„Der Investitionsansatz bei Viessmann ist eine Evergreen-Struktur“
Gespräche und Interviews mit M&A-Leitern und General Counsel
Interview mit Prof. Dr. Christoph Schalast, M&A REVIEW und Timo Tauber, Viessmann Industries
In den letzten 18 Monaten hat sich das Familienunternehmen Viessmann vollkommen neu erfunden – zumindest könnte man diesen Eindruck gewinnen. Im Interview mit Prof. Dr. Christoph Schalast gibt Timo Tauber, Viessmann Investment Partner & Managing Director der Viessmann Industries Holding GmbH, Einblicke in die aktuellen Transaktionen des Unternehmens.
Prof. Dr. Christoph Schalast: Nach der Gründung durch Johann Viessmann 1917 und der Internationalisierung, die vor allem seit 1979 durch Professor Martin Viessmann vorangetrieben wurde, hat kaum jemand damit gerechnet, dass ein US-amerikanischer Stratege wie Carrier die Mehrheit bei Viessmann übernehmen könnte. Durch den Zusammenschluss wird das bestehende Portfolio von Carrier mit einem spezifischen Modell für den Direktvertrieb an Installateure und einem weltweit führenden Anbieter von äußerst effizienten und nachhaltigen Klimalösungen erweitert. Dadurch ist ein Weltmarktführer im Bereich Climate Solutions entstanden. Was war die strategische Überlegung hinter dieser Transaktion?
Timo Tauber: Für den Verkauf gab es viele Auslöser. Ein Einflussfaktor war der Russland-Ukraine-Krieg. Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion rund um die Gasknappheit aus dem Sommer 2022 und der damit verbundene gesellschaftliche und politische Diskurs, den Gebäudebestand in Deutschland/Europa deutlich schneller als ursprünglich geplant auf elektrische Systeme wie beispielsweise die Wärmepumpentechnologie umzustellen. Diese Technologie, die in der Breite vor allem in Asien und Nordamerika für das Heizen und Kühlen von Gebäuden schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird, wurde somit attraktiver. Als Familienunternehmen war Viessmann zu klein, um einen so abrupten Wandel allein umzusetzen. Eine Überlegung war ein europäisches Joint Venture oder auch ein Börsengang, um Kapital für Produktionsstätten und Wachstum einzusammeln. Schlussendlich war allerdings klar, dass eine Partnerschaft mit Carrier das Climate-Solutions-Geschäft deutlich resilienter und zukunftssicher aufstellen wird.
Prof. Dr. Christoph Schalast: In einem aktuellen Interview mit dem Manager Magazin hat Max Viessmann hervorgehoben, dass die Anlagestrategie der Viessmann Generations Group in Zukunft klar auf die Themen CO2-Reduktion, Clean Air, Water, Food, Health und Education fokussiert sein wird. Was entsteht hier?
Timo Tauber: Die Viessmann-Familie hat sich entschieden, einen Großteil des Verkaufserlöses in unternehmerische Beteiligungen zu reinvestieren. Diesmal wird das Unternehmen aber auf mehreren Beinen stehen. Einerseits sind das die kurzfristig veröffentlichten Mehrheitsinvestitionen wie GRITEC, ISOPLUS oder auch KPS Global in den USA, also Plattform-Investments für den Bereich Viessmann Industries. Diese Plattformen möchten wir zukünftig weiter ausbauen durch Arrondierungen über Zukäufe sowie organisches Wachstum. Begleitend gibt es zusätzlich Sektoren wie beispielsweise Education und Healthcare, in denen wir uns in Form von Minderheitsbeteiligungen an spannenden Geschäftsmodellen beteiligen wollen.
Prof. Dr. Christoph Schalast: Sehen Sie aktuell einen Trend darin, dass Familienunternehmen mit Private Equity Partnerschaften begründen?
Timo Tauber: Diese Art von Partnerschaften hat sicherlich zugenommen. Die junge Unternehmergeneration ist dafür deutlich offener als ihre Vorgänger.
Prof. Dr. Christoph Schalast: Nach der Carrier-Transaktion hat Viessmann bereits acht weitere große Transaktionen durchgeführt. Warum wurde GRITEC dabei in den Pressepublikationen eine besondere strategische Bedeutung zugeschrieben?
Timo Tauber: GRITEC ist ein spannendes Unternehmen, das wir von einem Private-Equity-Investor erworben haben. In unserer Strategie auf dem Weg nach vorne spielt GRITEC als führendes Unternehmen im Bereich des Ausbaus und der Modernisierung der Strominfrastruktur eine Schlüsselrolle für die grüne Energiewende in Europa. Da diese Themen immer mehr an Relevanz gewinnen, werden die Lösungen von GRITEC immer interessanter.
Prof. Dr. Christoph Schalast: Viessmann ist schon lange ein attraktiver M&A-Player, der sein Portfolio aktiv managt, zum Beispiel durch Transaktionen wie Pewo oder aqotec. War das eine Art Vorbereitung für das, was jetzt beginnt, und gibt es einen Zusammenhang zwischen den Transaktionen vor und nach Carrier?
Timo Tauber: Ja. Die Anschlussinvestitionen, die wir jetzt tätigen, schließen sich an unsere Transaktionen aus der Vergangenheit an. 2017 haben wir bereits angefangen, über die Viessmann Investment einen separaten Bereich aufzubauen, der sich darum kümmert, Partnerschaften mit anderen Familienunternehmen einzugehen – sowohl in der Mehrheits- als auch in der Minderheitenposition. Das führen wir jetzt genau so fort, allerdings mit größeren Investitionen. Was sich dabei wenig verändert hat, sind die Segmente, in die wir investieren.
Prof. Dr. Christoph Schalast: In Zukunft will sich Viessmann in drei Säulen aufstellen. Die Viessmann Industries haben wir bereits besprochen. Hinzu kommen Viessmann Capital und die Generational Investments. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den drei Säulen und der M&A-Strategie?
Timo Tauber: Ja, alle Säulen verfolgen unseren Unternehmens-Purpose, „Lebensräume für zukünftige Generationen zu gestalten“. Was in der Öffentlichkeit zum Beispiel nicht besonders bekannt ist, sind unsere Investitionen in Gebäude mit hoher Energieeffizienz. Gerade die Viessmann Generations Group setzt sich also mit der Frage auseinander, wie wir den kommenden Generationen nachhaltige Lebensräume hinterlassen können.
Prof. Dr. Christoph Schalast: Wir haben uns kennengelernt, als Sie für den inzwischen börsengelisteten Private-Equity-Investor Brockhaus Technologies tätig waren. Was unterscheidet die Tätigkeit für einen Finanzinvestor im Vergleich zu Ihrer jetzigen Tätigkeit bei Viessmann?
Timo Tauber: Es gibt hier kein besser oder schlechter, allerdings gibt es unterschiedliche Strukturen. Man kann aber klar sagen, dass Viessmann deutlich langfristiger investieren kann als klassisches Private Equity – der Investitionsansatz ist hier eine Evergreen-Struktur, das heißt, es gibt keinen Druck, ein Unternehmen nach fünf bis sieben Jahren wieder zu veräußern, etwa weil die Fonds ausinvestiert sind. Was den Einsatz von Fremdkapital angeht, sind wir außerdem deutlich konservativer als klassische Private-Equity-Investoren. Der größte Unterschied ist allerdings, dass wir uns als langfristige Heimat sehen und dementsprechend auch langfristige Partnerschaften mit anderen Familienunternehmen eingehen und dabei von unserer Nachhaltigkeitsstrategie geprägt werden.