Due Diligence in Krisenzeiten - Bedeutung, Prüffelder und Innovationen
Die Due Diligence, also die nun seit mehreren Jahrzehnten übliche und auch rechtlich gebotene Prüfung eines Zielunternehmens durch den Kaufinteressenten oder Investor, unterliegt einem stetigen Wandel in Abhängigkeit aktueller Themen. Die Schwerpunkte der Legal Due Diligence hängen von den einschlägigen Gesetzen und jeweils akuten rechtlichen Risiken ab. Diese werden natürlich auch durch technische und politische Entwicklungen beeinflusst. Vor diesem Hintergrund versuchen wir im Folgenden einen nicht abschließenden Überblick über vier wichtige Themenbereiche zu geben, die eine Legal Due Diligence derzeit unter anderem abdecken sollte.
Die Due Diligence, also die nun seit mehreren Jahrzehnten übliche und auch rechtlich gebotene Prüfung eines Zielunternehmens durch den Kaufinteressenten oder Investor, unterliegt einem stetigen Wandel in Abhängigkeit aktueller Themen. Die Schwerpunkte der Legal Due Diligence hängen von den einschlägigen Gesetzen und jeweils akuten rechtlichen Risiken ab. Diese werden natürlich auch durch technische und politische Entwicklungen beeinflusst.
Vor diesem Hintergrund versuchen wir im Folgenden einen nicht abschließenden Überblick über vier wichtige Themenbereiche zu geben, die eine Legal Due Diligence derzeit unter anderem abdecken sollte.
Vier wichtige Prüfungsfelder
1. Investitionskontrolle
Die Investitionskontrollprüfung nach der Außenwirtschaftsver3ordnung (AWV) hat im Rahmen von M&A-Transaktionen zunächst politisch bedingt und anschließend aufgrund der in den letzten Jahren beschlossenen Änderungen und Verschärfungen des Außenwirtschaftsrechts eine immer prominentere Rolle eingenommen. Zwar zählt sie nicht zu einer Legal Due Diligence im engeren Sinne, doch in der Praxis muss diese Prüfung parallel zu allen anderen Due-Diligence-Themen gleich zu Beginn einer Transaktion in die Planungen einbezogen werden, zumal das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) auf Grundlage der AWV Verkäufe und Investitionen untersagen kann, wie schon mehrmals der Presse zu entnehmen war. Eine nicht sorgfältig vorbereitete und durchgeführte Vorprüfung investitionskontrollrechtlicher Fragen durch die Parteien erhöht das Risiko, dass die Investitionskontrolle zu einem Dealbreaker wird. Die Parteien haben auf das Ergebnis ohnehin nur begrenzten Einfluss, ohne eine Vorprüfung durch Experten geben sie das Heft aber gänzlich aus der Hand.
Das Ergebnis der Investitionskontrollprüfung hängt in der Sache vor allem von zwei Faktoren ab:
1. der Eigentümerstruktur des Käufers oder Investors und
2. den Produkten, die das Zielunter-nehmen herstellt.
Beide Bereiche lassen sich mit der nötigen Vorlaufzeit mit hinreichender Sicherheit durch spezialisierte Berater abprüfen. Auf Grundlage dieser Vorprüfung ist sodann zu entscheiden, ob die Transaktion wie geplant und mit den vorgesehenen Kaufinteressenten bzw. Investoren durchgeführt werden kann und wie eine realistische Zeitplanung hinsichtlich der Anmeldung und Freigabe der Transaktion durch das BMWK aussehen wird.
Bezüglich der grundsätzlichen Struktur innerhalb einer Transaktion ähnelt die Investitionskontrollprüfung einer Fusionskontrollprüfung, sie tritt jedoch als zweite staatlich vorgegebene Prüfung neben sie und kann auch dann zur Anwendung kommen, wenn eine Fusionskontrollprüfung aufgrund zu geringer Marktanteile nicht erforderlich ist.
2. IP & Daten
Nicht erst aufgrund von Gesetzesänderungen sind die Bereiche geistiges Eigentum (Intellectual Property; IP) und Daten stetig in ihrer Bedeutung für M&A-Transaktionen gestiegen. Heutzutage ist kaum noch eine Transaktion denkbar, bei der nicht geistiges Eigentum in irgendeiner Form-1 sowie Daten eine Rolle spielen.
Insbesondere bei Tech-M&A-Transaktionen spielt die Prüfung der Werthaltigkeit von Patenten und/oder Urheberrechten an Software eine ganz zentrale Rolle. Mithilfe der rechtlichen Due Diligence auf diesem Gebiet gilt es zu prüfen, ob die Produkte des Zielunternehmens rechtlich ausreichend gesichert worden sind und so einer Investition oder einem Verkauf zugänglich sind. Bei einem Softwareunternehmen ist die Software das Produkt und es ist zu prüfen, ob alle Urheberrechte in der Sphäre des Zielunternehmens liegen. Ein häufiges Problem im Zusammenhang mit Software ist die Verwendung von Open-Source-Code an irgendeiner Stelle des Gesamtprodukts. In diesem Fall kann es unter Umständen unmöglich sein, ein Urheberrecht an der Software zu erlangen. In diesem Bereich – wie in vielen anderen Bereichen – sollte die rechtliche Due Diligence durch eine technische Due Diligence spezialisierter Experten flankiert werden. Das ist umso wichtiger, je zentraler der Prüfgegenstand für die wirtschaftliche Rechtfertigung der Transaktion ist.
Daten können als persönliche Daten, insbesondere bei Zielunternehmen, die Endverbraucher als Kunden haben, unter Datenschutzgesichtspunkten eine Transaktion beeinflussen. So ist die Übertragung von Daten im Wege eines Asset Deals-2 grundsätzlich unzulässig, sofern die betroffenen Personen nicht eingewilligt haben. Sobald persönliche Daten eine Rolle spielen und vom Käufer zur Fortführung des Geschäftsmodells benötigt werden, ist daher ein Share Deal von Vorteil.
Daten können aber auch als nicht-persönliche Informationspunkte von hohem wirtschaftlichem Wert sein. In solchen Fällen hat der Käufer regelmäßig ein großes Interesse, zu wissen, dass die Daten auch tatsächlich vorhanden, vollständig und werthaltig sind und im Rahmen der Transaktion wirksam an ihn bzw. in seine wirtschaftliche Sphäre übertragen werden.
3. IT & Cybersecurity
Anders als die soeben beschriebene IP- und Daten-Due-Diligence betrifft die IT-Due-Diligence nicht primär das Produkt des Zielunternehmens, sondern die Infrastruktur. Zu untersuchende Fragen sind hier: Hat das Target alle Lizenzen, die es braucht, um den Geschäftsbetrieb und damit auch die Entwicklung der Produkte wie bisher und wie in der Zukunft geplant fortführen zu können? Ist die erforderliche Hardware vorhanden und funktionsfähig? Erfüllt das Zielunternehmen wenigstens die Mindestanforderungen an Cybersecurity?
Im Ansatz sind diese Fragen schon seit über zwanzig Jahren relevant und wichtig, ihre Bedeutung hat aber vor dem Hintergrund der Knappheit bzw. Kostensteigerung bei Computerchips und der Zunahme von Cyberangriffen stark an Bedeutung gewonnen.
So wäre ein Zielunternehmen möglicherweise anders zu bewerten, wenn die IT-Ausstattung in größerem Umfang erneuert werden oder aufwendige Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden müssen, um die marktüblichen und sektorspezifischen Anforderungen zu erfüllen. Auch die Dimensionierung insbesondere der Hardware kann in diesem Zusammenhang ein Problem darstellen, je nachdem, welche Pläner der Käufer oder Investor hat.
Schließlich nimmt die IT-Infrastruktur eines Unternehmens eine besondere Rolle bei Transaktionen ein, die die Veräußerung nur eines Unternehmensteils zum Gegenstand haben (sog. Carve-out). Bei einem solchen Carve-out muss der zu veräußernde Betriebsteil rechtlich, betriebswirtschaftlich und technisch aus dem Gesamtunternehmen herausgelöst werden, bevor die Veräußerung abgeschlossen werden kann, und die Trennung der IT ist in diesem Zusammenhang häufig eines der aufwendigsten Einzelprojekte. Da kann es von großem Vorteil sein, wenn die IT von vornherein soweit technisch und wirtschaftlich sinnvoll und möglich modular aufgebaut ist.
4. ESG
Zum Abschluss der Übersicht über besonders relevante Prüffelder einer M&A-Due-Diligence darf das Thema ESG (Environmental, Social, Governance) nicht fehlen. Mitte 2022 gaben 76% der Befragten in einer Umfrage-3 an, dass ihre jeweils letzte zurückliegende Transaktion maßgeblich von ESG-Themen beeinflusst war. Der Anteil dürfte heute noch höher sein. Beinahe keine Transaktion kommt mehr ohne zumindest die Ab-frage ESG-relevanter Sachverhalte aus.
Die drei großen Bestandteile von ESG sind, wie der Name schon sagt, Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. ESG hat aber mittelbar auf fast alle denkbaren Bereiche eines Zielunternehmens Einfluss. Um an die oben beschriebene IT-Infrastruktur anzuknüpfen: Unter ESG-Gesichtspunkten muss eine IT-Infrastruktur nicht nur technisch angemessen sein, sie sollte möglichst auch in ihrem technischen Aufbau und hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs nachhaltig sein.
Innerhalb des Bereichs ESG nimmt das Thema Lieferketten eine prominente Stellung ein. Das am 1. Januar
2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG)-4 stellt dabei noch nicht das Ende der gesetzgeberischen Aktivitäten dar. Am 23. Februar 2022 hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) veröffentlicht. Der Vorschlag zielt darauf ab, dass Unternehmen, die in der EU tätig sind, zukünftig zur Achtung von Menschenrechten und Umwelt in globalen Wertschöpfungsketten gesetzlich verpflichtet werden. Dies stellt gemeinsam mit bestehenden Rege-lungen und weiteren Regulierungs-initiativen wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder der EU-Taxonomie-Verordnung einen weiteren Schritt zum nachhaltigen Wirtschaften unter einheitlichen europäischen Bedingungen dar und bildet den gesetzlichen Rahmen für die ESG-Due-Diligence.-5 Der Anwendungsbereich der Gesetzesvorhaben wird dabei auf kleinere Unter-nehmen ausgeweitet, wobei aber KMU, d.h. Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von maximal 43 Mio. Euro, nach wie vor ausgenommen bleiben sollen.
Eine weitere beispielhaft zu nennende Unternehmenspflicht im Rahmen von ESG ist die Abgabe einer sog. nicht-finanziellen Erklärung nach den §§ 289b–e und 315b–d HGB. Auch diese Pflicht wird vermutlich sukzessive auf alle Unternehmen jenseits der KMU-Grenze ausgeweitet.
Fazit
Die soeben kurz angerissenen Beispiele zeigen, dass sich der Due-Diligence-Prozess bei M&A-Transaktionen beständig verändert und tendenziell immer komplexer wird; teilweise aufgrund technischer Entwicklungen, teilweise aufgrund politischer Entscheidungen.
Durch ein permanentes Monitoring Due-Diligence-relevanter Themen-gebiete im Unternehmen sowie die frühzeitige Einbindung spezialisierter Berater aller Fachbereiche im Vorfeld von Transaktionen können die Risiken reduziert und der Unternehmenswert sowie die Transaktionssicherheit signifikant erhöht werden.
-1 Nach einer weiten Definition gehören neben den Patenten auch Urheberrechte, Marken, Geschmacks- und Gebrauchsmuster, Designs, Geschäftsgeheimnisse sowie Know-how zur Kategorie geistiges Eigentum.
-2 Als Asset Deal bezeichnet man auf Englisch den Verkauf von Vermögensgegenständen; das Gegenteil wäre der Anteilskauf (Share Deal).
-3 SS&C Intralinks in association with Mergermarket, Temperature’s Rising, The Growing Importance of ESG to EMEA M&A, 9.8.2022, S. 5 f.
-4 Anwendbar auf Unternehmen mit einer Mitarbeiterzahl von 3.000 bzw. ab dem 1.1.2024 mit einer Mitarbeiterzahl von 1.000.
-5 Vgl. Deutscher Nachhaltigkeitskodex, Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive(CSDDD), abgerufen am 7. Juli 2023 unter: https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de-DE/Documents/PDFs/Sustainability-Code/Factsheet-zur-Directive-on-Corporate-Sustainab-(1).aspx