Frauen in M&A: Faszination, Konfusion und Kontroverse
Frauen in M&A: Faszination, Konfusion und Kontroverse
1. Einleitung
Braucht es im M&A-Bereich eine spezielle Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau? Unterscheidet sich die Situation für Frauen in M&A von anderen Arbeitsbereichen?
Marion Vogel
2. M&A ist männlichM&A wird oft als männlich dominiert beschrieben – nicht nur durch die Überrepräsentanz von Männern, sondern auch durch Werte und Einstellungen, die traditionell als „männlich“ gelten. Der Arbeitskontext ist strategisch, zahlenorientiert und geprägt von hohem Tempo und hoher Arbeitsbelastung. Typische Personas sind Jägertypen, Kämpfer und ergebnisorientierte Individuen, die komplexe Situationen lösen und konfrontativ agieren. Frauen fühlen sich in solchen Umgebungen oft ausgegrenzt, insbesondere wenn sie nicht an männlichen Ritualen oder Gesprächsthemen teilnehmen. Daher lohnt es sich, die Perspektive der Frauen genauer zu betrachten – so dachte ich und startete eine Interviewstudie.
3. Ziel der Studie
Es ist wissenschaftlich belegt, dass der Erfolg von Frauen, die die gläserne Decke durchbrechen, anderen Frauen Mut macht und zeigt, dass auch sie die Spitze von Organisationshierarchien erreichen können (Mavin et al., 2023). Eine steigende Anzahl von Frauen in Führungspositionen fördert die Ambitionen anderer Frauen und trägt zur Schaffung geschlechterinklusiver Arbeitsumgebungen bei (Sealy & Singh, 2008; Vinnicombe & Mavin, 2023). Durch die Interviews konnten wir unterschiedliche Perspektiven der M&A-Karrierestationen von Frauen und Männern erkunden. Das Ziel war, ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen und Erfolge von Frauen in M&A zu entwickeln. Bei MADiscover haben wir bisher 43 Frauen und 9 Männer zu diesem Thema interviewt, und die Studie ist noch nicht abgeschlossen. Erste Beobachtungen stellten wir beim M&A Summit zur Diskussion.
4. Frauen in M&A müssen sich stärker beweisen
Unsere Interviewpartnerinnen und -partner wollten keine „Männer sind so, Frauen sind so“-Diskussion. Doch aus den Gesprächen ging hervor, dass Andersartigkeit Systeme stört – und diese Andersartigkeit, also die Frau sein in einem männerdominierten Umfeld, ist in der M&A-Branche besonders augenscheinlich. Eine Konsequenz dessen ist, dass es Frauen schwerer fällt, sich in diesem Umfeld zu behaupten. Manche Frauen passen sich an, indem sie ihr Aussehen und Verhalten „männlicher“ gestalten. Gleichzeitig nutzen sie ihre Andersartigkeit auch als Vorteil, da sie aus einer homogenen Menge hervorzustechen können. Dies kann Chancen eröffnen und Lösungen ermöglichen, die anderen verborgen bleiben.
Ein polarisierendes Thema unter den Interviewten – Männern wie Frauen – ist die Frauenquote. Einfach ausgedrückt: Männer wollen Platz machen, und Frauen wollen einen Platz finden. Daraus entstehen Kontroversen, wenn Männer sich bei Stellenbesetzungen benachteiligt fühlen oder Frauen die Anerkennung ihrer Qualifikation einfordern. Bis zu einer echten Chancengleichheit braucht es viel Fingerspitzengefühl in Organisationen, aber auch auf gesellschaftlicher Ebene.
5. Karriere und/oder Familie?
Deutschland und Österreich bieten Eltern Kündigungsschutz in Elternzeit und lange Teilzeitarbeit. In einem projektbasierten Arbeitskontext mit hohem Workload werden Mütter als weniger wertvolle Teammitglieder wahrgenommen. Manche Interviewte berichteten, dass sie durch Schwangerschaft oder Kinder nicht mehr als voll einsatzfähig gesehen wurden und ihre Wirksamkeit oder Verantwortungen nicht mehr ernst genommen wurden. „M&A kann man nicht in Teilzeit machen” – dies gepaart mit der Zuschreibung, dass Mütter nur noch in Teilzeit arbeiten wollen, kann zu Missverständnissen führen. Warum sollte es keine Frau geben, die mit Kindern in Vollzeit in M&A arbeiten möchte? Haben wir zu hohe Ansprüche an uns selbst – an der Arbeit und zu Hause in der Elternrolle? Wie kann für Männer und Frauen aus einem Entweder-oder ein Sowohl-als-auch werden?
6. Perspektivenwechsel: Ein Zwischenfazit und eine Einladung
Der Zwischenstand unserer Interviewstudie und die Diskussion beim M&A Summit führte zu folgenden Kernaussagen:
•Eine steigende Anzahl von Frauen in Führungspositionen erhöht die Ambitionen anderer Frauen und schafft ein inklusiveres Arbeitsklima.
•Frauen in einer männerdominierten Branche sind ein Sinnbild für Andersartigkeit in einem tradierten System. Andersartigkeit bringt Unruhe, aber auch Chancen für neue, kreative Ansätze.
•Der Austausch unter M&A-Professionals – nicht nur zwischen Berufseinsteigerinnen und Seniors, sondern auch unter den Peers auf der gleichen Hierarchieebene – ist wichtig, um Vorbehalte abzubauen, Verständnis für andere Positionen zu entwickeln und den Mut zu haben, Herangehensweisen anders zu gestalten.
•Diversität beginnt bei mentalen Modellen, die Offenheit, einen sachlichen Austausch und Empowerment fördern.
Diese Erkenntnisse sind für Frauen und Männer gleichermaßen hilfreich und lassen uns mit neuen Denkanstößen auf M&A blicken. Ich lade Sie ein, diesen Perspektivenwechsel in Ihrem beruflichen und privaten Alltag zu vollziehen und aktiv an der Gestaltung einer inklusiveren und gerechteren Arbeitswelt mitzuwirken.
Haben Sie Interesse an den Studienergebnissen oder möchten gerne Ihre Erfahrungen teilen?
Dann melden Sie sich gerne bei mir: