14.12.2023 | Boris Dürr

Die Krise in der stationären Gesundheitsversorgung als Treiber für M&A

Die Einrichtungen der stationären Gesundheitsversorgung – also Krankenhäuser, Reha-Kliniken und Pflegeheime – stehen derzeit aus verschiedenen Gründen unter Druck. Der Wegfall der Sondereffekte aus der COVID-19-Pandemie und die gestiegenen Energie- und sonstigen Sachkosten treffen eine Branche, die seit längerem unter strukturellen Schwächen leidet.

Standpunkt, Industry Special

Die Einrichtungen der stationären Gesundheitsversorgung – also Krankenhäuser, Reha-Kliniken und Pflegeheime – stehen derzeit aus verschiedenen Gründen unter Druck. Der Wegfall der Sondereffekte aus der COVID-19-Pandemie und die gestiegenen Energie- und sonstigen Sachkosten treffen eine Branche, die seit längerem unter strukturellen Schwächen leidet. Die massiven Kostensteigerungen der letzten Jahre treffen dabei die Gesundheitseinrichtungen härter als Unternehmen anderer Branchen, da die Preise im Gesundheitssektor aufgrund regulatorischer Vorgaben häufig nicht kurzfristig angepasst werden können. Hinzu kommt der Trend zur Ambulantisierung, also zur Verlagerung von Gesundheitsleistungen von der stationären in die ambulante Versorgung.

Viele stationäre Gesundheitseinrichtungen werden daher in ihrer jetzigen Struktur nicht dauerhaft überleben können, was nicht zuletzt durch die steigende Zahl von Insolvenzverfahren bei Gesundheitseinrichtungen belegt wird. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) haben seit November 2022 bei insgesamt 34 Krankenhäusern die jeweiligen Träger einen Insolvenzantrag gestellt, und laut einer Umfrage von Roland Berger schreibt mehr als die Hälfte der 600 größten deutschen Kliniken rote Zahlen. Im Pflegebereich gab es 2023 ebenfalls zahlreiche Insolvenzen, darunter auch größere Pflegeheimgruppen wie Curata Care, Convivo und Dorea.

Wenn Krankenhäuser und Pflegeheimbetreiber den Turnaround nicht aus eigenen Mitteln schaffen, was insbesondere bei kommunalen oder kirchlichen Trägern häufig der Fall sein wird, ist die Übernahme durch einen privaten Betreiber oder Investor häufig die einzige Alternative. Auch wenn vielfach bei den kommunalen und insbesondere bei den kirchlichen Trägern Vorbehalte gegenüber privaten Betreibern bestehen, zeigen Praxisbeispiele wie zuletzt die Übernahme der Imland-Kliniken durch die Schön-Klinik-Gruppe, dass der Einstieg eines privaten Betreibers oft für beide Seiten eine gute Lösung ist.

Gerade aufgrund dieser positiven Beispiele, bei denen stationäre Gesundheitseinrichtungen durch private Betreiber vor der Schließung bewahrt wurden, ist davon auszugehen, dass die Zahl der Übernahmen von stationären Gesundheitseinrichtungen in naher Zukunft weiter zunehmen wird. Der Einstieg eines privaten Betreibers ermöglicht es den angeschlagenen Einrichtungen in der Regel, gemeinsame Dienstleistungen zu nutzen, Kosten zu senken und Synergien zu schaffen, um den steigenden Anforderungen an die Gesundheitsversorgung besser gerecht zu werden. Durch die Bündelung von Ressourcen, Fachwissen und Infrastruktur können zudem Skaleneffekte realisiert und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Einrichtungen verbessert werden. Zwar wird es nicht für jede Einrichtung eine Rettung durch einen M&A-Prozess geben, da die Probleme, mit denen gerade kleinere Einrichtungen im ländlichen Raum zukünftig zu kämpfen haben werden, auch von einem privaten Betreiber nicht immer gelöst werden können, aber in vielen Fällen wird eine Rettung möglich sein. Wichtig ist dabei, dass die Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens zur Suche nach dem geeigneten Betreiber und der anschließende M&A-Prozess rechtzeitig eingeleitet und dann zügig durchgeführt werden. Jeder Monat, der an dieser Stelle verloren geht, verzögert und erschwert den Turnaround.

Die derzeitige Krise in der stationären Gesundheitsversorgung wird daher zu einem Anstieg der M&A-Transaktionen in diesem Sektor führen – und im Gegenzug wird M&A ein wichtiger Faktor sein, um angeschlagene Gesundheitseinrichtungen aus der Krise zu führen.

Autor
Boris Dürr

Boris Dürr ist Managing Partner und Co-Head der Gesellschaftsrecht/M&A Praxisgruppe der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät Investoren und Unternehmen bei nationalen und internationalen M&A-Transaktionen. In den letzten Jahren hat Boris Dürr mehrfach Private Equity-Investoren bei der Umsetzung von Buy-and-Build-Konzepten beraten und dabei eine Vielzahl an Plattform- und Add-on-Transaktionen federführend begleitet.

Profil
Das könnte Sie auch interessieren