, gehören beispielsweise Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen und Investitionsverpflichtungen aufgrund der erweiterten ESG-Regulatorik. Aber auch spezifischere Fragen, wie die nutzungsbasierte Bilanzierung von CO₂-Zertifikaten, können Gegenstand von Forderungen nach einer Kaufpreisanpassung sein.

Welche Rolle Umweltauflagen im Rahmen des Kaufvertrags und deren Verletzung für die beteiligten Parteien spielen können, verdeutlicht der Fall Solvay Specialty Polymers Italy v. Edison S.p.A. Im Jahr 2001 kaufte Solvay Specialty Polymers Italy, ein in Mailand ansässiges und auf die Herstellung von Hochleistungskunststoffen spezialisiertes Unternehmen, zwei Industrieanlagen von Edison S.p.A., einem der ältesten Energieunternehmen Europas. Kurz darauf warf Solvay Edison Falschdarstellung durch unzureichende Offenlegung wesentlicher Umweltverschmutzungen in Form der in mehreren Sachverständigengutachten dokumentierten, schweren Grundwasserverschmutzung in beiden übernommenen Anlagen in Spinetta Marengo und Bussi sul Tirino vor.

Mit Verweis auf die Verletzung der im Kaufvertrag enthaltenen Umweltauflagen forderte Solvay Schadensersatz von Edison hinsichtlich mehrerer entstandener Kostenpositionen:

  • Kosten für Auftragnehmer, die Zahlungen an Drittunternehmen für die Durchführung von Korrekturmaßnahmen an den kontaminierten Standorten umfassten. Diese Maßnahmen beinhalteten die Extraktion, Behandlung und Entsorgung von verunreinigten Böden und/oder Wasser sowie die Einführung von Eindämmungsmaßnahmen.

  • Rechtskosten, die durch die Beauftragung von juristischem Rat, Experten und anderen professionellen Beratern in Bezug auf die Umweltverschmutzungen an jedem Standort entstanden sind.

  • Interne Kosten, die durch Personalaufwendungen für Eindämmungsmaßnahmen in Zusammenhang mit der Kontaminierung entstanden.

  • Entschädigungszahlungen an Dritte aufgrund der Umweltverschmutzungen an den Standorten.

Die kostenbasierte Schätzmethode, die zur Berechnung des Schadens verwendet wurde, stellt einen pragmatischen und transparenten Berechnungsansatz für Umweltverbindlichkeiten dar. Nach einem zwei Jahrzehnte andauernden Rechtsstreit entschied das Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC) im Jahr 2021 zugunsten von Solvay und sprach dem Unternehmen eine Entschädigung von 91,6 Mio. EUR für den Zeitraum bis Ende 2016 zu. Die Geltendmachung von Verlusten und Schäden aus dem Jahr 2017 wurde für zukünftige Verfahren vorbehalten, was dazu führen könnte, dass der gesamte Entschädigungsbetrag noch höher ausfallen könnte.

Dieser Fall verdeutlicht die finanziellen und rechtlichen Auswirkungen, die die Nichtoffenlegung von Umweltverschmutzungen im Rahmen einer Transaktion haben kann. Zugleich zeigt er, wie sich Käufer durch die Einbeziehung von ESG-Aspekten in Vertragsdokumente, in diesem Fall einer relativ klassischen Garantie der Einhaltung des Umweltrechts, gegen derartige Risiken absichern können.

Industriespezifische ESG-Vertragsklauseln, wie sie im Chancery Lane Projekt entworfen werden, können Käufer zusätzlich vor Risiken schützen, wenn in der Due Diligence keine Auffälligkeiten, Risikobereiche oder Verstöße erkennbar wurden. Auch präventive Maßnahmen wie diese schützen jedoch nicht vollends vor ESG-bezogenen Risiken und verbundenen Post-M&A-Streitigkeiten. Dies verdeutlicht der Fall MDW Holdings Limited v. Norvill, in dem die Verletzung von Umweltgarantien im Kaufvertrag zu einer gerichtlich verhandelten Kaufpreisanpassung führte.

MDW Holdings Limited (MDW) erwarb 2015 das gesamte ausgegebene Kapital von G.D. Environmental Services Limited (GDE) von der Familie Norvill. MDW, seit 2001 in Newport, South Wales, ansässig, ist auf Abfallmanagement und Recycling (einschließlich Haushalts- und Gewerbeabfallentsorgung, Metallrecycling und Logistiklösungen) spezialisiert. Das 2003 gegründete Unternehmen GDE, ebenfalls in Newport ansässig, bietet umfassende Umweltdienstleistungen wie die Entsorgung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen, Recycling und Umweltberatung an.

GDE garantierte im Kaufvertrag, alle relevanten Umweltgesetze eingehalten zu haben und dass keine Umstände oder Tatsachen vorlagen, die zum Entzug von verbundenen Genehmigungen, Ansprüchen oder Untersuchungen führen könnten. Nach der Übernahme stellte sich hingegen heraus, dass GDE falsche Informationen an Umweltbehörden weitergegeben und Umweltauflagen bezüglich der Abfallentsorgung verletzt hatte. Der High Court entschied, dass die Norvills gegen die Garantien verstoßen und irreführende Darstellungen vermittelt hatten, die zum Abschluss des Kaufvertrags führten. Die Summe des Schadens, den MDW durch die Falschangaben und die Nichteinhaltung der Umweltauflagen erlitten hat, bestimmte der High Court auf 382.600 GBP als den Differenzwert zwischen dem Warranty-True- und dem Warranty-False-Wert des Unternehmens. Der Wert von GDE zum Zeitpunkt des Kaufs, unter der Annahme wahrer Garantien, betrug laut Gericht 3.341.276 GBP. Da sich die Garantien jedoch als falsch herausstellten, wurde der tatsächliche Wert des Unternehmens von 2.958.676 GBP bestimmt. Diese Bewertung berücksichtigte durch eine Verringerung des Multiplikators zudem das Risiko von verbundenen Reputationsschäden für GDE.

Dieser Fall hebt die potenziell schwerwiegenden monetären Konsequenzen und Reputationsschäden von umweltbezogenen Garantieverletzungen hervor. Er verdeutlicht, dass Käufer, die Umweltgarantien, einschließlich der Einhaltung einschlägiger bestehender und neuer ESG-Regulatorik, als Standardrepertoire in Kaufverträgen aufnehmen, ihre Erfolgschancen in Post-M&A-Streitigkeiten erheblich erhöhen.

4. Fazit – ESG-Perspektiven in einer sich wandelnden M&A-Landschaft

Ein Kaufvertrag, der ESG-verbundene Risiken und Chancen berücksichtigt, ist ein wertvolles Instrument zur Vermeidung von Streitigkeiten und verbundenen Zeit- und Kostenaufwendungen. Die unterschiedlichen beschriebenen Arten, in denen ESG-bezogene Klauseln in den Kaufvertrag eingehen können, bieten ein vielfältiges Potenzial, den jeweiligen Interessen von Verkäufer und Käufer gerecht zu werden. Käufer können sich aktiv vor potenziellen ESG-Risiken zwischen Unterzeichnung und Vollzug sowie nach Abschluss der Transaktion schützen. Verkäufer können künftige ESG-bezogene Entschädigungszahlungen vermeiden, indem sie die Haftung für ESG-Verstöße auf bekannte Risiken beschränken und den Zeitraum, in dem sie haftbar gemacht werden können, begrenzen.

Die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre lassen erahnen, dass weder der regulatorische Druck noch jener von freiwilligen ESG-Verpflichtungen seitens Investoren nachlassen wird. Neben umweltbezogenen Kaufvertragsklauseln erlangen Zusicherungen an Bedeutung, die soziale Aspekte und Themen der Unternehmensführung verstärkt in den Blick nehmen. Die #MeTooReps sind ein deutliches Indiz für eine M&A-Landschaft, die auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert. Die Verbreitung von Trends wie diesem über die Regionen hinaus, in denen sie begannen und dementsprechend stärker vertreten sind, ist voraussichtlich nur eine Frage der Zeit.

ESG wird in neueren einschlägigen Publikationen als „Treiber von M&A“2 beschrieben. Strategische Portfolioergänzungen um nachhaltige Unternehmen sind ein klares Anzeichen hierfür. Zugleich wurde deutlich, dass nahezu jede Transaktion ein Verhandlungsfeld darstellt, in das bereits etablierte, neue und an die spezifische Transaktion individuell angepasste ESG-verbundene Vertragsklauseln Eingang finden können. In diesem Sinne hat jede Transaktion das Potenzial, als (Innovations-)Treiber von ESG-Vereinbarungen zu wirken. Die von Anwälten und Branchenvertretern intensivierten Bemühungen, industriespezifische Vertragsvereinbarungen in Initiativen wie dem Chancery Lane Projekt und MCC 2.0 zu entwickeln, bieten hierfür eine reiche Datenbasis, aus der alle transaktionsbeteiligten Akteure schöpfen können.


1 Die folgenden Betrachtungen und Bewertungen erfolgen aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht. Sie präsentieren keine rechtliche Einschätzung.

2 Niggemann, K. A., U. Dahlhausen, M.B. Hofer, R. Schmitz, O. Everling (Hrsg.). 2024. ESG als Treiber von M&A. Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse erfolgreich managen. Wiesbaden: Springer Gabler.

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