13.02.2025 | Sonja Ruttmann, Silke Beiter, Maximilian Schniewind, Yannick Oberacker

Im Spiel der Verordnungen: Ein Ausblick auf relevante Gesetzesänderungen für die M&A-Praxis 2025

Dieser Beitrag beleuchtet einige der wichtigsten aktuellen Gesetzesänderungen, die sich auf den M&A-Markt und das Transaktionsgeschäft auswirken und die Beteiligten vor neue Herausforderungen stellen. Aufmerksamkeit gilt zum einen der KI-Verordnung, die durch neue Anforderungen ebenso neue Herausforderungen für Transaktionen mit sich bringt. Zudem wird der EU Listing Act diskutiert, der, obwohl überwiegend erst 2026 in Kraft tretend, bereits jetzt Auswirkungen auf die Transaktionspraxis hat. Schließlich werden Entwicklungen im Investitionskontrollrecht skizziert, hier steht eine Ablösung und Präzisierung der Screening-VO durch eine neue Verordnung auf europäischer Ebene bevor.

Recht & Steuer

1. Einführung

Der folgende Beitrag fasst ausgewählte aktuelle Entwicklungen und Gesetzesänderungen mit Blick auf den M&A-Markt und das Transaktionsgeschäft zusammen. Besonders relevant sind und bleiben die durch die KI-Verordnung begründeten Erfordernisse für M&A-Transaktionen (siehe Abschnitt A). Auswirkungen auf die Transaktionspraxis wird auch der EU Listing Act haben, der in Teilen bereits heute anwendbar ist (nachstehend unter Abschnitt B). Schließlich ist der Gesetzgeber auch im Bereich des Investitionskontrollrechts nicht untätig geblieben – auf europäischer Ebene soll die Screening-VO durch eine neue Verordnung abgelöst und präzisiert werden (siehe Abschnitt C).

A. Künstliche Intelligenz im M&A-Bereich: Neue Herausforderungen in Due Diligence und Vertragsgestaltung

I. Die KI-VO und ihre Ziele

Am 1. August 2024 trat die Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz (KI-VO) in Kraft. Mit der KI-VO verfolgt die Europäische Union zwei zentrale Ziele: Zum einen soll die Sicherheit von KI-Systemen gewährleistet werden, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Technologie zu stärken. Zum anderen soll die Verordnung Innovationen im Bereich der künstlichen Intelligenz fördern. Einige Vorschriften sind im Jahr 2025 erstmalig anwendbar: Ab dem 2. Februar etwa die Verbote von KI mit unzumutbarem Risiko gemäß Artikel 5 der KI-VO sowie die allgemeinen Bestimmungen in den Artikeln 1 bis 4 einschließlich der Verpflichtung für alle Anbieter und Betreiber von KI-Systemen, in ihren Unternehmen „KI-Kompetenz“ zu vermitteln; ab 2. August die Regelungen zu KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck, zu Sanktionen und zur Organisation des KI-Büros sowie die Vorschriften für als Hochrisiko eingestufte KI-Systeme gemäß Anhang I der Verordnung.

II. KI-VO und M&A

Insgesamt erfordern die Integration von KI-Systemen und die damit verbundenen rechtlichen Besonderheiten und Vorgaben für M&A-Transaktionen eine umfassende rechtliche Prüfung und sorgfältige Vertragsgestaltung.

1. KI-VO und Due Diligence

Die KI-VO wirkt sich auf verschiedene Bereiche der Due Diligence aus: So wird Compliance mit der KI-VO für Unternehmen zunehmend wichtiger – nicht zuletzt, da die KI-VO in vielen Fällen eine Selbstevaluation der KI-Systeme durch die Unternehmen vorsieht. Erwerber müssen daher verstehen, welche KI-Systeme das Zielunternehmen nutzt oder entwickelt und wie diese gemäß der Risikoklassifizierung der KI-VO einzuordnen sind. Notwendige Investitionen zur Sicherstellung der Compliance sind ebenso abzuschätzen wie die Risiken eines verspäteten Anpassungsprozesses.

Die KI-VO betrifft aber auch die Prüfung von Kunden- und Lieferantenverträgen. Ein zentrales Risiko bei der Vertragsgestaltung sind diesbezüglich die Anforderungen an Vertragsklauseln nach Art. 25 der KI-VO: Sofern das Zielunternehmen keine klaren von Art. 25 abweichenden Regelungen verwendet (z. B. ein vertragliches Verbot, das entwickelte KI-System in ein Hochrisiko-KI-System umzuwandeln), kann dies im schlimmsten Fall bedeuten, dass es sensible Informationen wie technische Dokumentationen oder möglicherweise sogar Teile des Quellcodes offenlegen muss. Eine unzureichende Vertragsgestaltung kann dabei nicht nur zu erheblichen Haftungsrisiken führen, sondern auch die gesamte Konformität eines KI-Systems gefährden. Es empfiehlt sich daher, bereits im Rahmen der Due Diligence zu prüfen, ob die Verträge des Zielunternehmens hinreichende Klauseln enthalten, um Informationspflichten, Haftungsverteilungen und Überwachungsanforderungen nach der KI-VO adäquat zu adressieren.

2. KI-VO und M&A-Vertragsgestaltung

Auch bei der Vertragsgestaltung der Transaktionsdokumentation spielen KI und die KI-VO eine Rolle. So ist darauf zu achten, dass das geistige Eigentum (IP) an der für die KI-Anwendung relevanten Software und den zugrunde liegenden Daten tatsächlich vom Transaktionsgegenstand erfasst wird. Falls insoweit Rechte Dritter bestehen, bedarf es entsprechender vertraglicher Verpflichtungen, unter denen dem Zielunternehmen oder dem Erwerber vor Vollzug der Transaktion von eben diesen Dritten entweder Nutzungsrechte eingeräumt oder die erforderlichen IP-Rechte übertragen werden. Dies umfasst auch die Trainingsdaten, die für Entwicklung und Verbesserung der KI-Systeme verwendet werden. Dabei ist zu beachten, dass Trainingsdaten regelmäßig keinem Schutz als geistiges Eigentum unterliegen, so dass zusätzliche Vereinbarungen notwendig sind, um den Schutz dieser Daten als Geschäftsgeheimnisse zu gewährleisten.

Im Rahmen des vertraglichen Gewährleistungsregimes ist des Weiteren darauf zu achten, dass für bekannte Risiken, etwa bei Verstößen gegen Vorgaben der KI-VO, Haftungsfreistellungen vereinbart werden und mögliche unbekannte Risiken im Zusammenhang mit KI ausreichend durch Verkäufergarantien abgedeckt sind.

Spezifische Garantien sollten beispielsweise die urheber- und datenschutzrechtliche Erlangung von Trainingsdaten erfassen, sowie die Compliance mit den Vorschriften der KI-VO. Im Rahmen der Compliance-Garantien ist darauf zu achten, dass diese sowohl die Compliance des KI-Systems selbst mit der KI-VO umfassen als auch die des erworbenen Geschäfts.

3. Regulatorische Vorgaben und Hindernisse

Relevant sind schließlich regulatorische Vorgaben, sofern die in Rede stehende M&A-Transaktion KI-rechtlich relevant ist: So sind Vorschriften zur Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen (FDI) dann zu berücksichtigen, wenn sich Investoren, die außerhalb der EU beziehungsweise EFTA ansässig sind, mit mehr als 10% Stimmrechten an einem deutschen KI-Unternehmen beteiligen möchten, da KI einer der in § 55a AWV aufgeführten und als besonders kritisch eingestuften Sektoren ist. Ein entsprechender Beteiligungserwerb ist daher genehmigungspflichtig. Derartige Genehmigungserfordernisse treten neben solche des Kartellrechts, die ebenfalls ein Freigabeverfahren erfordern können. Die Einhaltung dieser Vorschriften hat Auswir-
kungen auf die Struktur und den Zeitplan der Transaktion und damit auch auf die Vertragsgestaltung.

B. EU Listing Act in Kraft getreten – Vereinfachungen im Bereich der Prospektverordnung und der Marktmissbrauchsverordnung teilweise bereits heute anwendbar

Am 4. Dezember 2024 trat der EU Listing Act nach zweijährigen Vorarbeiten als Gesetzgebungspaket in Kraft. Das Paket, bestehend aus einer Verordnung und zwei Richtlinien, zielt darauf ab, die Vorschriften für Börsenzulassungen und Zulassungsfolgepflichten zu straffen und zu vereinfachen, um die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Kapitalmarktes zu steigern. Zudem soll kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert und ein Rahmen für Mehrstimmrechtsaktien geschaffen werden, um wachstumsstarken europäischen Unternehmen den Börsengang an einem europäischen Börsenplatz schmackhafter zu machen.

Das Gesetzgebungspaket führt zu wesentlichen Änderungen bei der Prospektverordnung, einschließlich einer Erweiterung der Prospektausnahmen für Primär- und Sekundäremissionen, aber auch der Marktmissbrauchsverordnung, insbesondere bei der Ad-hoc-Pflicht. Zudem werden die Verordnung und Richtlinien über die Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR und MiFiD II) geändert und die bisher zersplitterten nationalen Regelungen über die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien erstmals harmonisiert.

Weite Teile des Gesetzgebungspakets werden erst 2026 anwendbar sein. Einige Bestimmungen zur Änderung der Prospektverordnung, insbesondere die neuen Prospektausnahmen für bestimmte Sekundäremissionen, gelten jedoch bereits heute, weshalb diese im Folgenden ebenso kurz dargestellt sind wie die Änderungen der Marktmissbrauchsverordnung, einschließlich der allerdings erst ab dem 5. Juni 2026 geltenden Änderungen im Bereich der Ad-hoc-Pflicht.

I. Signifikante Vereinfachungen im Prospektrecht

Die Verordnung (EU) 2024/2809 ändert die Prospektverordnung (Prospekt-VO) maßgeblich und führt zu signifikanten Vereinfachungen. Neben einer Standardisierung von Aufbau und Inhalt von Prospekten und der Einführung neuer Prospektformate werden insbesondere die Ausnahmen für die Prospektpflicht bei Primär- und Sekundäremissionen substanziell ausgeweitet.

Von zentraler Bedeutung für die Praxis sind dabei die bereits heute geltenden neuen Ausnahmen von der Prospektpflicht für bestimmte Sekundäremissionen. Bereits börsennotierte Unternehmen können nunmehr Sekundäremissionen in einem Umfang von weniger als 30% des zugelassenen Aktienkapitals, gerechnet über 12 Monate, prospektfrei durchführen, wenn die neuen Aktien mit bereits an einem geregelten Markt oder KMU-Markt zugelassenen Aktien fungibel sind, ebenfalls zum Handel an einem geregelten oder KMU-Markt zugelassen werden sollen und der Emittent sich nicht in einem Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahren befindet. In diesen Fällen bedarf es lediglich der Veröffentlichung eines maximal elfseitigen Dokuments (Anhang IX-Dokument) und dessen Hinterlegung bei der zuständigen Behörde, eine Prüfung oder Billigung des Dokuments ist nicht erforderlich. Entsprechend wurde auch der Schwellenwert für die prospektfreie Zulassung von Wertpapieren von 20% auf 30% erhöht. Ohne Volumenbegrenzungen sind Sekundäremissionen prospektfrei mit einem Anhang IX-Dokument möglich, wenn die neuen Wertpapiere fungibel sind mit Wertpapieren, die seit mindestens 18 Monaten ununterbrochen zum Handel an einem geregelten oder KMU-Markt zugelassen waren, der Emittent sich nicht in einem Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahren befindet und die Wertpapiere nicht im Zusammenhang mit einer Übernahme im Wege eines Tauschangebots, einer Verschmelzung oder einer Spaltung ausgegeben werden. Die neuen Ausnahmen reduzieren den Kosten- und Zeitaufwand für Sekundäremissionen erheblich. Die Erstellung eines freiwilligen Prospektes bleibt jedoch weiterhin möglich.

II. Änderung der Marktmissbrauchsverordnung

Die Verordnung (EU) 2024/2809 ändert auch die Marktmissbrauchsverordnung (MAR), wobei die Änderungen überwiegend bereits jetzt gelten. So wurde unter anderem der Schwellenwert bei Directors‘ Dealings (Art. 19 MAR) auf 20.000 EUR angehoben. Für deutsche Emittenten beziehungsweise ihre Führungskräfte ändert sich allerdings nichts, da für sie dieser Schwellenwert aufgrund einer Allgemeinverfügung der BaFin bereits seit 2020 gilt. Die nationalen Behörden haben zudem die Option, den Schwellenwert auf 10.000 EUR abzusenken oder auf bis zu 50.000 EUR (vormals 20.000 EUR) zu erhöhen. Zudem wurde der Ausnahmenkatalog für das Handelsverbot in der Closed Period leicht ausgeweitet. Weiterhin wurden Mindestgrenzen für Sanktionen für juristische Personen bei Verstößen gegen die Regelungen in Artikel 14 bis 20 MAR eingeführt, wobei die Mitgliedstaaten für die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen Zeit bis zum 5. Juni 2026 haben.

Die für die Unternehmenspraxis wohl relevanteste Änderung betrifft die erst in rund 18 Monaten anwendbare Aufgabe der Ad-hoc-Pflicht für Zwischenschritte in gestreckten Sachverhalten. Bei gestreckten Vorgängen wie zum Beispiel M&A-Transaktionen können nicht nur die jeweiligen Endereignisse selbst eine Insiderinformation darstellen, sondern auch Zwischenschritte (z.B. der Abschluss eines Letter of Intent), wenn diese für sich genommen die Kriterien für Insiderinformationen erfüllen. Dementsprechend können bereits insiderrelevante Zwischenschritte nicht nur Insiderhandels- und Offenlegungsverbote sowie die Pflicht zur Führung einer Insiderliste auslösen, sondern auch selbst der Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht unterliegen. Nach der neuen Fassung von Art. 17 Abs. 1 MAR sollen insiderrelevante Zwischenschritte keine eigene Veröffentlichungspflicht mehr auslösen, sondern nur noch das jeweilige Endereignis. An der Definition der Insiderinformation ändert sich jedoch nichts, so dass es dabei bleiben wird, dass insiderrelevante Zwischenschritte die entsprechenden Listenführungspflichten und Handels- und Offenlegungsverbote auslösen. Zudem ist auch bei nicht veröffentlichungspflichtigen Zwischenschritten die Geheimhaltung zu gewährleisten und der insiderrelevante Zwischenschritt ausnahmsweise auch vor der Veröffentlichung des Endereignisses zu veröffentlichen, wenn die Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet ist. Eine weitere, als bloße Klarstellung gedachte Änderung ist bei der Aufschubregelung (Art. 17 Abs. 4 MAR) vorgesehen. Die bisher abstrakt formulierte Voraussetzung, dass der Aufschub nicht geeignet sein darf, die Öffentlichkeit irrezuführen, wird – entsprechend den MAR-Leitlinien der ESMA – dahingehend konkretisiert werden, dass die Insiderinformation nicht im Widerspruch zur letzten öffentlichen Bekanntmachung oder einer anderen Art der Kommunikation des Emittenten zu derselben Angelegenheit, auf die sich die Insiderinformation bezieht, stehen darf.

Ob die Änderungen bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht wirklich zu den beabsichtigten Erleichterungen für börsennotierte Unternehmen führen werden, ist zweifelhaft. Vieles wird von den weiteren Präzisierungen durch die Kommission abhängen.

Der EU Listing Act ist ein Schritt in die richtige Richtung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas und seiner Unternehmen – mehr aber auch nicht. Für echte Erleichterungen für börsennotierte Unternehmen und die Kapitalaufnahme über die Märkte bedarf es deutlich weitreichender und umfassender Eingriffe in das ausgeuferte Regulierungsdickicht, denen börsennotierte Unternehmen in Europa unterliegen.

C. Harmonisierung der EU-Investitionskontrolle – bringt die Reform der EU FDI-Screening-Verordnung den Durchbruch?

I. Einführung

Die Investitionskontrolle hat in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Prüfung und Freigabe von Unternehmensakquisitionen – in Deutschland durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) – sind inzwischen regelmäßig Vollzugsvoraussetzung für Transaktionen. Sowohl das deutsche als auch das europäische Investitionskontrollrecht sind seit Jahren Gegenstand von Reformen und Neubewertungen. In Deutschland wird dabei, ausgehend von einem im Spätsommer 2023 durch das BMWK vorgelegten Eckpunktepapier1, insbesondere die Zusammenführung der heute vor allem im Außenwirtschaftsgesetz und der zugehörigen Außenwirtschaftsverordnung verorteten Regelungen zur Investitionskontrolle diskutiert.

Auf europäischer Ebene existiert seit 19. März 2019 die sogenannte EU-Screening-VO2. Am 24. Januar 2024 hat die EU-Kommission nun einen Vorschlag zur Reform des EU-Investitionskontrollrechts vorgelegt.3 Sie reagierte damit auf die Resultate verschiedener Evaluierungen der EU-Screening-Verordnung, wonach eine Überarbeitung der Verordnung notwendig sei, um auf der einen Seite die Sicherheit und öffentliche Ordnung der EU und ihrer Mitgliedstaaten besser zu schützen und auf der anderen Seite sicherzustellen, dass die Standortattraktivität der EU für ausländische Investoren gewahrt werde. Der Verordnungsentwurf sieht neben einem veränderten und erweiterten Anwendungsbereich der Investitionskontrolle insbesondere eine Harmonisierung der nationalen Investitionskontrollverfahren und einer Weiterentwicklung des mit der EU-Screening-VO eingeführten Kooperationsmechanismus vor, ohne dass der Reformvorschlag ein EU-weit einheitliches Investitionskontrollrecht begründen würde.

II. Kernaspekte des Verordnungsentwurfs zur Reform des europäischen Investitionskontrollrechts

1. Neudefinition des Begriffs der ausländischen (Direkt-)Investition

Die Evaluierung der aktuellen EU-Screening-VO hat nach Überzeugung der Kommission ergeben, dass der bisherige Anwendungsbereich der Verordnung deutlich zu eng gefasst ist, der Reformvorschlag sieht daher nun eine breitere Definition des Begriffs der (Direkt-)Investition vor. Künftig sollen von der Investitionskontrolle ausdrücklich auch Intra-EU-Investitionen, mithin Investitionen über unionsansässige Tochtergesellschaften eines unionsfremden Investors erfasst werden, wenn dieser Investor der Tochtergesellschaft die wirtschaftliche Tätigkeit finanziell erst ermöglicht oder in sonstiger Weise Kontrolle über den direkten Erwerber ausübt. Diese Neuregelung ist als unmittelbare Reaktion auf das Xella-Urteil des EuGH4 zu verstehen, wonach die aktuelle Fassung der EU-Screening-VO auch dann nicht auf Intra-EU-Transaktionen anwendbar ist, wenn der indirekte Erwerber ein Nicht-EU-Investor ist. Umstritten ist, ob der Verordnungsentwurf künftig auch sogenannte Greenfield-Investitionen von der Investitionskontrolle erfassen will. Der Wortlaut von Art. 2 des Entwurfs legt das nahe, Erwägungsgrund 17 spricht allerdings nur von einer diesbezüglichen Empfehlung an die Mitgliedstaaten, jedenfalls Greenfield-Investitionen in besonders sensible Sektoren in die nationale Investitionskontrolle aufzunehmen.

Schließlich zielt der Reformentwurf darauf ab, den sektoriellen Anwendungsbereich der Verordnung durch eine detailreichere Definition besonders sensibler Bereiche präziser zu fassen. In jedem Fall sollen die in Anhang I des Verordnungsentwurfs aufgeführten Projekte und Programme von Unionsinteresse erfasst sein sowie Investitionen in Unternehmen, die in den in Anhang II aufgeführten Bereichen tätig sind.

2. Ausweitung des Kooperationsmechanismus und Harmonisierung der nationalen Investitionskontrollverfahren

Zwei weitere im Grunde unmittelbar ineinandergreifende Änderungen sind die Ausweitung des Kooperationsmechanismus und die Harmonisierung der nationalen Investitionskontrollverfahren:

Für den Kooperationsmechanismus unter der EU-Screening-VO ist zentral, dass ein gegenseitiger Austausch zwischen Kommission und Mitgliedstaaten beziehungsweise zwischen Mitgliedstaaten untereinander erfolgt. Ausgangspunkt ist dabei regelmäßig die Meldung eine Transaktion durch einen Mitgliedstaat – zugleich liegt darin auch das Problem: Je nachdem wie treffsicher die Mitgliedstaaten die Relevanz der jeweiligen

Transaktion einschätzen, werden dabei entweder sehr viele an sich unkritische Transaktionen gemeldet und/oder kritische Transaktionen nicht gemeldet. Der Reformvorschlag begegnet diesem Befund durch die Einführung (i) eines differenzierten Meldesystems, das zwischen Pflichtmeldungen einerseits und freiwilligen Meldungen andererseits unterscheidet, und (ii) eines sogenannten Eigeninitiativverfahrens, das es der Kommission und anderen Mitgliedstaaten ermöglicht, eine Investitionsprüfung von dem primär zuständigen Mitgliedstaat zu erwirken, und das von einer sogenannten „Rechenschaftspflicht“ flankiert wird: Der für das Investitionskontrollverfahren zuständige Mitgliedstaat soll der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten seine finale Prüfentscheidung mitteilen und darlegen, inwiefern er die eingegangenen Stellungnahmen bei der Entscheidung bestmöglich berücksichtigt hat. Ergänzt wird dieser erweiterte Kooperationsmechanismus durch eine weitergehende Harmonisierung der nationalen Investitionskontrollregime. So sieht der aktuelle Reformvorschlag anders als die EU-Screening-VO etwa eine Pflicht zum Erlass eines Investitionskontrollrechts vor. Zudem soll es einen verpflichtenden Mindestprüfbereich geben, der prinzipiell den nationalen Investitionskontrollen unterworfen und – ex ante - genehmigungspflichtig ist. Für nicht genehmigungspflichtige Transaktionen müssen die Investitionskontrollbehörden zur effizienten Durchsetzung des oben erwähnten Eigeninitiativrechts für die Dauer von mindestens 15 Monaten nach Abschluss der Transaktion ermächtigt sein, von Amts wegen ein Investitionskontrollverfahren durchzuführen.


1 Vgl. hierzu auch M&A Review 1-2/2024, S. 49 ff.

2 Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union

3 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Überprüfung ausländischer Investitionen in der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates, COM (2024) 23 final.

4 EuGH, EuZW 2023, 810

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